
In China zeigt sich derzeit am deutlichsten, was die Renaissance der Eisenbahn bedeuten kann – ob nun als Hyperloop, Magnetschwebebahn oder regulärer Hochgeschwindigkeitszug. Noch vor vier Jahren benötigten Reisende für die Strecke Shanghai–Peking rund 16 Stunden. Heute schafft der schnellste Serienzug der Welt, der CRH380A, die knapp 1200 Kilometer in fünf Stunden – und das 37 Mal am Tag. Bis zu 320 Kilometer pro Stunde fahren die Züge. Dabei kommt es anders als im berüchtigten Flugverkehr so gut wie nie zu Verspätungen.
Derzeit schließen die Ingenieure in China fast monatlich eine neue Metropole an das Hochgeschwindigkeitsnetz an, das bereits 12.000 Kilometer misst. Bis 2020 sollen es doppelt so viele werden. Das Investitionsvolumen liegt bei stolzen 300 Milliarden Dollar. Dann sollen die rasanten Züge in so gut wie jeder Stadt mit mehr als einer halben Million Einwohnern stoppen – wie eine schnellere Art U-Bahn. Schon jetzt nutzen pro Jahr 500 Millionen Passagiere die Verbindungen.





Bequeme Überlandreisen
Für China bedeutet der Schnellzugboom eine Mobilitätsrevolution. Denn die Tickets kosten im Schnitt die Hälfte des Flugpreises und ermöglichen so erstmals einer breiten Masse bequeme Überlandreisen. Der Fahrpreis Peking–Shanghai beträgt rund 500 Yuan, 70 Euro. Die meisten der 37 Hochgeschwindigkeitszüge, die pro Tag die Hafenstadt Richtung Hauptstadt verlassen, sind ausgebucht.
Mit der schlanken Schnauze ist die Ähnlichkeit zum japanischen Shinkansen unverkennbar. Das Bordbistro gleicht dem des ICEs verblüffend. Das ist kein Zufall. Im Frühjahr 2009 lieferte Siemens Züge für 750 Millionen Euro. Der Deal beinhaltete auch einen Techniktransfer. Heute bauen die Chinesen ihre Schnellzüge selbst und wollen zum Großexporteur aufsteigen. Damit machen sie etablierten Anbietern wie Siemens, Alstom und Bombardier Konkurrenz. Bisher mit Erfolg. Unter anderem die Türkei, Mazedonien, Saudi-Arabien und die USA haben Züge geordert. Allerdings profitiert Siemens häufig als Komponentenlieferant. So setzten die Münchner allein in China 2013 rund 700 Millionen Euro um.
Chinesische Anbieter
Ein wichtiges Argument ist der Preis. Laut Berechnungen der Weltbank schaffen es chinesische Unternehmen, einen Kilometer Schiene zum halben Preis zu bauen wie heute in Europa üblich. Zudem kommen die Staatsunternehmen an billige Kredite heran – ein Vorteil gegenüber der privaten Konkurrenz aus Europa und Japan. So könnten auch die geplanten Schnellzugtrassen in der Alten Welt an chinesische Anbieter gehen.
So sind in Spanien und Frankreich 2000 Kilometer neue Trassen im Bau. Die Briten wiederum wollen London mit der Stadt Leeds im Norden verbinden. Zwei Drittel der Einwohner Nordenglands wohnen dann nur noch zwei Stunden von der Hauptstadt entfernt. Und Russland will gar einen Schnellzug von Moskau nach Peking schicken. Geplante Reisezeit: zwei Tage statt heute sieben.
Auch die USA planen eine neue Schnellzugstrecke
Selbst die USA scheinen inzwischen ihre Liebe zu den flinken Zügen entdeckt zu haben. Eine neue Schnellzugstrecke im Bundesstaat Kalifornien zwischen San Francisco und Los Angeles soll 2029 den Betrieb aufnehmen. Ein Schnellzug wird die etwas mehr als 600 Kilometer in weniger als drei Stunden schaffen. Fliegen ist auf der Strecke dann nur noch wenig attraktiv. Das Projekt soll – vor allem wegen hoher Grundstückspreise – rund 68 Milliarden Dollar kosten. Weitere Strecken sind an der Ostküste und in Texas im Gespräch. Dort engagieren sich gerade japanische Anbieter mit einer Machbarkeitsstudie für die Verbindung Dallas–Houston.
Außen vor beim Tempotrend ist überraschenderweise Deutschland, Erfinder des ICEs. Die Deutsche Bahn plant keine weiteren Schnellzugstrecken. Im Gegenteil: Neue Züge sollen nicht mehr als 249 Kilometer pro Stunde schnell sein. Das senkt die Kosten. Denn würden die Bahnen schneller fahren, wären aufwendige Genehmigungen der Behörden erforderlich.