Neue Batterie Durchbruch für Elektroautos

Der Schwachpunkt von Elektroautos war bislang ihr Energiespeicher. Doch nun ist die Lithium-Ionen-Batterie serienreif – und ein Dogma gerät ins Wanken.

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Studie des Volvo C30 ReCharge Quelle: dpa

Mercedes-Chef Dieter Zetsche hatte es sich so schön zurechtgelegt: 2008 sollte als das Jahr in die Annalen der Autoindustrie eingehen, in dem der dieselgetriebene Pkw nach Kalifornien zurückkehrt und Mercedes volle Auftragsbücher beschert. Auch Volkswagen setzte auf den Erfolg der sparsamen Selbstzünder, die in den USA lange als Dreckschleudern galten und deshalb in Kalifornien zeitweise nicht zugelassen waren. Doch nun erfüllen moderne Dieselmotoren „made in Germany“ sogar die strengsten Emissionsgrenzwerte. Es gibt schwefelfreien Sprit – und eine wachsende Zahl von US-Bürgern, denen der Klimawandel und die steigenden Kraftstoffkosten Sorgen bereiten. „Das sind perfekte Rahmenbedingungen für den saubersten Diesel aller Zeiten“, freute sich Zetsche im Januar auf der Detroit Motor Show. Bis zum Jahr 2015, prophezeite er, werde der Dieselanteil in den USA von 3 auf 15 Prozent steigen.

Doch die Rechnung wird wohl nicht aufgehen. Nicht nur, weil den Amerikanern die Finanzkrise die Freude am Neuwagenkauf vergällt hat. Die Dollar-Schwäche und die hohen Produktionskosten für die schwefelarmen Varianten haben auch dafür gesorgt, dass der Preis für die Gallone Dieselkraftstoff kräftig gestiegen ist – in Kalifornien liegt er mit aktuell 70 Cent rund 20 Prozent über dem von Benzin. Schlechtes Timing also für die Rückkehr des Dieselautos nach Kalifornien.

Vor allem aber erwächst dem Diesel unerwartet harte Konkurrenz in Gestalt neuer, leistungsfähiger Elektroautos. Sie haben keinerlei Imageprobleme, Strom ist im Unterschied zu schwefelarmem Diesel überall reichlich und preisgünstig zu bekommen und die Antriebstechnik wird von kalifornischen Behörden massiv gefördert. Selbst der Tesla Roadster, der bis zu 200 km/h schnelle und 98.000 Dollar teure Elektroflitzer aus Kalifornien, ist deshalb für so prominente Klimaschützer wie Al Gore und Arnold Schwarzenegger ein politisch korrektes Fortbewegungsmittel.

Den endgültigen Durchbruch für die Stromer soll nun eine neue Generation Batterien bringen, deren Energie für deutlich längere Ausfahrten als bisher reicht. Schon gibt es zumindest in den Großstädten der USA öffentliche Ladestationen, an denen Elektroautos Strom zapfen können. Toyota wird deshalb sein Hybridauto Prius ab 2010 auch in einer Plug-In-Variante anbieten: Über ein Stromkabel kann die Batterie beim Parken aufgeladen und damit die Reichweite des Autos im elektrischen Fahrbetrieb vergrößert werden. Auch Volvo hat mit dem C30 ReCharge ein solches Stadtfahrzeug in Vorbereitung. General Motors will Ende 2010 mit dem Chevrolet Volt das erste in Großserie produzierte Elektroauto der Neuzeit auf den Markt bringen. Und BMW will in den nächsten Monaten über den Bau eines emissionsfreien Kleinwagen entscheiden. „Ein Batteriefahrzeug ist die wahrscheinlichste Lösung“, glaubt Konzernchef Norbert Reithofer.

Auch der Daimler-Konzern erwärmt sich inzwischen für den Elektroantrieb. Auf erfolgreiche Tests mit dem elektrogetriebenen Smart Fortwo in London soll nun ein Großversuch in Los Angeles folgen. Auch von der Mercedes A- und B-Klasse soll es künftig Varianten mit Elektroantrieb geben.

Fährt das Auto der Zukunft also elektrisch? Dies fragt sich nicht nur die Bundestagsfraktion der Grünen, die Ende April in Berlin eine Konferenz zu dem Thema abhält. Auch andere Fahrzeughersteller und deren Zulieferer sind elektrisiert: Das nahende Fördermaximum bei Erdöl vor Augen und die Klimaerwärmung im Nacken machen sie sich mit Macht an die Entwicklung alternative Antriebssysteme. Das ingenieurtechnische Dogma, wonach ein Auto nur mit Verbrennungsmotor sinnvoll betrieben werden kann, gerät darüber ins Wanken. Denn während diesel- oder benzingetriebene Fahrzeuge maximal 25 Prozent der im Kraftstoff enthaltenen Energie nutzen, kommen Elektromobile auf Wirkungsgrade von 80 Prozent.

Dennoch hat der Verbrennungsmotor den Elektroantrieb in den zurückliegenden 100 Jahren abhängen können. Denn Elektroautos sind nur so gut wie die Energiespeicher, aus denen sie die Antriebskraft schöpfen. Die Kapazitäten der Batterien reichten lange nur für Fahrstrecken von höchstens 25 Kilometern. „Die Batterie ist beim Elektroauto immer das kritische Element“, weiß Frank Weber, der Chef des Entwicklungsteams von General Motors für das Projekt Volt. Doch nach jahrzehntelange Erprobungstests mit unterschiedlichsten Elektrochemien und Elektroden steht nun ein Durchbruch in der Batterietechnik bevor: Lithium-Ionen-Akkus neuester Bauart halten bis zu zehn Jahre, lassen sich Tausende Male wieder aufladen und verfügen über eine Speicherkapazität, um ein Elektroauto 100 Kilometer und mehr fahren zu lassen – geräuscharm und emissionsfrei.

Mehrere Batteriehersteller aus Europa, Asien und Amerika lieferten sich jahrelang ein Rennen um die begehrte Schlüsseltechnologie. Ein deutsch-französisch-amerikanisches Konsortium ist jetzt am Ziel: Im südwestfranzösischen, 50 Kilometer nördlich von Bordeaux gelegenen Nersac nahm das Gemeinschaftsunternehmen Johnson Controls-Saft kürzlich die weltweit erste Produktionsstätte für Lithium-Ionen-Zellen für den automobilen Einsatz in Betrieb.

Entsprechend groß war der Rummel bei der Eröffnungsfeier. Gekommen waren hochrangige Vertreter von Daimler, BMW, Audi, Ford, Renault, Peugeot-Citroën und der Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) sowie Ségolène Royal, die unterlegene Präsidentschaftskandidatin. In ihrer Rede feierte diese die neue Speichertechnik bereits als eine „Revolution“ in der Automobiltechnik. Die Repräsentanten der Autoindustrie waren da noch etwas vorsichtiger: Daimler-Entwicklungschef Thomas Weber sprach lieber von einem „Durchbruch bei einer wegweisenden Schlüsseltechnologie“ – wohl wissend, dass noch viel Arbeit vor den Ingenieuren liegt, um die Batterie ins Auto zu integrieren.

Mercedes wird der erste Fahrzeughersteller sein, der die in Nersac produzierten Rundzellen nutzt. Weltpremiere haben sie 2009 allerdings nicht in einem reinen Elektroauto, sondern zunächst in einem Hybridfahrzeug: In der Luxuslimousine S400 BlueHybrid wird der Benzinmotor durch einen Elektromotor entlastet, was den Benzinverbrauch um bis zu 30 Prozent senken soll. Und auch der neue 7er-BMW wird von der Lithium-Ionen-Batterie profitieren, verrät John Searle, Chef der Société des Accumulateurs Fixes et de Traction, kurz Saft, die bisher High-Tech-Batterien vor allem für den Einsatz beim Militär, in Satelliten oder Flugzeugen herstellt.

Andere Kunden müssen sich noch gedulden: Die Fertigung, die im Spätsommer startet, ist zunächst auf eine Jahreskapazität von 350.000 Lithium-Ionen-Zellen mit einem Ladungsspeicher von bis zu 45 Amperestunden ausgelegt – das reicht für rund 10.000 Batterien. Searle drängt auf einen raschen Ausbau: „Je größer die Stückzahlen, desto günstiger wird es für uns.“ Langfristig will man die Lithium-Ionen-Batterie zum gleichen Preis einer Nickel-Metallhydrid-Batterie gleicher Leistung liefern.

Der Erfolg ist das Ergebnis einer internationalen Arbeitsteilung. JCI in Hannover, die ehemalige Varta, hat das Batteriesystem inklusive Gehäuse entwickelt und getestet – nach Vorgaben von Daimler und unter Nutzung von 25 Patenten des Autoherstellers. Saft produziert die Zellen, JCI montiert sie. Komplettiert wird das System durch eine Elektronik zur Druck- und Temperaturüberwachung, die Continental beisteuert.

Rund 120 Millionen Euro hat allein Saft in den zurückliegenden Jahren in die Entwicklung von Batterien für die Autoindustrie investiert. Über Nickel-Metallhydrid-Akkus führte die Entwicklung schließlich zu Lithium-Ionen-Speichern, die sich in Handys und Laptops schon bewährt haben. Sie glänzen mit hoher Leistungsdichte und geringer Selbstentladung, reagieren aber sensibel auf Spannungsabfälle, Überhitzung oder Deformationen – Lithium ist ein hoch reaktives Leichtmetall. Separatoren aus Kunststoff sollen bei dem neuen Akku verhindern, dass die Elemente miteinander reagieren und die Batterie bei einem Verkehrsunfall explodiert. Saft verspricht Mercedes eine wartungsfreie Lebensdauer von etwa zehn Jahren. Die Batterien sind auch 40 Prozent leichter und um 40 bis 60 Prozent kleiner als die derzeit in Hybrid- oder Elektroautos eingesetzten Nickel-Metallhydrid-Speicher.

Das Joint Venture sieht gute Chancen, mit der neuen Batterie die Vormachtstellung zu brechen, die Toyota und Partner Panasonic heute noch haben: Die Japaner bauen den mit einer Spannung von 288 Volt derzeit leistungsstärksten Stromspeicher aus Nickel-Metallhydrid, der unter anderem im Toyota Prius zum Einsatz kommt. Die nächste Generation des Prius wird zwar 2010 ebenfalls einen Lithium-Ionen-Akku erhalten, damit aber maximal 30 Kilometer elektrisch fahren können. Für Christian Rosenkranz, Leiter des Hybrid-Integration-Center von JCI in Hannover, wäre das zu wenig: „Mit unserer Batterie schaffen wir heute schon 100 Kilometer.“

Es wäre sogar noch mehr drin gewesen, klagt ein anderer JCI-Manager, wenn Daimler, BMW & Co. früher den Hebel umgelegt hätten. „Solange die europäische Autoindustrie in Richtung Diesel unterwegs war und alternative Antriebskonzepte nicht ernsthaft verfolgte, konnte es sich kein Zu-lieferer leisten, in Vorleistung zu gehen und eine Serienfertigung von Hochleistungs-batterien für Elektroautos aufzubauen.“

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