Rohstoffe für E-Auto-Batterien „Die Situation ist nach wie vor angespannt“

Lars-Peter Häfele ist Geschäftsführer und Head des Competence Centers Automotive & Industrial Goods bei Inverto in München. Quelle: PR

Deutschland braucht dringend eigene Batteriezell-Fertigungen, die auch ihre Lieferketten im Blick haben, warnt Lars-Peter Häfele, Spezialist für Rohstoffe und Zulieferketten der Autoindustrie.

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WirtschaftsWoche: Herr Häfele, Wirtschaftsminister Peter Altmaier versucht seit geraumer Zeit, deutsche Konzerne zum Aufbau einer eigenen Fabrik für Lithium-Ionen-Batteriezellen zu überreden. Warum ist das der Politik so wichtig?
Lars-Peter Häfele: Der Akku ist der zentrale Bestandteil des Elektroautos, ähnlich wie im konventionell angetriebenen Fahrzeug der Verbrennungsmotor. Die Zellfertigung wiederum ist die Basis für die Akkus. Berechtigterweise hat die Politik das Ziel, diese Kompetenz zu entwickeln und die damit verbundenen Arbeitsplätze in Deutschland zu halten. Der Verbrennungsmotor wird zunehmend zurückgedrängt werden. Dadurch werden viele Arbeitsplätze verloren gehen. Und zwar nicht nur in der Motorenfertigung, sondern in allen Bereichen, die mit dem Antriebsstrang zu tun haben: Also zum Beispiel auch bei Herstellern von Getrieben und Abgasreinigung.

Was wären die konkreten Folgen, wenn der Plan misslingt?
Dann wird die Abhängigkeit von asiatischen Zellfabrikanten tendenziell weiter zunehmen. Sie ist schon jetzt groß. Die Zellpreise steigen derzeit rapide an. Die Zellhersteller haben bis vor wenigen Monaten die Autohersteller mit Kampfpreisen angelockt, weil es Überkapazitäten gab. Nun drehen sie die Preisschraube hoch. Eine weitere Gefahr ist der zunehmende Protektionismus. Im Falle eines Handelskrieges könnten etwa chinesische oder koreanische Zellhersteller ihre eigenen Autobauer bevorzugen.

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Offenbar haben die Autohersteller die Rolle und die Marktmacht der Batteriekonzerne unterschätzt. Wie konnte das aus Ihrer Sicht passieren?
Die meisten Einkäufer machen sich leider erst Gedanken, nachdem die Preise irgendwo sehr stark gestiegen sind. Die Wenigsten fragen ihre Zulieferer, ob diese wiederum ihre eigenen Zulieferer im Griff haben und ob deren Nachschub die ganze Wertschöpfungskette hinunter immer sichergestellt ist. Das dürfte sich aber ändern. Die ersten Autokonzerne haben ja bereits versucht, sich direkt an der Rohstoffquelle zu engagieren und zum Beispiel langfristige Lieferverträge oder sogar Joint-Ventures mit Minengesellschaften zu etablieren.

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Mit durchwachsenem Erfolg. VW ist dabei 2018 zwei Mal abgeblitzt. Gibt es da inzwischen Neuigkeiten?
Zu einzelnen Unternehmen und ihren Lieferbeziehungen kann ich nichts sagen.

Wie sieht es mit der allgemeinen Versorgungslage weiter unten an der Wertschöpfungskette aus, bei den Rohstoffen?
Grundsätzlich sind die wichtigen Metalle wie Lithium oder Nickel nicht knapp im geologischen Sinne. Das heißt: als Elemente in der Erdkruste ist genügend da. Eine andere Frage ist jedoch, ob, zu welchem Preis und mit welchem Aufwand sie wirtschaftlich abbaubar sind. Hier kann es zu vorübergehenden Versorgungslücken kommen.

Bei welchen Grundstoffen ist das zu befürchten?
Die Situation beim Kobalt ist nach wie vor angespannt. Über der Hälfte des Kobalts auf dem Weltmarkt kommt nach wie vor aus der Demokratischen Republik Kongo. Auch wenn das Land zurzeit politisch relativ stabil ist, gab es auch schon Phasen, in denen der Bergbau durch Milizen und Warlords behindert wurde. Zuletzt hat sich die Lage nach dem extremen Preisauftrieb 2017 und 2018 zwar etwas entspannt, aber eine generelle Entwarnung geben kann man nicht.

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Tesla und Panasonic haben unseren Recherchen zufolge den Anteil des Kobalt in der Kathode bereits von den bisher üblichen rund acht auf 2,8 Gewichtsprozente reduziert. Möglicherweise kann man das Kobalt auch bald ganz ersetzen.
Die Reduktion ist zum Teil für den leichten Preisrückgang verantwortlich. Ganz ersetzen kann man Kobalt aber nach meiner Einschätzung in den nächsten Jahren noch nicht. Und die Reduktion des Anteils wird mehr als überkompensiert von den geplanten Stückzahlen an E-Autos. Zumal noch längst nicht alle Hersteller von Kathodenmaterial in der Lage sind, mit 2,8 Prozent Kobalt auszukommen. Der industrieweite Durchschnitt dürfte noch bei über acht Prozent liegen.

Wie viel des knappen Metalls braucht die Industrie?
Rund 10 bis 12 Kilo pro E-Auto, mit der neusten Zellgeneration bei Panasonic/Tesla Model 3 wären es 5 bis 6 Kilo. Die derzeitige Fördermenge beträgt etwa 150.000 Tonnen. Davon geht rund die Hälfte in die Batterieproduktion. Wohlgemerkt: In die gesamte Batterieproduktion, also auch für Handys, Akkuschrauber und dergleichen. Das bedeutet, die globale Kobaltproduktion reicht nach aktuellem Stand der Technik für vielleicht 7 bis 8 Millionen Autos pro Jahr.

Das klingt nicht nach einer existenziellen Knappheit.
Man muss sich den Markt genau anschauen. Nicht nur, wo das Kobalt gefördert wird, ist wichtig. Sondern auch, wo es weiterverarbeitet, zum Beispiel raffiniert wird. Hier sehen wir, dass – wie übrigens auch bei den meisten anderen Batterierohstoffen – China dabei ist, sich eine dominante Stellung in der Lieferkette aufzubauen. 60 Prozent des Erzes kommen aus dem Kongo und über 60 Prozent davon werden in China raffiniert. Der Rest vornehmlich in Finnland, Belgien und Kanada Europa steht mit unter 20 Prozent derzeit relativ leer da.

Kobalt kam auch ins Gerede, weil es im Kongo zum Teil durch Kinderarbeit gefördert wird. Kann die Industrie sich so etwas wirklich leisten?
Nein, und sie nimmt es ja auch nicht hin. Einzelne Hersteller zertifizieren ihre Zulieferer aus dem Kongo, damit Kobalt nicht mehr aus Kinderminen kommen kann. Darüber hinaus gibt es internationale Organisationen wie die Responsible Cobalt Initiative (RCI), an welchen sich deutsche Unternehmen beteiligen, die sichere Herkunftsnachweise für Kobalt entwickeln. Als Vorbild dienen Zertifikate, die zum Beispiel den Handel mit den so genannten Blutdiamanten erfolgreich eingedämmt haben.

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Wie glaubhaft sind diese freiwilligen Selbstkontrollen?
Diese sind durchaus glaubhaft, wenn sie durch unabhängige Dritte, wie etwa NGOs oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, durchgeführt werden. Eine lückenlose Überwachung ist aber mit Sicherheit nur schwer möglich. Zudem ist das natürlich ein sehr hoher Aufwand, den kleinere Abnehmer kaum investieren können.

Wie ist die Lage beim Lithium, Nickel und Grafit?
Nickel ist aus unserer Sicht unkritisch, Grafit ist dagegen als natürliches Mineral nicht unendlich verfügbar. Hier müssen langfristig auch alternative Anoden-Materialien gefunden werden, etwa Silicium. Außerdem muss das Recycling in Gang kommen. Lithium ist geologisch unkritisch, allerdings benötigt die Bergbauindustrie erhebliche Investitionen, auch hier werden wir künftig sicherlich mehr Joint Ventures und Direktinvestitionen der Autoindustrie sehen.

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