




Mit 140 Stundenkilometern auf der Überholspur, das Handy in der Hand, um mal kurz zu überprüfen, wer da gerade eine Nachricht geschickt hat - erschreckend viele Autofahrer in Deutschland scheinen so unterwegs zu sein. Verkehrspsychologen der TU Braunschweig haben herausgefunden, dass jeder Zehnte telefoniert oder Nachrichten tippt während er über die Autobahn fährt. Die Studie lag zuerst den Radioprogrammen NDR Info und N-Joy vor.
„Wir beobachteten häufig, dass der Blick erstaunlich lange weg von der Straße, hin zum Smartphone geht“, erklärte Studienleiter Mark Vollrath. „Das Ergebnis ist ein „Blindflug“ von fünfzig bis hundert Metern bei hoher Geschwindigkeit.“
Ablenkung gab es schon immer; durch Rauchen, Essen oder die Suche nach dem richtigen Radiosender. Smartphones seien heute jedoch die größte Ablenkungsgefahr, meint Andreas Hölzel vom ADAC. Bei jedem zehnten Unfall bei dem ein Mensch zu Schaden kommt, sei Unachtsamkeit der entscheidende Auslöser, meint der Verkehrsexperte. „Das betrifft vor allem die Ablenkung durch Smartphones.“
Recht einfach: Handy im Auto
Autofahrer dürfen nur mit Freisprecheinrichtung telefonieren. Wegen vieler Verstöße verhängen Polizisten schnell Bußgelder – manchmal ohne Erfolg. Ein Überblick.
Ein 22-jähriger Autofahrer wurde mit Handy am Ohr von einem Polizisten gesehen. Seine Erklärung: Er habe das Handy aus dem Fußraum aufgehoben und sich wegen eines Hautausschlags damit gekratzt. Die Richter am Amtsgericht Leverkusen nahmen ihm das ab (52 OWi 98/15).
Ein 29-jähriges Model wurde in Düsseldorf von Polizisten erwischt. Angeblich hatte sie ihr Handy am Steuer genutzt. Doch das Model widersprach: Es habe sich um eine Puderdose gehandelt. Das fanden die Richter am Amtsgericht Düsseldorf plausibel (321 OWi 623/12). Weniger Glück hatte 2009 der damalige BVB-Fußballspieler Sebastian Kehl. Seine Erklärung, er habe ein Diktiergerät genutzt, um nach dem Training festzuhalten, was der Trainer gesagt hatte, stieß am Amtsgericht Dortmund auf Ablehnung (730 OWi 641/09).
In Thüringen beobachtete ein Polizist, wie ein Autofahrer die Hand Richtung Ohr bewegte. Dann ging die Hand zurück zur Mittelkonsole. Der Polizist ging von einer Handynutzung aus und verhängte ein Bußgeld: Nur weil der Fahrer ihn gesehen habe, habe er das Telefon abgelegt. Doch auch dieser Fahrer wehrte sich mit Erfolg. Allein aus der typischen Handbewegung könne nicht auf eine Handynutzung geschlossen werden, befand das Thüringische Oberlandesgericht (1 Ss Rs 26/13 (63)).
Ein Autofahrer nahm sein Handy an einer Ampel zur Hand. Sein Motor mit Start- Stopp-Automatik war zu diesem Zeitpunkt ausgeschaltet. Dies sei keine unerlaubte Handynutzung, urteilte das Oberlandesgericht Hamm (1 RBs 1/14).
Untersuchungen, wie häufig das Handy tatsächlich der Auslöser für Unfälle ist, gibt es in Deutschland nicht. Eine aktuelle amerikanische Studie der Verkehrsforscher vom Virginia Tech Transportation Institute kommt zu dem Ergebnis, dass die Suche nach dem Handy, das Telefonieren und vor allem das Lesen und Schreiben von Texten das Unfallrisiko um insgesamt fast das Vierfache erhöht. Experten halten die Ergebnisse für auf Deutschland übertragbar.
Besonders auf langen und monotonen Strecken über die Autobahn sei die Versuchung zum Handy zu greifen groß, erklärten die Braunschweiger Wissenschaftler. Sie fanden heraus, dass auf der Autobahn etwa doppelt so viele Menschen mit dem Handy hantieren wie im Stadtverkehr. Dort benutzten rund 4,5 Prozent der Fahrer das Gerät, hatten die Forscher bereits im März festgestellt.





Obwohl die Autofahrer ihr Verhalten selbstkritisch bewerten, ändern sie offenbar nur wenig. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Automobil-Club Verkehr und der Deutschen Verkehrswacht ergab Ende August, dass sich 40 Prozent der Handynutzer beim Fahren stark, 20 Prozent sogar sehr stark abgelenkt fühlen. Nur 11 Prozent der Befragten gaben jedoch an, durch das Hantieren mit ihrem Handy einen Fahrfehler begangen zu haben. „Viele meinen, sie haben alles im Griff“, sagt Hölzel vom ADAC. „Das Autofahren wird dabei zur Nebensache.“
Besonders Menschen bis zum 45. Lebensjahr nutzen laut der Umfrage ihr Handy am Steuer. 81 Prozent von ihnen gaben an, es zumindest hin und wieder im Straßenverkehr zu gebrauchen. Deshalb will der ADAC auch besonders bei Jüngeren für mehr Aufklärung sorgen. „Das Thema muss stärker in die Fahrausbildung integriert werden“, meint Hölzel.