Zweimal ziehe ich den kleinen Hebel links am Lenkrad zu mir. Das kleine Lenkradsymbol oben am Rand des Tachos leuchtet blau. Der Autopilot des mehr als 400 PS starken Tesla Model S ist aktiv: Das Elektromobil beschleunigt, bremst, lenkt, überholt und wechselt die Spur ganz allein. Sogar nach einem Stopp an einer roten Ampel fährt er von selbst an, sobald der Vordermann losrollt. Ich könnte jetzt die Hände in den Schoß legen, wäre mir bei aller Faszination nicht auch etwas mulmig.
Nein, ich habe während der Fahrt keinen Film geschaut und war auch nicht in sozialen Medien unterwegs. Aber auf der A 3 zwischen Düsseldorf und Köln konnte ich nicht anders: Ich habe einem Freund eine SMS geschrieben, der bei einem Autozulieferer arbeitet und selbstfahrende Autos für ein Thema erst des nächsten Jahrzehnts hält: „Der Tesla chauffiert mich – heute.“
So fährt es sich im Tesla Model S
Audi, BMW, Mercedes, Nissan, Volvo und Co. testen autonome Funktionen meist auf abgesperrten Strecken und verwenden für ihre Systeme noch vorsichtige Begriffe wie Stauassistent. Sie bieten zwar auch Abstandstempomaten mit Spurhaltefunktion an. Aber die nehmen dem Fahrer die Arbeit nur bei geringem Tempo ab.
Musk verspricht das autonome Fahren
Elon Musk, Chef des US-Elektroautoherstellers Tesla Motors, nutzt diese Zurückhaltung: Mitte Oktober stellte er in den USA sein System gleich großsprecherisch als autonomes Fahren vor. Anfang November folgte die Freigabe für Europa und den Rest der Welt. Der Chip-Chauffeur funktioniert bei allen seit dem Oktober 2014 gebauten Tesla Model S –sofern der Besitzer 3300 Euro für die Freischaltung zahlt. Wer einen neuen Wagen bestellt, bekommt den Autopiloten für 2700 Euro zusätzlich auf den Grundpreis von 81.800 Euro.
Auf der Autobahn zwischen Düsseldorf und Bonn nehme ich immer wieder die Hände vom Lenkrad. Damit probiere auch ich etwas aus, was faszinierend, aber noch nicht fertig entwickelt ist. Tesla empfiehlt, die Hände am Lenker zu lassen. Damit sichert sich Musk ab, sollte ein Unfall passieren. Die Verantwortung trage alleine ich als Fahrer. Die technikverliebte Fangemeinde scheint das klaglos zu tolerieren. Meine Vermutung: Etablierte Autohersteller würden für eine ähnliche Abwälzung des Risikos einer neuen Technik auf den Fahrer viel mehr Ärger ernten als Tesla.
Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos
Autopiloten sind in Flugzeugen Standard. Auch in Schiffen übernimmt zumindest außerhalb der Häfen oft der Computer das Ruder. Am Ende geht es auch beim autonomen Fahren um einen Autopiloten, der das Fahrzeug steuert. Doch der Autoverkehr ist komplex. Auf der Autobahn können die Prototypen der Industrie bereits ohne größere Probleme ohne Eingriffe des Fahrers unterwegs sein. Im Stadtverkehr wird es schon schwieriger. Halbautomatische Funktionen sind allerdings inzwischen Alltag. Ob Tempomaten, Einparkhilfen, Stauassistenten oder Abstandsregler - viele Funktionen entlasten den Fahrer bereits. Auch etwa Mähdrescher können längst eigenständig über das Feld fahren.
Eins der wichtigsten Argumente ist die Sicherheit. Die meisten Unfälle gehen auf Fahrfehler zurück. Weit oben in der Statistik: zu hohe Geschwindigkeit, zu geringer Abstand oder Abbiegefehler. Automatisch gesteuerte Autos würden solche Fehler minimieren. Denn Risikofreude, Spaß an der Geschwindigkeit und Selbstüberschätzung kennt ein Computer nicht. Er bremst, wenn der Abstand zu gering wird und nimmt nicht aus Unachtsamkeit anderen die Vorfahrt.
Die Entwicklung ist recht weit fortgeschritten. BMW etwa testet seit Jahren automatisch fahrende Autos, auch auf deutschen Autobahnen. Die Fahrzeuge können auch eigenständig überholen. Solche Tests müssen sich die Hersteller aber von Behörden genehmigen lassen. Audi ließ jüngst zur US-Technikmesse CES einen Wagen „autonom“ rund 900 Kilometer aus dem Silicon Valley nach Las Vegas fahren. Auch Daimler präsentierte auf der CES seine Vision für ein selbstfahrendes Auto der Zukunft. Der silberne Mercedes-Prototyp fuhr autonom auf die Bühne nach einer Tour durch die Wüste und die Hotel-Meile der Glücksspiel-Stadt. Zumindest für die Autobahn können sich manche Hersteller pilotiertes Fahren bereits in fünf bis sieben Jahren vorstellen.
Hier beginnen die Schwierigkeiten jenseits der Technik. Die erste Hürde ist das „Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr“ von 1968, das die Basis für die meisten Verkehrsregelungen ist. Darin gibt es zwar Hinweise zu Zugtieren, aber von selbstfahrenden Autos ist nicht die Rede. Dafür aber davon, dass jedes Auto einen Fahrer braucht, der am Ende verantwortlich ist. Dass Autofahrer am Ende Verantwortung und Kontrolle völlig abgeben werden, gilt eher als unwahrscheinlich. Noch fehlen dafür aber Regeln und Gesetze. Bei den bisher fahrenden Prototypen auf normalen Strecken müssen in Deutschland die Fahrer darauf geschult sein.
Europas größter Versicherer, die Allianz, würde auch selbstfahrende Autos versichern. Allerdings würde sich die Risikoeinschätzung ändern, denn das Risiko verlagere sich vom menschlichen Fehler des Fahrers zum Entwickler der Autopiloten. Allerdings glauben die Versicherer nicht daran, dass es vollständig selbstfahrende Auto geben wird. Ein Fahrer werde auch künftig einen Führerschein brauchen, und das Gefährt im Notfall oder in Situationen wo es nötig ist, kontrollieren zu können.
Sicherlich auch, um Kunden mit immer ausgereifteren Extras zu locken. Doch daneben spielt auch die mögliche Konkurrenz durch andere Spieler eine Rolle. So arbeitet etwa auch der Internetkonzern Google seit einigen Jahren an selbstfahrenden Autos.
Immerhin fordert mich das System regelmäßig per Piepton und Warnsymbol im Armaturenbrett auf, die Hände ans Lenkrad zu legen – als Rückversicherung, dass der Fahrer sich nicht zu intensiv mit seinen E-Mails beschäftigt. Ignorierte ich das, würde das Fahrzeug einen Nothalt einleiten und am Straßenrand stoppen.
Dennoch: Vor allem auf der Autobahn – und dafür ist der Robo-Pilot in erster Linie gedacht – funktioniert er erstaunlich gut und ist mehr als eine Spielerei, weil er nie unaufmerksam ist und mich vor Gefahren warnt. Der Elektrowagen gleitet leise und entspannt dahin, wenn die Kamera hinter der Windschutzscheibe die weißen Fahrbahnmarkierungen gut erkennt. Ein Symbolbild im Armaturenbrett zeigt, was die insgesamt zwölf Ultraschallsensoren und das Frontradar registrieren: Leitplanken, Lastwagen und Bäume. Ich fasse Vertrauen und schalte die Technik immer häufiger an.
Die Grenzen des Autopiloten
Nach einigen Tagen erkenne ich auch die Grenzen des Systems: Enge Kurven sind eine Herausforderung für den Autopiloten, da Sensoren schlecht um die Ecke blicken können. Der Tesla lenkt dabei eher ruckartig – gewöhnungsbedürftig, aber harmlos.
Ganz anders eine Begegnung auf verengten Spuren der A 59 zwischen Bonn und Köln: In der mittleren fährt ein Lkw auf der weißen unterbrochenen Linie. Der Tesla sieht keine Gefahr und hält für meinen Geschmack zu wenig Abstand: Würde der Laster aus Versehen noch weiter auf meine Spur schwenken, könnte es krachen. Also steuere ich den Wagen weiter nach links.
Eine weitere Situation treibt meinen Puls ebenfalls nach oben: Rechts blinkt ein schwarzer Porsche, der auf meine mittlere Spur wechseln will. Jeder halbwegs geübte Fahrer geht vom Gas, weil er weiß, der Sportrenner zieht gleich nach links. Ich warte leicht verkrampft, wie der Autopilot reagiert. Für meinen Geschmack zu spät, ich bremse vorher ab.
Schnell scheitert der Autopilot auch bei einen Gewirr gelber und weißer Fahrbahnmarkierungen in Baustellen. Und ruft nach dem Menschen.
Wer sich zudem bei der maximal möglichen Geschwindigkeit von 150 Kilometer pro Stunde dem Autopiloten aussetzt, fühlt sich zumindest anfangs so ähnlich wie der Beifahrer auf dem Rücksitz eines schnellen Motorrads: Ziemlich ausgeliefert.
Tesla verspricht zwar, dass Wagen und Unternehmen ständig dazulernen. Das hat seinen Preis: Auch meine Fahrdaten wandern dafür in die Cloud. Der Hersteller erfasst, wann und wo ich den Autopilot eingeschaltet habe, ob ich allein im Auto saß, wie schnell und wie lange ich durch die Gegend getourt bin.
Elon Musk weiß um die Grenzen seines Autopiloten, der im Moment höchstens teilautonomes Fahren zulässt. Vielleicht sucht er daher gerade per Nachrichtendienst Twitter neue Softwareingenieure. Möglicherweise kann aber schon das neue Modell X mehr. Das Elektro-SUV kommt im Frühjahr nach Deutschland. Und Musk verspricht: Spätestens in drei Jahren sollen seine Autos tatsächlich vollautomatisch von A nach B fahren.