
Tokio Lena und Shiho sehen ungewöhnlich aus an ihrem Messestand. Im Gegensatz zu den übrigen Hostessen auf dem Tokyo Auto Salon, der größten, verrücktesten asiatischen Schraubermesse, tragen sie nicht knappe Kostüme, sondern Rennanzüge. Und die sind keine Schau: Die beiden jungen Frauen haben sich tatsächlich von Boxengirls zu Rennfahrerinnen gewandelt.
Wie zum Beweis steht neben ihnen ihr Rallye-Auto. In den Händen haben sie ihre Helme und auf den Lippen eine Botschaft, die ihnen wichtig ist: Sie wollen Frauen für den Motorsport begeistern. Und mehr noch: „Wir möchten Frauen zeigen, dass wir die Männer in Autorennen besiegen können.“
Einer, der bereits Respekt vor bekommen hat, ist Justin Gardiner. Er hat sich vom Autojournalisten zum Importeur von Supersportwagen umerzogen. Sein Kassenschlager sind britische Caterham Cars, die aussehen wie Rennautos aus den Nachkriegsjahren. Allerdings fährt er auch gerne Rennen. Dabei jagte er auch mit Frauen durch die Kurven. „Die sind inzwischen verdammt gut“, erkennt Gardiner an.
Frauen in der Männerhochburg, PS-Boliden und Kitsch – es sind genau diese Widersprüche auf dem Tokyo Auto Salon, die für Gardiner die Anziehungskraft der Messe erklären. Auf dieser Auto-Tuningmesse ist für jeden etwas dabei: für Männer, Frauen und Kinder. Von heißen Sportwagen bis Träumen in Rosa, von professionellen Bodyshops zu studentischen Fantasieergüssen.
Motorenfans lassen ihre Finger über Getriebe gleiten, Frauen streichen über die Messe auf der Suche nach Tuningideen. Kinder tollen herum in diesem Mischmasch aus Blech, Gummi, kunstvollen Sportfelgen, zügelloser Fantasie und gerade noch Facebook-freien Standdamen. Und über allem wummert eine Kakophonie an Beats. Wer hier nicht zum Autofan wird, wird es nirgendwo.
Das haben auch die Autohersteller erkannt. In den vergangenen Jahren hat sich die Schraubermesse von einst zum Schaulaufen von Toyota, Nissan, Honda & Co. entwickelt. Auch Volkswagen und Mercedes-AMG treten groß auf. „Schau dich um“, rät Gardiner, „was die hier für Stände aufgebaut haben, fantastisch.“ Die Auftritte seien größer als auf der Tokyo Motor Show, der japanischen Version der deutschen Branchenmesse IAA in Frankfurt.
Sein Fazit: „Hier muss man sein, die Messe ist für die Hersteller inzwischen relevanter als die Tokyo Motor Show.“ Seine Aussage wirkt nicht übertrieben. Hier glänzen die CEOs der Autobauer vielleicht nicht mit futuristischen Konzeptautos und visionären Reden. Stattdessen gibt es Autos, Motoren und Tuningartikel zum Anfassen und Kaufen satt.
Diese Kundennähe zieht längst nicht mehr nur in Japan. Aus ganz Asien kommen Autofans, Journalisten und vor allem Einkäufer vorbei. Denn der Ruf von japanischen Tuning-Artikeln wie Sportfelgen oder Auspüffen ist in der Region legendär. Zudem tummeln sich allerlei Anbieter aus Europa. Im Gegensatz zur renommierteren Tokyo Motor Show, die kaum noch internationale Strahlkraft hat, ist der Auto Salon eine wirkliche regionale Leitmesse.
Pionierarbeit von Rennfahrer Morizo
Der Messepionier unter Japans Autoherstellern ist kein geringerer als Toyota-Chef Akio Toyoda. „Der Tokyo Auto Salon ist seine liebste Automesse“, erzählt ein ehemaliger enger Mitarbeiter Toyodas. Denn der Toyota-Chef ist selbst ein begeisterter Rennfahrer und liebt die Freude der Messebesucher am Fahren.
Seit er Chef ist, versucht er daher Toyota den Ruf des automobilen Biedermeier auszutreiben. „Wenn es keinen Spaß macht, ist es kein Auto“, hat er 2011 seine neue Marschrichtung veröffentlicht. Toyotas Gazoo-Racing-Team, ein Kind seiner ersten Führungsaufgaben im Vorstand, war daher damals schon lange auf der Messe dabei. Auch Akio Toyoda fehlte selten.
Ob er allerdings auch dieses Jahr kommen wollte, blieb unklar. Die amerikanische Motorshow läuft schließlich und der Konzern wurde vom kommenden US-Präsidenten Donald Trump gerade dafür an den Pranger gestellt, neben all seinen Werken in den USA auch ein neues in Mexiko aufzubauen. Toyoda versucht daher die Wellen zu glätten.
Diese Woche kündigte er auf der nordamerikanischen Autoshow an, in den kommenden fünf Jahren zehn Milliarden US-Dollar in den USA investieren zu wollen. Dann traf er noch den kommenden US-Vizepräsidenten Mike Pence. Immerhin steht der Konzernchef prominent als Comic-Figur auf der Bühne – im Rennanzug mit seinem Rennfahrerpseudonym Morizo auf der Brust.
Eine Fanbasis für deutsche Autos
Toyodas Vorstoß hat mit der Zeit alle Hersteller mitgezogen. Doch noch immer ist keiner so massiv vertreten wie Japans Branchenprimus. Neben dem Stand des Rennteams stellt Lexus spoilerbestückte Renn- und Tuningideen aus. In einer anderen Halle gibt es verspielte Versionen von Toyotas scharf geschnittenen Mini-SUV CH-R. Zudem ist Toyotas Autotechnik-College mit Konzepten vertreten, darunter mit einem „Meeresauto“, bei dem allerlei Meeresgetier auf die Karosserie geklebt wurde.
Und auch deutsche Autokultur steht wie im Alltag hoch im Kurs. Nicht nur das Importsegment des japanischen Automarkts wird in Japan von BMW, Daimler und VWs Marken nahezu monopolisiert. Die deutschen Autos sind auch bei Tunern beliebt. Die Zuneigung geht sogar so weit, dass sich viele japanische Lieferanten und Tuner deutsch klingende Namen geben.
Einer dieser Fans ist Makoto Fujita. „Ich mag deutsche Autos“, sagt er. Er hat daher eine Aloha-Version des VW Beetle gebaut. Chrom und Metall hat er durch eigene Holzarbeiten ersetzt. Selbst das VW-Zeichen an der Haube ist selbst geschnitzt. Und in der Windschutzscheibe steht: „Germany Yell Aloha!“ Damit trifft er das Motto des Tokyo Auto Salon ziemlich genau: Eine Automesse sollte nicht nur um PS und Technik drehen. Erlaubt ist, was Spaß macht.