Egal ob Retro-Rennrad für Hipster, E-Bike für Rentner, Rennrad für Leistungssportler oder Lastenrad für den Pizzaboten - fast überall in Europa werden Fahrräder immer beliebter: Rund 11,7 Millionen Fahrräder im Wert von etwa 2,3 Milliarden Euro wurden 2013 in der EU verkauft, wie die aktuellsten Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat zeigen. Das sind rund 150.000 mehr als im Jahr zuvor.
Dazu kommt der noch recht junge Trend der E-Bikes: 2013 kauften die Europäer allein von diesen Modellen laut dem Europäischen Radfahrer-Verband (ECF) rund 480.000 Stück.
Praxistipps beim Fahrradkauf
Für kürzere Distanzen und Wartungsmuffel: Nabenschaltung. Für größere Entfernung oder hügeliges Gelände: Kettenschaltung.
Gemeinsam mit dem ADFC-Experten René Filippek bringt Wiwo.de die Checkliste für den Kauf des City Bikes.
Durchaus empfehlenswert, weil wartungsarm, aber nicht unbedingt nötig.
In Deutschland beliebt, aber relativ geringe Bremskraft. Besser sind zwei Handbremsen.
Gehen leicht kaputt, müssen gelegentlich nachgestellt werden. Besser ist ein bequemer gefederte Sattel.
Schützt die Hosenbeine vor Verschmutzung, ist aber bei Kettenschaltungen ein Quell des Ärgers, weil unzuverlässig und schadensanfällig.
Fest montiert unbedingt zu empfehlen.
Zuverlässig und besser als Batterielicht.
Typisch für Stadträder, aber eher Geschmackssache.
Sinnvoll, bei Fahrten, die häufig unterbrochen werden oder für ältere Menschen. Allerdings sind solche Rahmen meist nicht so steif wie Diamantrahmen; das könnte ein Problem bei schwerer Zuladung sein.
Gut, wenn man schwere Einkäufe transportiert oder ein Kindersitz montiert hat.
Sinnvoll, verhindern manche Reifenpanne.
Beide Werkstoffe sind im Prinzip gut. Hier kommt es eher auf die Sorgfalt bei der Fertigung an, deshalb Vorsicht bei Billigrädern. Stahl sollte den Zusatz CrMo oder 25CrMo4 (Chrom-Molybdän) tragen, Hi Ten-Stahl ist beim Rahmen nicht so gut.
Beides ist gleich gut, entscheidend ist die Sorgfalt bei der Fertigung.
Sehr verwindungssteif und leicht, aber auch teuer. Spielt bei City Bikes praktisch keine Rolle.
Keine Überraschung: Besonders gerne sind die Niederländer auf dem Drahtesel unterwegs. 36 Prozent von ihnen sagten in einer Eurobarometer-Umfrage der EU-Kommission von 2014, vor allem per Rad von A nach B zu kommen. Damit haben die Niederländer die höchste Radfahrer-Quote aller EU-Staaten, und auch eine höhere als noch vier Jahre zuvor.
In Dänemark nutzte fast jeder Fünfte hauptsächlich das Fahrrad. Malta hingegen ist Europas Schlusslicht: Dort gab gar niemand an, in erster Linie zu radeln. In Deutschland berichteten immerhin 12 Prozent der Menschen, mit Vorliebe aufs Rad zu steigen - weniger als noch 2010 (13 Prozent), aber mehr als im relativ niedrigen EU-Schnitt von acht Prozent.
Wie häufig die Europäer wirklich in die Pedale treten - dazu gibt es kaum verlässliche Daten aus den einzelnen EU-Staaten. „Das ist ein Symptom“, sagt Fabian Küster, Geschäftsführer des ECF. Das Rad bekomme viel weniger Aufmerksamkeit als das Auto. „Das Fahrrad sollte ein vollwertig anerkanntes Verkehrsmittel werden“, wünscht sich der Lobbyist.
Nach Ansicht von Umweltschützern sollte die Politik das Rad neu erfinden. Die Steuergesetze bevorzugen vielerorts Autofahrer, für Pendler per Rad fehlten steuerliche Vorteile. Die EU-Kommission hat das Ziel, bis 2050 die CO2-Emissionen des Verkehrs um 60 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. „Davon sind wir meilenweit entfernt“, sagt Küster.
„Angst vor Lastwagen oder Autos ist ein wichtiger Grund für die Menschen, nicht Rad zu fahren“, sagt Jos Dings. Er ist der Direktor von Transport and Environment (T&E), einem Verband nichtstaatlicher europäischer Organisationen, die sich für umweltfreundlichen und sicheren Verkehr einsetzen.
Wie viel Radfahren dazu beitragen kann, ist nur schwer zu beziffern. Als sicher gilt aber, dass es positiv auf den Menschen, seine Gesundheit und seine Umwelt wirkt. Wer ins Radfahren investiert, besitzt dann womöglich statt eines Sportwagens ein Rennrad-Unikat als Statussymbol. Drei Kinder haben ohnehin in beiden keinen Platz.
"Beschissener Zustand der Fahrradwege"
Sobald die Sonne mehr Kraft hat und die Tage länger werden, wächst übrigens in Deutschland die Lust den Drahtesel aus der Garage zu holen. Eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag der Versicherung CosmosDirekt ergab, dass im Frühling und Sommer das Radeln Deutschlands beliebtester Outdoor-Sport ist. Fast die Hälfte der befragten Freiluftsportler schwingt sich dann bei wärmeren Temperaturen aufs Rad.
Auf deutschen Straßen ärgern sich die Radfahrer laut einer aktuellen Umfrage übrigens am meisten über das Verhalten von Autofahrern. Wie das Marktforschungsinstitut YouGov ermittelte, empfinden 38 Prozent der befragten Radfahrer als größtes Ärgernis beim Radeln die Autofahrer. 17 Prozent stören sich hingegen am meisten an der Verkehrsführung deutscher Städte - etwa an Schildern, Ampeln und (fehlenden) Radwegen. Die Bundesrepublik hat laut dem ECF besonders einen Nachteil für Radler: „Den beschissenen Zustand der Fahrradwege“, so Küster.
„Städte sind jetzt aufgerufen, Straßen und Plätze aktiv neu zu gestalten – anstatt nur den Status zu verwalten", sagt ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork. "Die Werte der Menschen haben sich gewandelt, immer mehr wollen Radfahren. Auf überalterten Bordsteinradwegen aus den späten Achtzigern oder vereinzelt gepinselten schmalen Schutzstreifen gelingt die Mobilitätswende nicht. Der Durchbruch für Deutschland als Radfahr-Nation steht noch bevor.“
Rundum zufrieden äußerten sich immerhin 15 Prozent der Radler - sie ärgern sich laut der YouGov-Umfrage über „nichts“. Auf die Frage, ob sie regelmäßig Radfahren, antworteten 42 Prozent der YouGov-Befragten mit „Ja“ und 58 Prozent mit „Nein“. Männer setzen sich demnach mit 48 Prozent deutlich häufiger auf den Sattel als Frauen (36 Prozent). Die aktivste Altersgruppe waren Menschen zwischen 35 und 44 Jahren, von denen sich fast die Hälfte als regelmäßige Radfahrer beschrieb.
Mit Sternfahrten in ganz Deutschland machen Fahrradfahrer jedes Jahr am 3. Juni auf den Europäischen Tag des Fahrrads aufmerksam. Die globalisierungskritische Organisation Attac hat den Tag 1998 ins Leben gerufen. Sie will darauf aufmerksam machen, dass in Zeiten steigender Verkehrsdichte das Fahrrad das gesündeste und umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist.
In Deutschland steigt die Zahl der Fahrräder seit Jahren. Über 32 Millionen Räder gab es 2013 in deutschen Haushalten, zehn Jahre zuvor waren es weniger als 30 Millionen. Spitzenreiter sind dabei die Bremer: Dort steht in 90 Prozent der Haushalte ein Rad.