Urbane Logistik Ein ultraschlanker E-Transporter soll das Lieferchaos der Städte bekämpfen

Über zwei Kubikmeter Ladefläche verfügt das Cargo-Bike von Ono Motion. Quelle: PR

So schmal, dass er auf den Fahrradweg passt: Ein neuer Elektro-Lieferwagen aus Berlin soll den boomenden Lieferverkehr in Städten sauber und platzsparender machen.

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Sie parken oft in zweiter Reihe oder auf dem Radweg: Paketlieferwagen stehen in der Stadt häufig mal im Weg herum. Und in der Rushhour, wenn alle gleichzeitig in die Stadt oder hinaus wollen, stecken auch die Transporter im Stau fest. Seit einer Weile suchen Logistiker und Verkehrsplaner darum noch neuen Transportlösungen für die Stadt.

Ein Start-up aus Berlin kommt nun mit einer solchen auf den Markt: Ono Motion hat ein Lieferfahrzeug entwickelt, das die Wendigkeit eines Lastenrads mit der Geräumigkeit eines Kleinlasters kombinieren soll: Drei Räder, eine Fahrerkabine und eine Ladefläche, das Ganze angetrieben per Pedale und Elektroantrieb.

Der Clou von Ono Motions neuem Produkt: Der Transporter ist als E-Bike zugelassen. Er darf deshalb auch auf Fahrradwegen rollen Quelle: PR

Der Clou: Der Transporter ist als E-Bike zugelassen. Er darf deshalb auch auf Fahrradwegen rollen – und an Stellen parken, wo er den Straßenverkehr nicht behindert, wenn möglich sogar direkt vor der Haustür. Ob das auch Fußgänger und andere Radler freut, ist eine andere Frage. „Gegenüber herkömmlichen Lieferwagen ist unser Fahrzeug kleiner, flexibler einsetzbar und emissionsfrei”, sagt. In Berlin, München, Leipzig und auf der Insel Langeoog sollen die Lieferwagen von Ono den Dienst aufnehmen. Zu den ersten Kunden gehören der Lieferdienst Hermes und mehrere Logistikunternehmen aus Berlin.

Rollout in Europa geplant

In einer neuen Finanzierungsrunde hat Ono Motion drei Millionen Euro eingesammelt, die vom niederländischen Start-up-Beschleuniger EIT InnoEnergy stammen. Mit dem Kapital wollen die Berliner europaweit expandieren. „Wir wollen bis 2025 in 60 Städten in Europa 14.000 Transporter auf die Straße bringen”, sagt Ono-Motion-Gründer Seelbach der WirtschaftsWoche. 

Die Fahrradbranche boomt nach dem Lockdown. Besonders gut läuft das Geschäft mit schlanken E-Bikes, bei dem Start-ups manch etablierten Hersteller vor sich hertreiben. Auch renommierte Risikokapitalfirmen satteln auf.
von Steffen Ermisch

Den Bau der Fahrzeuge übernimmt ein Auftragsfertiger in Süddeutschland. Ono Motion least sie an seine Kunden – ab 500 Euro im Monat, Wartung und Reparatur inbegriffen. Gegenüber heutigen Transportern soll das Gefährt 20 Prozent Betriebskosten sparen – Strom statt Diesel, weniger Reparaturen und eine preiswertere Versicherung sollen es möglich machen.

Der Zeitpunkt ist günstig: Wenn ein Geschäft während der Coronapandemie boomt, dann sind es Online-Handel und Paketlieferungen: Verbraucher ordern deutlich mehr Klamotten und Möbel, Lebensmittel und Kochboxen via Internet. Gleichzeitig experimentieren Städte mehr mit neuen Verkehrslösungen, eröffnen Pop-up-Radwege und verteilen den städtischen Raum neu.

Die Ono-Motion-Gründer setzen darauf, dass der Lieferboom in den nächsten Jahren anhält. 120.000 herkömmliche Transporter seien allein in deutschen Städten unterwegs, um Pakete auszuliefern. Doch Umweltzonen, Halteverbote und Verkehrskollaps machen den Lieferdienst die Arbeit zunehmend schwer. „Der Druck, auf kleinere Fahrzeuge zu wechseln, wächst.”

Ein Container auf Rollen

Mit Murat Günak hat Ono Motion einen Designer an Bord, der sich in der Autoindustrie auskennt: Der 63-Jährige war Designchef bei Volkswagen, bis er sich selbständig machte, um nachhaltige Transportlösungen zu entwickeln. „Das Auto”, sagt er, „ist für den Transport in Städten oft nicht mehr die passende Lösung.” Für den Ono-Lieferwagen hat er Pedelec und Paketwagen darum zu einem sehr schmalen neuartigen Fahrzeug vereint.

Für die Ladefläche fand das Team eine pfiffige Lösung: Die ganze Einheit ist ein Container auf Rollen, der sich leicht in das Fahrzeug einklinken lässt, statt es Paket für Paket zu beladen. Wenn Logistiker ihre Abläufe entsprechend anpassen, können sie so Arbeitsschritte im Depot sparen – ähnlich wie Container einst das Löschen von Schiffen massiv beschleunigt haben. „Je weniger ich die Pakete anfassen muss, desto effizienter wird es”, sagt Gründer Seelbach. 

Diese E-Autos sind die wahren Ökos
Die E-Mobilität nährt die Hoffnung, dass auch der Verkehrssektor in Zukunft einen substantiellen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnte. Doch schon lange gibt es Diskussionen, ob der CO2-Fußabdruck neuer Elektroautos in der Gesamtbilanz entscheidend kleiner als bei klassischen Verbrennern und Hybriden ausfällt. Selbst wenn die E-Alternativen nach 10 Jahren und 200.000 Kilometer Vorteile fürs Klima herausfahren, scheint zumindest mit den vielen hundert PS starken 2,5-Tonnern dennoch wenig für die Umwelt gewonnen. Eine Alternative könnten elektrisch angetriebene Autos der Kategorie L7e sein. Sie sind die wahren Ökos der Elektroszene. Bislang tun sich Vertreter dieser Autoklasse allerdings schwer, die Massen für sich zu begeistern. Einige Neuheiten könnten dem darbenden Segment bald schon mehr Schwung verleihen. Quelle: dpa
Obwohl eine größere Verbreitung bislang ausblieb, ist das Segment keineswegs tot. Unter anderem im Nutzfahrzeugbereich ist das Angebot elektrischer L7e-Modelle in jüngster Zeit sogar sprunghaft angestiegen. So startete 2019 in Deutschland der Elektro-Kleintransporter Ari 458 von Air Motors. In seiner rund 14.000 Euro teuren Pritschenversion bietet der 3,15 Meter kurze Zweisitzer eine Ladefläche mit Platz für eine Europalette sowie 450 Kilogramm Zuladung. Der 7,5 kW/10 PS starke Antrieb beschleunigt bis 78 km/h, abhängig von der gewählten Batterie sind 120 bis 150 Kilometer Reichweite möglich. Quelle: Ari Motors
Ebenfalls vergangenes Jahr in Deutschland gestartet sind die nach L7e homologierten Leichtbau-Laster G2 und G4 des französischen Herstellers Goupil, die in vielen Aufbauvarianten und mit unterschiedlichen Batteriegrößen bestellbar sind. Und seit Frühjahr 2020 lässt das US-Unternehmen Tropos seinen 3,70 Meter kurzen Mini-Transporter Able in Deutschland bauen. Zu Preisen ab rund 18.000 Euro bietet dieser 565 Kilogramm Nutzlast, einen 10 kW/13 PS starken Antrieb sowie abhängig von der Batteriegröße bis zu 260 Kilometer Reichweite. Quelle: Tropos
2021 will die deutsche Firma Electric Brands außerdem den vielseitig einsetzbaren eBussy auf den Markt bringen. Dieser soll trotz 3,65 Meter kurzer Karosserie sogar bis zu vier Sitzplätze und auf Wunsch auch einen Wohnmobilausbau bieten. Ein 15 kW/20 PS starker Antrieb erlaubt bis zu 90 km/h Höchstgeschwindigkeit, mit der bis 30 kWh großen Batterie sollen bis 600 Kilometer Reichweite möglich sein. Preise starten für die Basis bei rund 16.000 Euro. Quelle: Electric Brands
Ebenfalls für 2021 hat die Firma Micro den Start des Zweisitzers Microlino angekündigt, der dank seiner auffälligen Isetta-Optik sogar ein breiteres Publikum ansprechen dürfte. Der 2,43 Meter kurze Zweisitzer kann dank eines 11 kW/15 PS starken Antriebs bis 90 km/h schnell und abhängig von der Batteriegröße 125 oder 200 Kilometer weit fahren. Den Basispreis geben die Schweizer mit 12.000 Euro an.
Wem L7e-Fahrzeuge zu teuer und zu ineffizient sind, kann ab Anfang 2021 alternativ auch in den Citroen Ami steigen, der allerdings in der schwächeren Klasse L6e antritt. Mit seinem 6 kW/8 PS starken Motor fährt der kleine Franzose maximal 45 km/h schnell und bis zu 75 Kilometer weit. Der rollende Würfel bietet trotz eines voraussichtlich vierstelligen Preises eine geschlossene Fahrgastzelle und zwei Türen. Seine kleine Batterie kann auf Ladeinfrastruktur verzichten, da sie sich an Haushaltssteckdosen laden lässt. Quelle: Citroën

Obwohl der Container selbst 100 Kilogramm wiegt und noch einmal 200 Kilogramm Ladung fasst, soll eine Person ihn problemlos schieben können. Der Transport selbst wird zum Teil mit Muskelkraft angetrieben, zum Teil mit zwei Elektromotoren. Eine Akkuladung reicht für 30 Kilometer Fahrt. Dann lässt sich der Akku herausnehmen und gegen einen vollen austauschen. 

Logistik-Zentren mitten in der Stadt

Über zwei Kubikmeter Ladefläche verfügt das Cargo-Bike von Ono Motion. Transporter, wie sie DHL heute einsetzen, haben etwa fünf Mal so viel. Trotzdem soll der Einsatz effizienter sein, glauben die Gründer. „In Städten entstehen immer mehr City-Depots, von denen aus kleine Fahrzeuge sternförmig ausschwärmen”, sagt Gründer Seelbach. Lieferfahrzeuge, die mehrere Stadtviertel bedienen, sollen dann mehrmals am Tag das nahegelegene urbane Depot ansteuern.   


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Die Massenproduktion und der Ausbau eines Kundenstamms dürften die nächsten großen Herausforderungen des Start-ups sein. Dann muss sich zeigen, dass die Konstruktion sich im Alltag bewährt – und sich die Fertigungskosten wie erhofft senken lassen. Auch gegen eine wachsende Konkurrenz von Cargo-Bikers und E-Transportern müssen sich die Berliner durchsetzen. 

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