Vernetzte Autos auf der IAA Twitter-News beim Ampelstopp

Assistenzsysteme, Apps, Infotainment: In Zukunft wird der Fahrer unglaublich viele digitale Helferlein haben. Das Problem: Die Vielfalt lenkt ab und verwirrt, es fehlen Standards. Wie viel Technik ist zu viel?

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Frei konfigurierbar: Im Concept Car Connected Drive zeigt BMW, was in Sachen Infotainment und Vernetzung machbar ist. Bei der Studie mit zwei Bildschirmen im Armaturenbrett legt der Fahrer fest, welche Infos er und der Beifahrer sehen können. Quelle: handelsblatt.com

Wenn General Motors mit der Technologie so mitgehalten hätte wie die Computerindustrie, dann hätten wir heute alle 25-Dollar-Autos, die 1.000 Meilen pro Gallone Sprit fahren würden.“ Mit diesen markigen Worten verglich Microsoft-Gründer Bill Gates vor einigen Jahren die Innovationsstärke der Auto- und der IT-Industrie. Die Antwort von GM in Form einer Presseerklärung kam, glaubt man den Berichten, prompt: Hätte GM eine Technologie wie Microsoft entwickelt, würde ein Auto ohne erkennbaren Grund einfach ausgehen, der Airbag würde fragen „Sind Sie sicher?“, bevor er auslöst und man müsste den Startknopf drücken, um den Motor auszuschalten.

Die Anekdote zeigt, wie weit die Welten der beiden Branchen einst auseinanderlagen. Doch das ist längst Vergangenheit: Heute geht ohne IT im Auto kaum noch etwas – und in Zukunft noch viel weniger.

Computergesteuerte Fahrassistenzsysteme helfen beim Bremsen, Abstandhalten oder Einparken. Die ersten selbstfahrenden Autos sind schon unterwegs, wenngleich sie noch im Experimentierstadium sind. Viel weiter ist dagegen der Umbau der „Fahrgastzelle“ zu einer „Kommunikationszelle“. Daimler stellt auf der IAA die B-Klasse mit Internetzugang vor.

Der neue VW Up hat im Armaturenbrett ein Touchscreen, der sich heraus- und mitnehmen lässt – wie ein Tablet-PC. Ford stellt den programmierbaren Autoschlüssel vor. Dort können Höchstgeschwindigkeit und maximale Lautstärke des Radios vorgegeben werden, gut geeignet für den Nachwuchs mit mangelnder Fahrerfahrung.

„Jeder zweite Autofahrer wünscht sich einen Internetzugang“, berichtet Martina Koederitz, Deutschland-Chefin von IBM und Präsidiumsmitglied des IT-Verbands Bitkom, in einer aktuellen Studie. Gefragt seien vor allem Dienste wie Radarwarnungen und die Suche nach Hotels, Restaurants oder Tankstellen. Auch Wetterinfos und Straßenkarten stehen bei den Autokäufern hoch im Kurs.

Das Auto gezielt individuell aufwerten

All das gibt es längst. Das kleine Programm, die App, „Trapster“ etwa warnt den Fahrer vor Radarfallen, die US-Firma Qype findet die besten Gaststätten in direkter Umgebung. Bei BMW landen sogar Twitter- und Facebook-Nachrichten im Auto – lesbar natürlich nur während des Stopps an der Ampel.

Grenzen gibt es keine. Audi-Chef Rupert Stadler prüft den Aufbau eines eigenen App-Stores. Neben dem Unterhaltungsprogramm könnten über die kleinen Softwarepakete die Eigenschaften der Autos variiert werden. Denkbar seien etwa spezielle Lichtpakete, Fahrwerksadaptionen oder Motoreigenschaften, die elektronisch angepasst werden. Die Kunden sollen ein einmal gekauftes Auto gezielt und individuell aufwerten können, so Stadler. Audi verdient an dem Softwareabo.

So groß ist die bunte Vielfalt, dass sie mittlerweile häufig verwirrt statt hilft. So gibt es nicht jedes Angebot, das der Kunde wünscht, auch für sein Lieblingsauto. Viele Apps laufen auf Smartphones, was die Autokonstrukteure vor die Entscheidung stellt, für welches Gerät eine Schnittstelle im Auto eingerichtet werden soll. Ein iPhone von Apple muss anders in das Bordsystem eingebunden werden als ein Android-Handy von Google.

„Wenn wir die Integration von Informationstechnik und Auto verwirklichen wollen, brauchen wir offene Standards“, fordert deshalb IBM-Managerin Koederitz. Doch offen ist derzeit nur eines: nämlich die Frage, wann diese Standards kommen.

Erschwert wird das Problem durch die verschiedenen Entwicklungszyklen. Während es rund sieben Jahre dauert, ein neues Auto zu entwickeln, bringt etwa Apple seine neuen Smartphone-Modelle alle zwei Jahre raus. Die Folge: Bei der Entwicklung der Autos ist noch gar nicht absehbar, welche Möglichkeiten die IT bietet, wenn das Auto auf den Markt kommt. Eine Lösung des Problems ist schwierig, nicht zuletzt wegen der unglaublichen Marktmacht von Apple.

Als kürzlich Entwickler von BMW die Apple-Zentrale im kalifornischen Cupertino besuchten, wagten sie die Frage, ob es möglich wäre, Informationen über Abmessungen und Schnittstellen des neuen iPhones schon etwas früher zu bekommen, um sie mit BMW-Modellen möglichst schnell kompatibel zu machen. Die Antwort war knapp und deutlich: „No way“ ...

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