Wertvolle Rohstoffe Sauberes Recycling für E-Auto-Batterien

Quelle: dpa Picture-Alliance

Ein Team von der RWTH Aachen hat das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien weiterentwickelt. Mehr als 90 Prozent der wertvollen Batterie-Metalle lassen sich mit ihrer Technik zurückgewinnen.

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Was passiert mit den alten Batterien aus ausrangierten Elektroautos? Um diese Frage ranken sich Mythen und Gerüchte. Dank neuer Methoden, mit denen Batterien nicht mehr nur geschreddert oder eingeschmolzen werden, sondern nasschemisch behandelt, lassen sich inzwischen bis zu 96 Prozent der enthaltenen Rohstoffe zurückgewinnen. Das Aachener Startup Cylib geht nun noch einen Schritt weiter: An einigen Stellen im Recyclingprozess hat Cylib giftige Laugen und Säuren durch Wasser ersetzt. „Das macht das Batterierecycling nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch kostengünstiger“, sagt Co-Gründerin Lilian Schwich.

Zwar sei der Aufbau einer Recyclingwirtschaft für Lithium-Ionen-Akkus speziell wegen Elektroautos „derzeit noch nicht dringend, weil deren große Batterien lange halten und die Zahl der Elektro-Neuwagen erst seit zwei, drei Jahren stark steigt“, meint Marcel Weil, Experte für Umweltanalysen am Karlsruher Institut für Technologie, KIT. Die Masse dieser E-Auto-Batterien werde erst in zehn bis 15 Jahren auf den Schrottplätzen ankommen.

Bis 2030 aber könnte das jährliche Volumen allein an ausrangierten Lithium-Ionen-Batterien weltweit auf etwa 230.000 Tonnen anwachsen. Bis 2040 könnten es schon 1,5 Millionen Tonnen Altbatterien sein, so eine Fraunhofer-Untersuchung. Derzeit stecke das Batterierecycling „bei einer Recyclingquote von knapp unter 50 Prozent fest“, erklärt Weil. Jeder zweite ausrangierte Lithium-Ionen-Akku in Europa und Nordamerika landet auf dem Müll oder bei Entsorgungsbetrieben in Entwicklungsländern, wo Arbeiter ihn mitunter im offenen Feuer einschmelzen. 

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Knappe Metalle gingen bisher teils verloren 

Ein Grund: „Die Lithium-Ionen-Akkus, die aktuell aus Elektrogeräten oder Werkzeugen kommen, sind meist klein“, sagt Weil. Sie enthalten zu wenig Materialwert; das Recycling lohnt aus Sicht der Industrie nicht. Es sind vor allem die vielen fest verklebten Stromspeicher, die gar nicht erst in die Verwertung kämen, etwa in Rasierapparaten oder elektrischen Zahnbürsten. Doch wegen der E-Mobilität sowie dem Boom kabelloser Geräte und Werkzeuge wächst die Nachfrage nach den Batterie-Rohstoffen ständig. Allein der globale Bedarf an Lithium wird bis 2030 jedes Jahr um mehr als 25 Prozent steigen, die Nickelnachfrage sogar um 40 Prozent pro Jahr, schätzen Rohstoffexperten.

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Auch die Politik erhöht den Druck: In Europa werden die Batteriehersteller bald dazu verpflichtet, die Wiederverwendung ihrer Akkus sicherzustellen. Eine neue EU-Richtline verlangt ab Anfang kommenden Jahres deutlich höhere Recyclingquoten als bisher. Eine typische Lithium-Ionen-Batterie, wie sie heute 99,5 Prozent aller E-Autos, Laptops, Smartphones und E-Bikes antreibt, enthält zum Beispiel pro Elektroauto bis zu 7,8 Kilogramm (kg) Kobalt, bis zu 6,8 kg Lithium und fast 30 kg Nickel. Je nach aktuellem Preis an der Metallbörse sind das 700 bis 1300 Euro Materialwert pro Alt-Akku. Und viele dieser Metalle, besonders Nickel und Kobalt, sind zwar nicht geologisch knapp; aber sie kommen entweder aus politisch heiklen Regionen wie der Demokratischen Republik Kongo oder vorrangig aus Russland. Noch kritischer aus Sicht der europäischen Industrie ist, dass China inzwischen fast eine Monopolstellung beim Verarbeiten und Aufbereiten wichtiger Batterierohstoffe wie Lithium und Kobalt inne hat.

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Der Schmelzofen hat bald ausgedient 

Es gibt also sehr gute Gründe, die Metalle aus gebrauchten Batterien zurück zu holen. Bis dato wurde das meist durch pyrometallurgische Verfahren gemacht. Bei den Metallrecyclern wie der Nickelhütte Aue oder Umicore in Belgien wurden Altbatterien, wie auch im überwiegenden Rest der Welt, bis vor kurzem meist eingeschmolzen. Damit konnten die beiden teuersten Rohstoffe, Nickel und Kobalt, zurückgewonnen werden, weil sie erst bei sehr hohen Temperaturen schmelzen; über die unterschiedlichen Schmelzpunkte lassen sie sich gut von den anderen Metallen in der Batterie trennen. Das Verfahren hat jedoch große Nachteile: Zum einen benötigt es viel Energie; zum anderen gehen die anderen wertvollen Stoffe alle verloren, darunter Grafit und Lithium.

Besser ist es, die Batterie mechanisch in ihre Einzelteile zu zerlegen. Das ist technisch bereits weitgehend machbar, weil man dabei auf lange etablierte Prozesse der Recyclingindustrie zurückgreifen kann: Die Batterien werden zunächst entladen und vom flüssigen Elektrolyten, meist eine brennbare, organische Flüssigkeit, befreit. Dann kommen die Module in einen Schredder. Im Schredder-Granulat lässt sich Stahl, etwa aus dem Gehäuse der Zellen, per Magnet absondern. Kunststoffteile sind leichter als der Rest des Materials, sie lassen sich wegpusten. Ein paar Reinigungs- und Trennschritte später bleibt die sogenannte Schwarzmasse übrig. Ihre Farbe verdankt sie dem hohen Grafitanteil, der große Teile des Minuspols einer Batterie ausmacht. Sie enthält aber auch die wertvollsten Stoffe einer Lithium-Ionen-Zelle, die am Pluspol verbaut sind: Nickel, Kobalt, Kupfer und das Lithium selbst.

„Mechanische Verfahren sind die günstigsten und schnellsten, aber mit Mechanik kommt man an diesem Punkt nicht weiter“, erklärt Peter Dold, Professor für Kristallisationstechnologie am Fraunhofer Institut CSP in Halle, der unter anderem an Recyclingmethoden für seltene Metalle forscht. „Um an die Wertstoffe in der Schwarzmasse heran zu kommen, braucht man weitergehende Verfahren“, so Dold.  Einschmelzen wäre eines, es ist die insgesamt zweitgünstigste Methode. Aber beim Einschmelzen gegen sowohl das Lithium, als auch das Grafit kaputt; sie verbrennen zum Teil, oder sie verbacken mit anderen Stoffen zu Schlacke. Jedenfalls lassen sie sich so nicht mehr für neue Batterien verwenden. 

Metall in Säure auflösen

In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler neue, bessere Methoden entwickelt, mit denen sich 90 bis 96 Prozent aller Materialien zurück gewinnen lassen, die in einer Lithium-Ionen-Batterie verbaut sind, auch das Grafit und das Lithium. Dabei wird die Schwarzmasse nicht in Schmelzöfen, sondern in Säurebädern, meist in der relativ günstigen Schwefelsäure, aufgelöst; die Metalle lassen sich später alle als Salze einsammeln: Lithium als Lithiumcarbonat, Nickel als Nickelsulfat, Kobalt als Kobaltsulfat, und so weiter. Das Problem: dieses Verfahren ist aufwendig und daher noch teuer. Zwar arbeiten nicht mehr nur Forschungslabore, sondern auch industrielle Anwender damit, wie ein australisch-deutsches Joint-Venture im Siegerland. „Aber um das industrieweit rentabel betreiben zu können, braucht man einen stetigen Materialzufluss von mehreren 1000 Tonnen im Jahr“, sagt Forscher Dold. „Das gelingt kaum mit kleinen Batterien aus Elektrogeräten; es lohnt sich für die breite industrielle Anwendung, wenn größere Mengen E-Auto-Batterien auf den Markt kommen.“ Das dürfte aber noch einige Jahre dauern, meint Dold. Denn die Autobatterien halten sehr lange, mancher Teslafahrer etwa hat schon 700.000 Kilometer und mehr mit seiner Batterie zurückgelegt. Und danach können die gebrauchten Akkus noch ein Zweitleben in stationären Speichern führen, etwa für Solarstrom, in denen die physikalischen und elektrochemischen Anforderungen niedriger sind als im E-Auto.

Umweltschonend und billig mit Wasser

Hier wollen Lilian Schwich und ihre Mitgründer Paul Sabarny und Gideon Schwich ansetzen. Im Rahmen ihrer Doktorarbeiten haben die drei an der RWTH Aachen ein neues Verfahren entwickelt, „das auf den etablierten mechanischen und hydrometallurgischen Prozessen aufsetzt“, sagt Werkstoffingenieurin und Co-Gründerin Lilian Schwich. Mehr als sechs Jahre Forschung haben die drei in ihren Prozess gesteckt. Nun bekommen sie vom Berliner Risikokapitalgeber World Fund und von 10xFounders weitere acht Millionen Euro; im vergangenen Jahr hatten andere Risikokapitalgeber, darunter Vsquare und Speed Invest eine erste Seed-Kapital-Runde mit 3,6 Millionen Euro finanziert. Das frische Geld wollen die drei Gründer nun in den Aufbau einer eigenen industriellen Produktionslinie stecken. 



Das Cylib-Verfahren kommt mit deutlich weniger giftigen Chemikalien aus als die bisher angewandten hydrometallurgischen Methoden. „Wir setzen an einigen besonders wichtigen Stellen Wasser statt Säuren und Laugen ein“, erläutert Co-Gründer Sabarny. Statt die gesamte Schwarzmasse ins Säurebad zu werfen, lassen sich mit dem neuen Aachener Prozess Lithium und Grafit schon deutlich früher aus dem Stofffluss lösen. 

Wie genau das patentierte Verfahren chemisch funktioniert, will Gründerin Schwich mit Blick auf Wettbewerber nicht erklären, aber immerhin so viel: „Es ist uns gelungen, Lithium vor den Säurebädern in eine wasserlösliche Form zu bringen, so dass wir es schon früher im hydrometallurgischen Prozess herausholen können.“ Auch gibt es keine Verunreinigungen mehr, die die späteren Recyclingschritte in anderen hydrometallurgischen Verfahren wieder erschweren. Dadurch sei das Cylib-Verfahren besonders effizient „bei Ausbeute und Einsatz von Chemikalien“, verspricht Wirtschaftsingenieur und Co-Gründer Gideon Schwich. 

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Möglich wird das unter anderem durch eine spezielle thermische und mechanische Vorbehandlung des Materials. „Wir cracken bestimmte chemische Verbindungen in kleinere Moleküle auf, sodass die wasserbasierte Lithium- und Rückgewinnung möglich wird.“ So will Cylib auch das Grafit mit seinem Verfahren bald „in so guter Qualität recyceln, dass man es sofort wieder für den Bau neuer Batterien einsetzen kann“, sagt Rohstoffingenieur Sabarny. Im Labor klappt das bereits. Grafit aus Batterien galt bis dato als eine der größten Schwierigkeiten im Recycling. „Grafit bleibt bei uns in seiner kompletten molekularen Struktur erhalten“, sagt Sabarny. Wenn sich das Verfahren in der Industrie etabliert, darf es sich mit Fug und Recht als Recycling-Durchbruch feiern lassen. Denn Grafit wird derzeit zu über 95 Prozent in China gefördert und aufbereitet.

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