Nanotechnik Licht am Ende des Tunnels

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Ein Forscher des Instituts Quelle: AP

Genau anders herum sieht der Ansatz von Forschern aus Aachen aus: Dass Zellen sich an ihren Materialien festhalten, das wollen Mitarbeiter eines Instituts der RWTH verhindern. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die sogenannte Soft-Matter-Nanotechnologie. Dabei geht es unter anderem um Wundauflagen, die nicht mit dem Körper und seinen Zellen verkleben. Dafür haben RWTH-Forscher Martin Möller (siehe Interview) und seine Kollegen das Wundmaterial mit einer nanodünnen Hydrogelschicht überzogen, damit es sich beim Wechseln des Verbandes leicht ablöst und frisch gebildete Haut nicht wieder zerstört.

Auch bei Operationen im Bauchraum hält die Nanobeschichtung Einzug. Netze und Gewebe, die im Körper eingesetzt werden – etwa um Leistenbrüche zu stabilisieren –, statten Möller und sein Team mit einem Antiklebeschutz aus. Bisher passiert es immer wieder, dass das Netz verrutscht und sich zusammenschiebt. Die Folge: eine erneute Operation.

Zusätzlich lassen sich Hydrogel-schichten auch mit Nanopartikeln mitsamt Wirkstoffen anreichern. Entsprechende Techniken untersuchen Mediziner der RWTH unter anderem mit dem Pharmaunternehmen Bayer Schering. Was die Forscher sich vorstellen, ist eine Art Hydrogeldepot im Körper, das gleichmäßig kleine Mengen des Wirkstoffs abgibt. So ließe sich beispielsweise mit einem Hormondepot im Unterleib besser und sicherer verhüten als mit der Pille, die täglich geschluckt, gelegentlich aber auch vergessen wird.

Noch gezielter sollen sogenannte Nano-Transporter die Medikamente durch den Körper schiffen: Und diese Technik steht gerade kurz davor, die Pharmabranche nachhaltig zu verändern.

Medikamentendepot im Körper

Dabei werden Medikamente zum Beispiel mit Zuckermolekülen ummantelt oder in Fetttröpfchen – sogenannte Liposome – verpackt und an Stellen des Körpers transportiert, die sie sonst kaum oder gar nicht erreichen. Damit werden neben Krebstherapien auch viele Behandlungen im Gehirn wesentlich einfacher und effektiver. „Der Wirkstofftransport ist in der Nanomedizin das Gebiet mit dem größten wirtschaftlichen Potenzial“, sagt Claus Michael Lehr, der an der Universität des Saarlandes erforscht, wie sich mit Nanopartikeln biologische Barrieren wie die Haut, die Darmwand oder die Blut-Hirn-Schranke überwinden lassen.

In vielen Fällen macht die Nanotechnik aggressive Substanzen sogar erst verträglich. Zum Beispiel das Camptothecin, das als natürlicher Inhaltsstoff eines chinesischen Baumes schon in den Sechzigerjahren gegen Krebs erprobt wurde. Es ist ein hochwirksames Gift, das die Zellteilung blockiert und so schnell wachsende Zellen wie etwa in Tumoren in den Selbstmord treibt. Doch das Molekül erwies sich in klinischen Studien als viel zu giftig und gefährdete die Patienten mehr, als es ihnen half.

Nun könnte die Karriere des potenten Zellgifts noch eine späte Wendung nehmen – dank Nanotechnologie. Das US-Unternehmen Cerulean hat ein Verfahren in der Pipeline, das den Wirkstoff wie eine Art Nano-Taxi mit Zuckerketten umhüllt und so, sicher verpackt, durch die Gefäße bis zum Tumor schleust. Am Ziel angelangt, werden die beladenen Transporter von den Krebszellen aufgenommen und setzen dort ihre tödliche Fracht frei. Bösartige Zellen sterben ab. Das gesunde Gewebe bleibt weitgehend verschont.

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