Nanotechnik Licht am Ende des Tunnels

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Mit dem lotus-Effekt hat die Quelle: dpa/dpaweb

Ein immenser Fortschritt. „Der Wirkstofftransport mit Nanopartikeln bietet die Chance, die Wirksamkeit von Therapien zu erhöhen und zugleich die Nebenwirkungen zu mindern“, sagt Raymond Schiffelers, Nano-Forscher an der Universität Utrecht. Gerade in der Krebstherapie spielt das eine große Rolle, denn Chemotherapien sind alles andere als zielgerichtet. Schließlich muss der gesamte Körper mit dem Zellgift geflutet werden, um den Krebszellen den Garaus zu machen. Auch sich schnell teilende, gesunde Zellen werden dabei getötet. Nebenwirkungen wie Haarausfall, die Schwächung des Immunsystems oder Herzschäden sind die Folge.

Die Nano-Taxis steuern dagegen zielsicher nur das Tumorgewebe an. Der Trick ist in diesem Fall, dass die Fähren mit 50 bis 100 Nanometern sogar deutlich größer sind als die Wirkstoffe, die meist nur wenige Nanometer messen. Gelangen die Wirkstoffmoleküle unverpackt in die Blutbahn, erreichen sie in der Regel jede Ecke des Körpers. Denn die Wände der Adern sind zwar dicht und undurchlässig für große Teilchen wie Nano-Taxis oder Blutkörperchen, Wirkstoffmoleküle jedoch können passieren. Ganz anders sieht das in krankem Gewebe aus: Adern, die Tumore oder Infektionsherde versorgen, sind löchrig und auch für die Nano-Taxis durchlässig, die so ihre Wirkstofffracht genau am gewünschten Ziel abladen können.

Deutlich weniger Nebenwirkungen

Die neueste Generation dieser Wirkstoff-Transporter besitzt zudem noch eine Art Navigationssystem für die zielgenaue Zustellung. Das japanische Unternehmen Mebiopharm etwa verpackt das bekannte Krebsmittel Oxaliplatin in Liposome, die auf der Oberfläche molekulare Sensoren tragen, mit denen sie an einen tumorspezifischen Rezeptor andocken.

Ob diese sogenannten Nano-Taxis im Körper auch gesundheitliche Risiken bergen, sei extrem schwer zu beurteilen, sagt DWI-Chef Möller. Doch anders als bei Nano-Brillenputzmitteln oder -Haarsprays, -Schutzlacken oder -Dachziegeln achten die Forscher bei medizinischen Anwendungen meist sehr genau darauf, dass ihre Nano-Fähren ungefährlich für den Körper sind. Meist verwenden sie lange Zuckerketten oder Fettmoleküle, die der Körper nach gewisser Zeit rückstandslos abbauen kann.

Künftig könnten sogar Medizintechnikgeräte zum Einsatz kommen, um die Wirkstoffe gezielt freizusetzen. Die amerikanische Firma Celsion etwa erhitzt die vom Krebs befallenen Körperregionen mittels Ultraschall oder Hitzesonden und verabreicht gleichzeitig ein Krebsmedikament, das in Liposome verpackt ist. ImTumor werden die wärmeempfindlichen Fettkügelchen zerstört und setzen den Wirkstoff frei.

Ähnliche Möglichkeiten sieht Mag-force-Chef Heinrich auch für seine Magnetzwerge. Sie könnten bald nicht nur Hirntumore heilen, sondern auch als Transporter mit Wirkstoffen beladen werden. Die werden mit einem hitzeempfindlichen Bioklebstoff befestigt. Ist der Magnettransporter im erkrankten Organ angelangt, wird das Wechselfeld angelegt, der Klebstoff schmilzt bei 41 Grad, und das Medikament wird frei. Im Tierversuch klappt das schon.

Heinrich ist überzeugt: „Da sind noch Quantensprünge möglich, vor allem wenn Pharmaforscher und Medizintechniker sich noch stärker zusammentun.“

In manchen Feldern funktioniert die Zusammenarbeit schon recht gut, zum Beispiel bei den Entwicklern von Batterien für den medizinischen Bereich, etwa Hörgeräte. Die sollen immer kleiner und unauffälliger werden. Doch gleicht ihr Innenleben mittlerweile einem leistungsstarken Computer, der je nach Geräuschsituation das richtige Programm anwirft. Etwa damit sein Träger auch in einer Kneipe sein Gegenüber gut versteht oder ein Konzert ohne Verzerrungen genießen kann. Und dafür brauchen Geräte immer mehr Strom.

Deshalb erforschen die Grillo-Werke in Duisburg eine Vielzahl von Nano-Vliesen, -Keramiken oder -Röhrchen um die Leistungsfähigkeit von Zink-Luft-Batterien zu erhöhen und sie vor allem wiederaufladbar zu machen. Grillo-Forscher und -Produktionsbereichsleiter Armin Melzer ist dabei zum echten Nano-Fan geworden: „Die Technik bietet große Chancen, um Energie auf kleinstem Raum zu speichern, auch weit über die Medizin hinaus.“ 

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