Neuromarketing Kauf mich!

Seite 7/10

Da die Tabakwerbung im Fernsehen, in Zeitschriften und an den meisten anderen Orten verboten ist, geben Zigarettenhersteller wie Philip Morris, der Marlboro auf den Markt bringt, und die R. J. Reynolds Tobacco Company, der Camel gehört, einen hohen Prozentsatz ihrer Marketingbudgets für diese Art unterschwelliger Markenpräsentation aus. Philip Morris bietet beispiels-weise den Betreibern von Bars -finanzielle Anreize, damit sie in ihren Etablissements bestimmte Farben verwenden, besonders für Möbel, Aschenbecher und suggestive Fliesen, deren Form Teilen des Marlboro-Logos nachempfunden ist, sowie weitere ausgetüftelte Symbole, die alle zusammen das Wesen von Marlboro ausmachen – ohne dass der Markenname oder das Logo irgendwo zu sehen sind. Diese „Installationen“ oder „Marlboro Motels“, wie sie im Fachjargon gerne bezeichnet werden, bestehen meistens aus einer Art Foyer mit bequemen Sofas in Marlboro-Rot vor großen Fernsehbildschirmen, auf denen man Szenen aus dem Wilden Westen sieht, die alle charakteristisch für den zum Kult gewordenen „Marlboro Man“ sind.

Wie erwartet zeigte die fMRI eine deutliche Reaktion im Nucleus accumbens unserer Freiwilligen – dem Bereich, der, wie wir wissen, mit Belohnung, Verlangen und Sucht im Zusammenhang steht –, wenn sie die Zigarettenschachteln sahen. Wesentlich interessanter war die Feststellung, dass die gleichen Regionen im Suchtzentrum des Gehirns der Raucher, die auf die eindeutigen Bilder der Zigarettenpäckchen und Logos reagiert hatten, fast sofort aktiv wurden, wenn ihnen die nicht expliziten Bilder – die Cowboys zu Pferd, das Kamel in der Wüste – weniger als fünf -Sekunden lang gezeigt wurden.

Noch faszinierender war die Tatsache, dass Dr. Calvert, als sie die Reaktionen auf die beiden unterschiedlichen Bildarten verglich, sogar eine stärkere Aktivität in den Belohnungs- und Suchtzentren beobachten konnte, wenn die Probanden die unterschwelligen Bilder statt der offensichtlichen Werbung betrachteten. Konkret formuliert: Der Anblick der logofreien Bilder, die mit Zigaretten assoziiert wurden, verursachten bei Rauchern ein stärkeres Verlangen als die Logos und Bilder von Zigarettenschachteln – dies galt für Camel- und Marlboro-Raucher gleichermaßen.

Für mich stellten die Ergebnisse eine wahre Erleuchtung dar. Jedes Jahr spreche ich auf zahlreichen Konferenzen auf der ganzen Welt. Auf jeder begegnen mir Hunderte von Logos auf den Wänden, auf Broschüren, Tüten, Kugelschreibern, überall. Unternehmen betrachten ihr Logo als das wichtigste Element ihrer Werbung. Aber wie unsere Studie mit 99 Prozent statistischer Sicherheit gezeigt hatte, war das Logo, wenn nicht schon tot, dann zumindest auf künstliche Beatmung angewiesen.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Ritualen und unseren Gedanken beim Einkauf? Ein großer. Produkte und Marken, die mit Ritualen oder Aberglaube verbunden sind, bleiben uns viel besser im Gedächtnis haften als andere. In unserer unbeständigen, schnelllebigen Welt suchen wir alle nach Halt und etwas Vertrautem, und mit Produkten assoziierte Rituale geben uns ein tröstliches Gefühl der Zugehörigkeit. Fühlen wir uns als Teil der Apple- oder Netflix-Gemeinde nicht gleich sicherer, weil wir wissen, dass es da draußen Millionen anderer Menschen gibt, die jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit ihren iPods lauschen? In einer zunehmend normierten, sterilen, homogenen Welt helfen uns Rituale, eine Marke von einer anderen zu unterscheiden.

An einem frühen Winternachmittag im Jahr 2007 hatte sich eine kleine, aufgeregte Menge am Hafen von Port Newark in New Jersey versammelt, um auf die Ankunft eines einfachen Containers zu warten. Ein Rabbiner stand inmitten der Gruppe. Endlich öffnete sich die Lade-luke des Schiffes, und aus dem Dunkeln kam ein Mann mit einem Silber-tablett in der Hand, auf dem Packungen mit … Erde lagen. Dies war heilige Erde, die -Holy Land Earth, eine Firma in Brooklyn, die sich auf den Export von Erde aus Israel spezialisiert, in die Vereinigten Staaten gebracht hatte. Sie fragen sich vielleicht, was Menschen mit Erde aus Israel wollen. Nun, eine Handvoll Erde aus dem Heiligen Land kann einem Begräbnis den letzten heiligen Schliff geben.

Wenn Leute bereit sind, größere Summen für etwas wie Erde auszugeben, das für sie von religiöser oder spiritueller Bedeutung ist, dann besteht ganz offensichtlich ein Zusammenhang zwischen Spiritualität und Branding. Dies wollte ich beweisen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%