Politik Klimaschutzziele verhindern Kurswechsel

Auch in der Politik wächst die Kritik am Biosprit. Doch die hehren Klimaschutzziele lassen keinen Kurswechsel zu.

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Rapsernte Quelle: dpa

Manchmal passt die ganze Wahrheit in nur einen Satz: „Lange war Biosprit der Himmel – heute ist er die Hölle.“ Diese Erkenntnis von Naturschützern bringt Michael Kauch, Umweltexperte der FDP-Fraktion, von einem Kurztrip nach Brasilien mit. Sechs Tage lang tourte der Liberale mit Parlamentariern der G8-Staaten und der fünf großen Schwellenländer durch das Land, sprach über den Schutz der Regenwälder und wie Biomasse-Zertifikate verhindern können, dass der Urwald für den Anbau von Energiepflanzen abgeholzt wird.

Denn der Weg vom Ökohimmel in die Hölle ist kurz: Den Biosprit-Boom beobachtet man nicht nur in Lateinamerika mit wachsender Skepsis. Eine breite Koalition aus Umweltpolitikern, Ökoverbänden und Mineralölwirtschaft spricht sich inzwischen auch hierzulande für einen Kurswechsel bei der Förderung von Biosprit aus. Zehn Prozent Biokraftstoff soll nach einem EU-Beschluss ab 2020 europaweit getankt werden müssen. Deutschland strebt sogar eine Beimischungsquote von 20 Prozent an. Doch die Produktion des Benzins vom Acker ist teuer, das aggressive Ethanol eine Gefahr für viele alte Autos – und wirklich klimaneutral ist das Ganze auch nicht.

Es gibt mittlerweile kaum noch einen Experten, der nicht vor den negativen Folgen dieser Politik warnt. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Gefahr zwar erkannt, doch seine Reaktion könnte die Lage noch verschlimmern.

Seiner „Biomasse-Nachhaltigkeitsverordnung“ zufolge dürfen Biokraftstoffe nicht von Flächen stammen, die bis 2005 Wald oder Naturschutzgebiet waren. Nur dann bekommen Pflanzenölhersteller Zertifikate, die ihren Beitrag zum Klimaschutz belegen. Doch dieser Plan hat eine Schwäche: Weil er nur Flächen für Biokraftstoffe, aber nicht für Nahrungsmittel erfasst, bauen Plantagenbesitzer in aller Welt Energiepflanzen wie Mais, Raps und Soja für deutsche Tankstellen dort an, wo der Wald längst gerodet ist.

Beim Anbau von Pflanzen für die Lebensmittelproduktion weichen sie dafür auf Regenwaldflächen aus. Deutschland fährt auf diese Weise zwar sauber Auto, heizt aber die Waldzerstörung weiter an. Die FDP fordert nun, die Biomassequote ganz auf Eis zu legen. „Sonst ist der Regenwald weg, bevor das erste Zertifikat ausgestellt wurde“, sagt Kauch.

Sein Vorschlag: Da sich die Zehn-Prozent-Quote wohl kaum abschaffen lasse, sollte sie zumindest so lange ruhen, bis es ein verlässliches internationales System der Zertifizierung von Biokraftstoffen gibt. Denn auf Biomasse-Importe könne Deutschland kaum verzichten, ohne die ehrgeizigen Klimaziele zu gefährden. Und in Brüssel fordert Industriekommissar Günter Verheugen, Biokraftstoffe erst dann einzusetzen, wenn die Forschung Kraftstoffe entwickelt hat, deren Ökobilanz positiv ausfällt. Verheugen: „Wir sollten auf die Beimischung verzichten, bis wir über Biokraftstoffe der zweiten Generation verfügen, die wirklich nachhaltig sind“.

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