Raumfahrt Billigflieger ins All

Seite 2/3

Rampe zum Kosmos

Derweil lässt Roskosmos an Raketen der bewährten Sojus-Familie feilen. Die Raketen, deren vier mächtige Triebwerke zur Kommandokapsel hin spitz zulaufen, sind Russlands Exportschlager: Industrieländer wie Deutschland und Frankreich, aber auch Indien und Japan jagen ihre Wetter- und Kommunikationssatelliten, Navigationssysteme und Forschungskapseln gern mit diesem Trägersystem ins All. Seit 1966 hob die Sojus, welche die europäisch-russische Firma Starsem vermarktet, mehr als 1700 Mal ab. Damit ist Russlands Bestseller die mit Abstand meistgeflogene Rakete der Welt – und bei einer Erfolgsquote von 98 Prozent auch die zuverlässigste.

Die Zukunft könnte kaum besser aussehen: Ab Sommer, wenn das US-Spaceshuttle Atlantis vom letzten Flug zur Internationalen Raumstation ISS heimkehrt, sind die Sojus-Träger mit den gleichnamigen Raumkapseln das einzige Vehikel, um Menschen zur ISS zu fliegen. Bislang stellt Roskosmos der Nasa, die die Forschungsstation betreibt, pro Astronaut 50 Millionen Dollar in Rechnung. Nächstes Jahr läuft der Vertrag aus; für die folgenden Jahre hat Roskosmos bereits eine Verdopplung der Ticketpreise angedeutet.

Für 80 Millionen Dollar ins All

Die Flüge zur ISS sind gutes Zubrot für Russlands Weltraumindustrie. Noch mehr Geld verdient die Branche aber in der unbemannten Raumfahrt, etwa mit Materialtransporten für Stammkunden wie Globalstar, der das Satellitennetz europäischer Telekomriesen betreibt.

Selbst Fachleute aus den USA bescheinigen den russischen Sojus-Raketen eine aussichtsreiche Zukunft: „Die Raumfahrt wird günstiger, wenn die Trägersysteme in großer Serie hergestellt und gestartet werden“, sagt René Laufer von der BaylorUniversity im texanischen Waco. Als einziges Land der Welt sei dies Russland mit der Sojus gelungen. Die Kosten für den Bau einer Rakete sind so niedrig, dass der Preis für einen Start konkurrenzlos günstig ist: 80 Millionen Dollar verlangt Starsem für den Frachtschein auf einer Sojus-Rakete. Ein Spaceshuttle-Start verschlingt bis zu einer Milliarde Dollar, eine Ariane-5 hebt für 180 Millionen Dollar ab.

Die Sojus ist im Weltall so etwas wie der VW-Käfer im Nachkriegsdeutschland: billig und robust – ein legendärer Verkaufsschlager. Im Sommer werden Sojus-Raketen erstmals auch vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten. Die Rampe liegt nah am Äquator, wo eine höhere Erdbeschleunigung herrscht als in der kasachischen Steppe, wo Russland den Weltraum-Hauptbahnhof Baikonur gepachtet hat. So lässt sich der Spritverbrauch um mehr als ein Drittel senken.

Transport Arianespace, der am Tropf der EU-Raumfahrtbehörden hängt, kauft und vermarktet die Sojus-Raketen, die das Geschäft mit mittelschweren Raketen abdecken. In diesem Segment fehlt Arianespace ein eigenes Trägersystem, seit 2003 die Ariane-4 eingestellt wurde.

Heute sind Raketen allerdings nichts weiter als kosmischer Schwermaschinenbau. Am Spritverbrauch, der Reichweite oder der Wirtschaftlichkeit von Sojus-Raketen hat sich seit Sowjetzeiten nicht viel verändert. High Tech fliegen die Russen als Spediteure für andere Nationen ins All, für eigene Satelliten fehlte lange das Geld.

Nun treibt Premier Putin das Navigationssystem Glonass voran: Voriges Jahr klemmte er seinem Labrador-Rüden Koni ein Empfangsgerät ums Halsband, das mit dem Navi verbunden ist. Seht her, so Putins Botschaft, wir machen dem US-System GPS Konkurrenz. Dieses Jahr soll das Navi-System den Durchbruch schaffen – mit Putins Hilfe: Der Staat will Handyhersteller wie Apple und Nokia verpflichten, Glonass-Chips in ihre Geräte einzubauen. Weigern sie sich, könnte ihnen der Marktzugang erschwert werden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%