Rohstoffknappheit Fünf Schritte zur grünen Wirtschaft

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Design - Funktionale Schönheit

Sayl - Ein Schreibtischstuhl der sich mit wenigen Handgriffen in seine Bestandteile zerlegen lässt. Quelle: Herman Miller

Seine Waffen sind ein Bleistift und ein Zeichenblock. Sein Ideal: grüne Produkte, die der Umwelt möglichst nicht schaden. Der Mann heißt Yves Behar, ist Schweizer und sieht, obwohl schon Mitte 40, wie ein Student aus, der gerade die Kunsthochschule abgeschlossen hat. Er gilt als Begründer des Green Designs und seine Entwürfe haben Unternehmen wie BMW, Puma und Birkenstock gekauft. Auch die ersten Skizzen eines "100-Dollar-Laptops" für arme Länder, den der taiwanesische Computerhersteller Quanta baut, entstanden auf Behars Zeichenblock.

"Produktdesign muss darauf reagieren, was die Welt um uns herum bewegt", sagt Behar. Güter sollen deshalb ohne Schadstoffe und mit möglichst wenigen Rohstoffen produziert werden – und zudem einfach zu recyceln sein. Das klingt simpel, ist in Wirklichkeit aber eine Revolution des Designs, wie wir es kennen. Denn Umweltschutzaspekte hatten in der Abteilung Kunst und Kreativität in vielen Unternehmen bislang wenig zu suchen. In der Wirtschaft der Zukunft jedoch müssen sie Ausgangspunkt der meisten Entwürfe werden.

Das verlangen auch die Kunden. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung bevorzugt ein Viertel der Deutschen nachhaltige Produkte – ihr Marktpotenzial läge damit bei rund 300 Milliarden Euro. Wie grün Waren am Ende sind, daran haben Designer einen entscheidenden Anteil. Eine Studie für den US-Kongress wies nach, dass die Entwurfsphase zu 70 Prozent über den späteren Material- und Energieverbrauch eines Produktes entscheidet.

Produkte vor allem auf ihre Wiederverwertbarkeit hin zu entwerfen, hält Stefan Bringezu, Leiter der Abteilung Stoffströme und Ressourcenmanagement am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie, für ein entscheidendes Kriterium einer Kreislaufwirtschaft. Er appelliert daher an die Unternehmen, auf immer neue Materialkombinationen zu verzichten und die Zahl der Bauteile klein zu halten. "Das erleichtert die Wiederverwendung im gleichen Produkt enorm", sagt er.

Im Idealfall sieht ein grünes Produkt dann aus wie der Schreibtischstuhl "Sayl", den Designer Behar für den US-Möbelhersteller Herman Miller entworfen hat: schlanker Fuß, schmale Armlehnen und eine filigrane Rückenlehne aus schadstofffreiem Kunststoff. Der Stuhl ist auf das Wesentliche reduziert. Der entscheidende Vorteil aber: Der Sitz lässt sich mit wenigen Handgriffen in seine Stahl-, Plastik-, Schaum- und Textilbestandteile zerlegen. Herman Miller recycelt die Einzelteile zu neuen Stühlen.

T-Shirts zu Kompost

All das ist nur dank grünem Design möglich. Das spricht sich in immer mehr Branchen herum. Bekleidungshersteller wie Trigema etwa verbessern mit kompostierbaren, aus schadstofffreien Naturfasern gewebten Unterhemden, T-Shirts und Handtüchern ihre Umweltbilanz. Das ist bitter nötig, denn die Textilindustrie setzt global ein Drittel aller Pestizide ein.

Kluges Design kann auch technische Geräte so gestalten, dass sie sich leicht wieder aufmöbeln und weiterverkaufen lassen, statt sie wegzuwerfen. Der Computerhersteller Dell macht mit aufgearbeiteten Rechnern bereits mehrere Millionen Dollar Umsatz. Auch der Technologiekonzern Siemens geht bei medizinischen Großgeräten diesen Weg. Die Münchner kaufen etwa Computertomografen zurück, tauschen verschlissene Teile aus und bieten die Produkte bis zu 30 Prozent unter dem Neupreis wieder an.

Auch beim Verbrauch von Geräten haben Designer und Ingenieure Erfolge erzielt: So verbrauchen Fernseher, Kühlschränke und Waschmaschinen heute rund 20 Prozent weniger Strom als vor neun Jahren, wie eine Studie der Schweizer Energie-Agentur-Elektrogeräte zeigte.

Aber noch hebt der Kaufrausch der Kunden diesen Fortschritt auf. Denn in den Haushalten stehen immer mehr und größere Geräte. Deshalb stieg der private Stromverbrauch seit dem Jahr 2000 sogar leicht an. Soll die Umwelt von grünem Design profitieren, müssen die Kunden also nicht nur bewusster einkaufen – sondern sie sollten sich auch überlegen, wie viele und welche Geräte sie wirklich brauchen.

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