Neben dem Teilen digitaler Güter umfasst der Begriff der „Shareconomy“ auch reale Güter, wie Autos, Ferienwohnungen, Kleidung oder Bohrmaschinen. Wie das Teilen dieser Güter in einer digitalen Gesellschaft aussehen kann, zeigt ein konkretes Beispiel: Man stelle sich vor, man benötigt drei Mal im Jahr eine Bohrmaschine. Sich selbst eine anzuschaffen, scheint da nicht wirklich wirtschaftlich. Warum also nicht nachschauen, ob jemand in der Nachbarschaft ein entsprechendes Werkzeug besitzt? Das mobile Internet macht es möglich. Heutzutage lassen sich in Echtzeit alle möglichen Dinge via GPS auf einer Karte anzeigen. So auch Werkzeuge, sofern es eine Anwendung oder ein Portal gibt, das sich darauf spezialisiert hat.
Über so ein Portal können Anbieter ihre Gegenstände, die sie für einen kleinen Obolus verleihen wollen, ganz einfach anpreisen. Über eine Chatfunktion kommunizieren Anbieter und Kunde direkt miteinander. Theoretisch ist es möglich, binnen Minuten einen Leih-Gegenstand zu sich nach Hause zu holen, ohne dass dafür viel Aufwand nötig wäre.
Warum wir teilen
„Wir teilen, weil die Technik es uns leicht macht“, sagt Reinhard Karger, Innovationsmanager am Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz. Und je leichter es geht, desto befriedigender ist das Teilen auch. Seit fast zehn Jahren beschäftigt sich Karger mit dem Internet und den sozialen Medien und dem Phänomen der „Shareconomy“. Er ist sich sicher, dass Besitz out und das Teilen die Zukunft ist. „Wir teilen, weil wir es wollen, weil es uns Spaß macht und weil es uns ein gutes Gefühl gibt“, sagt er. Und das in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. „Man könnte sagen, dass das neue Teilen von Dingen einen Weg aufzeigt, wie wir auch ohne Geld glücklich werden können.“
Konsumpsychologe Georg Felser von der Hochschule-Harz stimmt zu. Er glaubt, dass die Erleichterung durch die Technik einen großen Anteil hat. „Viele gute Vorsätze setzen wir deshalb nicht um, weil wir nicht die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt haben. Mit Hilfe des Internets kann sich aber nun jeder darüber informieren, was man Teilen kann und wie das geht."
Die Streaming-Anbieter im Internet
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2008
Sitz: Berlin
Musikangebot: kein lineares Streaming
Besonderes: Auswahl von Stationen für Musikgattungen und Stimmungen, kostenloses Angebot mit Werbung und Abo-Modell
Typ:On-Demand-Streaming
Gestartet: 2007
Sitz: Paris
Musikangebot: 35 Millionen Titel
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2002
Sitz: London
Musikangebot: kein lineares Streaming
Besonderes: Spielt nach Angabe von Lieblingsgruppen Musik von ähnlicher Richtung
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2000
Sitz: Oakland, Kalifornien
Musikangebot: Spielt nach Vorgaben der Nutzer Musik in ähnlicher Richtung, in Deutschland nicht verfügbar
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2005
Sitz: Berkeley, Kalifornien
Musikangebot: 16 Millionen Titel. In Deutschland nicht verfügbar
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 1999 als Tauschplattform, seit 2005 als kommerzieller On-Demand-Service
Sitz: Los Angeles
Musikangebot: 25 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2011
Sitz: London
Musikangebot: mehr als 22 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2010
Sitz: San Francisco
Musikangebot: mehr als 30 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2009
Sitz: Köln
Musikangebot: mehr als 25 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2008
Sitz: Stockholm
Musikangebot: über 20 Millionen Titel
Das Teilen ist also einfacher und effizienter geworden, es erleichtert den Menschen den Alltag. Das leuchtet immer mehr Menschen ein, weshalb sich der Trend rasant weiterentwickelt und verbreitet. "Nur wenn das Teilen für viele Menschen einen Sinn ergibt, kann es sich durchsetzen", sagt Felser.
Auch wenn das Teilen ein Massenphänomen ist, heißt es noch lange nicht, dass jeder es tun wird. Zwei Dinge sind eine Grundvoraussetzungen: Zum einen müssen Menschen sich gerne und sicher im Internet bewegen – also netzaffin sein. Auf der anderen Seite dürfen sie keine Berührungsängste haben und offen sein. „Teilen werden nur Personen, die keine Angst vor Nähe haben“, sagt Georg Felser. „Der Mensch tendiert nicht dazu, Distanzen ohne Not zu verringern.“
Flohmärkte für gebrauchte Dateien
Dieser Internet-Dienst fungiert als Handelsplattform für gebrauchte Musik. Songs kosten 0,69 oder 0,79 Cent. Verkaufen können Musikfreunde dort derzeit nur Titel, die sie bei Apples iTunes erworben haben. Wer Lieder anbietet, erhält 20 Cent. Nach dem Verkauf gibt es noch einmal 12 Cent – allerdings in Form von Gutschriften, die sich bei ReDigi und iTunes einlösen lassen. Auch der Handel mit E-Books soll demnächst möglich sein.
Noch ist der Dienst nur in den USA verfügbar. Doch im kommenden Jahr soll er auch in Deutschland starten.
Über die App des Münchner Anbieters können iPhone- und iPad-Nutzer E-Books ausleihen. Maximal fünf aus bald 10.000 Titeln von 70 Verlagen können Skoobe-Kunden gleichzeitig lesen. Bis zu drei Geräte kann der Nutzer mit seinem Konto verbinden. Dabei lässt sich ein Buch immer nur auf einem Gerät gleichzeitig lesen. Der Dienst kostet monatlich 9,99 Euro. Bis zum 1. März 2013 können Bücherfreunde beliebig viele Titel pro Monat ausleihen. Danach gibt’s für den Preis monatlich zwei Schmöker.
Über Onleihe können die neun Millionen Kunden öffentlicher Bibliotheken in Deutschland auch elektronische Medien ausleihen. Außer den üblichen Bibliotheksgebühren fallen keine weiteren Kosten an. Bis Jahresende sollen 600 Büchereien an den Dienst angeschlossen sein. 30.000 Titel stehen bereits zur Verfügung – E-Books, E-Paper, Hörbücher, Musik und Filme. 9000 sind allein 2012 dazugekommen.
Konkret kann der Experte das mit einem Experiment aus der Konsumpsychologie untermauern. Im Rahmen der Forschung wurden Personen beobachtet, die in einem Bekleidungsgeschäft Waren anprobiert haben. Um sie zu ködern und es ihnen so einfach wie möglich zu machen, wurden in den Umkleidekabinen Kleidungsstücke in der richtigen Größe ansprechend drapiert. Doch kaum eine der beobachteten Personen hat die Kleidung aus der Kabine angezogen, gleichwohl aber die Hosen, Jacken und Hemden, die an der Stange hingen. Offensichtlich wirken die Sachen, die noch am Haken hängen, weniger attraktiv. "Wir teilen nicht gerne, wenn wir es nicht müssen", sagt Felser.
Um die Menschen zum Teilen zu bewegen, ist also noch weit mehr nötig, als die technische Hürde möglichst niedrig zu halten. Es scheint, als müsse das Teilen, beziehungsweise das Nutzen gebrauchter Gegenstände in irgendeiner Form positiv belegt sein. Unsere Umwelt muss das „Teilen“ gut finden. Konkret: Wir freuen uns, wenn der Like-Button bei Facebook unter einer geteilten Nachricht oft angeklickt wurde. Ein anderes Beispiel: Bei Privatleuten in Barcelona zu leben, gibt uns das Gefühl dichter am Alltag und dem realen Leben in der Stadt beteiligt zu sein. Es bietet gegenüber dem sterilen Hotelzimmer einen Vorteil. „Damit sich etwas durchsetzt, muss es positiv belegt sein. Nutzen alleine reicht nicht“, sagt der Psychologe Felser.
Auf die Frage, wer sich an der neuen Leichtigkeit des Teilens beteiligt, gibt es also ganz unterschiedliche Antworten. Reisen, Wissen, Musik - jede Ausprägung des Trends hat sein eigenes Publikum und seine eigene Dynamik. Ein Bereich, in dem sich mittlerweile eine ganze Branche um den neuen Hype ums Teilen gebildet hat, ist Carsharing. Das Institut für Mobilitätsforschung (ifmo) hat im Auftrag von BMW bereits im Jahr 2011 eine Studie herausgegeben, die Bände spricht. Danach hat das Auto bei den 18- bis 30-Jährigen deutlich an Anziehungskraft verloren. In Deutschland stagniert der Anteil an Jugendlichen, die einen Führerschein besitzen. In Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Norwegen, den USA und Japan ist der Anteil in den vergangenen zehn Jahren sogar zurückgegangen.