
Lange galt unter Boxern das Gesetz: „They never come back!“ Wer einmal vom Thron des Champions gestoßen ist, kehrt nie mehr zurück. So schien es auch dem Ex-Handheld-Primus Palm zu ergehen. Der hatte das Geschäft mit digitalen Notizbüchern dominiert, dann aber den Trend zu Smartphones verschlafen. Gegen Geräte wie Blackberry und iPhone fiel Palm immer weiter ab. Bis den schon totgesagten Kaliforniern im Frühjahr mit dem Modell Pre die Sensation gelang: Das Smartphone habe, so das Urteil vieler Kritiker, das Zeug zum ersten Rivalen für Apples iPhone.
Nachdem die US-Version des Pre bereits seit Juni auf dem Markt ist und seitdem eine geschätzte halbe Million Käufer fand, ist Palms Newcomer nun auch in Deutschland zu haben. Wie Apple mit T-Mobile hat sich auch Palm mit O2 einen exklusiven Vertriebspartner gesucht. Doch während die offizielle deutsche Version des iPhone an T-Mobile gebunden ist, funkt der Pre anstandslos in jedem Handynetz.
Beim Preis schlägt der Pre das iPhone
Für rund 480 Euro gibt es Palms Smartphone bei O2 ohne Mobilfunkvertrag. Und auch mit einer O2-Telefon-Pauschale sowie einer Internet-Flatrate summieren sich Gerät und Monatsgebühren über zwei Jahre nur auf knapp 980 Euro. Davon können Apple-Fans nur träumen: Selbst für das veraltete iPhone 3G – das, wie der Pre, acht Gigabyte Speicher besitzt – zahlen Käufer bei ähnlichen Tarifen rund 500 Euro mehr.
Nicht nur beim Preis schlägt der Pre das iPhone. Zwar eignet sich auch die unter das Display geschobene Minitastatur des Palm nicht zum Tippen langer Texte. Bequemer als der Kampf mit den virtuellen Bildschirmtasten des iPhone ist sie allemal. Auch Palms Betriebssystem Web-OS ist der Apple-Plattform an vielen Stellen überlegen. So kann der Pre-Nutzer parallel E-Mails empfangen, per SMS Termine abstimmen und die im Kalender vermerken. Auf derlei Multitasking warten iPhone-Anwender weiter vergeblich.
Noch nicht so viele Anwendungen im App Store
Und wenn es um das Kontakte- und Terminmanagement geht, dann setzt der 135 Gramm schwere Pre ohnehin Standards. Als erstes Gerät seiner Art führt er die Adresseinträge der Kontakte aus unterschiedlichsten Quellen zu einer Adresskarte zusammen. Egal, ob die Informationen aus Outlook-Kontakten stammen, dem Google-Adressbuch oder der Facebook-Freundesliste.
Ähnlich aggregiert der Pre die Einträge aus geschäftlichen und -privaten Kalendern. „Synergy“ heißt diese Technik, mit der der Pre die Latte für die Entwickler bei Apple & Co. ein gutes Stück höher gehängt hat. Schade nur, dass der neue Palm bisher noch keine Option bietet, Einträge aus MeinVZ oder Xing in Adressbuch oder Kalender einzufügen – oder einzelne Absätze statt kompletter E-Mails weiterzuleiten. Hier legt Palm hoffentlich in einem der nächsten Softwareupdates nach. Dann wird wohl auch die Vertriebsplattform für Zusatzprogramme, Palms bisher im Beta-Stadium befindlicher App Catalog, final freigegeben. Noch reichen dessen knapp 100 Programme nicht an die Masse der Angebote heran, die etwa der App Store von Apple iPhone-Besitzern bietet.
Das zu ändern ist für Palm nicht minder wichtig, als den Stromverbrauch des Pre in den Griff zu bekommen. Denn bei intensivem Einsatz hielt dessen Akku kaum einen Arbeitstag durch. Damit ist er noch schwächer als der schon knapp dimensionierte Stromspeicher des iPhone. Und vielleicht feilen die Kalifornier auch noch an der Verarbeitung ihres Hoffnungsträgers: Bei meinem Vorserien-Testgerät ließen sich Display und Tastatur gegeneinander verdrehen. Für ein Premiumprodukt ist das inakzeptabel.
Als erster Schritt zur Wiedergeburt der Legende Palm aber ist der Pre mehr als ein Achtungserfolg. Der Vergleich mit dem Boxen lässt hoffen: Stars wie Muhammad Ali jedenfalls gelang nach schmählichen Niederlagen noch ein glänzendes Comeback.