Städte der Zukunft Wie Metropolen zu Ökostädten werden

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new york Quelle: Laif

Klar ist, dass der Umbau der Städte Investitionen in Milliardenhöhe erfordert. Doch Experten sind sich einig, dass die Städte nicht an einer ökologischen Neuorientierung vorbeikommen. Andernfalls drohen sie, an sich selbst zu ersticken. Weltweit entwerfen Bürgermeister daher Masterpläne, mit denen sie ihre Städte revitalisieren und die Lebensgrundlagen erhalten wollen:

New York: Bürgermeister Michael Bloomberg will den CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber 2005 um 30 Prozent senken. Zum Maßnahmenpaket gehören eine bessere Gebäudeisolierung, die Förderung von Windkraft und Sonnenstrom sowie die Modernisierung alter Öl- und Gaskraftwerke. Bereits realisiert ist der Umbau einer stillgelegten, zweieinhalb Kilometer langen Hochbahnstrecke in Manhattan zu einem luftigen Stadtpark.

San José: Die kalifornische Küstenstadt hat sich vorgenommen, bis 2022 zum globalen Führer bei grünen Technologien aufzusteigen und 25 000 Jobs in dem Sektor zu schaffen. Der Energieverbrauch der Stadt soll halbiert werden, der Strom vollständig aus grünen Quellen stammen.

Vancouver: In der kanadischen Olympiastadt am Pazifik ist die Planung eines Industriegebiets weit fortgeschritten, das nur Unternehmen duldet, die energie- und ressourcenschonend produzieren und weder Gifte noch Abfall hinterlassen. London: Bürgermeister Boris Johnson will die CO2-Emissionen bis 2025 gleich um 60 Prozent verringern. Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey hat ergeben, dass sich 13 der 20 wichtigsten Maßnahmen in kurzer Zeit durch Einsparungen selbst finanzieren: sparsameAutos, Gebäudedämmung und Wärmerückgewinnung zum Beispiel.

München: Als erste deutsche Großstadt wollen die Bayern bis 2025 den Strom komplett aus regenerativen Energien beziehen. Zur Ausbauoffensive gehören ein Wasserkraftwerk an der Isar, eine Geothermieanlage und die Beteiligung an mehreren Windparks an Land und in der Nordsee. Oberbürgermeister Christian Ude fühlt sich schon in der Rolle eines Ölscheichs: „Wir sitzen lieber selbst an der Quelle.“ Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat für ein geplantes Neubaugebiet im Stadtteil Neuaubing ausgerechnet, ob sich die Umstellung auf Niedrigenergiestandard und Fernwärmeversorgung in den Häusern lohnt. Das Ergebnis: Jährlichen Investitions- und Betriebskosten von 10,5 Millionen Euro stünden Energiekosteneinsparungen von 14,5 bis 17 Millionen Euro gegenüber – je nach Entwicklung der Preise für Wärme und Strom.

Einstieg in City-Landwirtschaft

Andere deutsche Städte ziehen nach. Hamburg, das nächstes Jahr Stockholm als Europas Umwelthauptstadt ablöst, belohnt klimafreundliches Bauen mit Fördergeldern. Die neue Hafencity soll zum großen Teil mit CO2-freiem Strom versorgt werden. Berlin plant rund um den stillge-legten Flughafen Tempelhof einen Technologiepark und drei neue Siedlungen, die mit Sonne, Wind und Biomasse ein Vielfaches der dort benötigten Energie an die Stadt abführen.

Im Ruhrgebiet wiederum steigt die örtliche Industrie, unterstützt von der nordrhein-westfälischen Landesregierung, in die nachhaltige Stadtentwicklung ein. Sie will einen bestehenden Stadtteil komplett energetisch sanieren, 500 Elektroautos fahren lassen und Windräder und Solaranlagen aufstellen. Das Ziel: 50 Prozent CO2-Einsparung

Die beteiligten Unternehmen, darunter E.On, Siemens, ThyssenKrupp und die Deutsche Bank, sehen in dem 2,5-Milliarden-Euro-Projekt eine Investition. „Wir haben hier die Schlüsseltechnologien gegen Erderwärmung und für künftige Energie- und Verkehrssysteme“, sagt der ehemalige Vorstand des Technologiekonzerns Evonik, Alfred Oberholz, der das Projekt koordiniert. „Wir zeigen hier, dass das Modell funktioniert, und werden es dann weltweit vermarkten.“

Die Ökostadt als Konjunkturmotor? Eine McKinsey-Studie zeigt, dass der grüne Stadtumbau zumindest nicht schadet. Oslo, Kopenhagen und Stockholm, allesamt Städte mit hohen Umweltstandards, erwirtschaften danach die höchsten Pro-Kopf-Einkommen je Einwohner.

Der Fantasie für die grüne Stadt der Zukunft sind kaum noch Grenzen gesetzt: Forscher arbeiten an Konzepten für das sogenannte Vertical Farming. Die Idee: Wie einst das Leben der Menschen in den Städten soll künftig auch die Landwirtschaft vertikal, in Stockwerken übereinander, organisiert werden.

Einen besonders eindrucksvollen Entwurf dieser Idee hat der Pariser Architekt Vincent Callebaut entwickelt: Mit dem Projekt „Dragonfly“ hat er eine 600 Meter hohe vertikale Farm entworfen, die auf Dutzenden Stockwerken in der Nähe der New Yorker Innenstadt Gemüse, Fleisch, Eier und Getreide erzeugen soll. Dragonfly ist freilich nur ein kühner Entwurf.

Doch der Einstieg in die City-Landwirtschaft ist längst getan: In Städten wie New York und Tokio bauen Menschen Gemüse auf den Dächern von Hochhäusern an. Allein in New York ist die Zahl solcher Projekte 2008 um 35 Prozent gestiegen. Nun wird immer intensiver diskutiert, ungenutzte Büro- und Industrieflächen in Städten für Landwirtschaft zu nutzen. Das erste große Projekt startet in Detroit. Die Stadt hat nach dem Niedergang der US-Autoindustrie viele freie Flächen für neue Ideen. 

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