Strom sparen Gezielte Kühlung für Computer

Moderne Computer verbrauchen immer mehr Strom – das ist teuer und umweltschädlich. Neue Prozessoren, Klimatechniken und Software helfen dagegen.

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Den schnellsten Computer Europas im neuen Hoechstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart bewahren gigantische Klimaanlagen for dem Hitzetod, AP

Nicht, dass Damian Schmidt nach den Stürmen und Gewittern der vergangenen Wochen etwas gegen einen sonnigen Sommer hätte. Aber wenn er an die Stromrechnung seines Unternehmens denkt, kämen dem Chef des Berliner Online-Anbieters Strato ein paar kühle Sommermonate sehr zupass. Die Hochleistungscomputer des zweitgrößten europäischen Web-Hosters, in denen die Internet-Auftritte Tausender von Unternehmen und Privatleuten gespeichert sind, produzieren Wärme im Überfluss. Rund 30.000 Computer stehen in den Strato-Rechenzentren in Berlin und Karlsruhe, aufgereiht in langen Gängen und vom steten Luftzug gigantischer Klimaanlagen vor dem Hitzetod bewahrt. „Die Kosten für die Kühlung steigen mit der Außentemperatur“, sagt Schmidt. „Bei mehr als 30 Grad draußen sind das bis zu 10.000 Euro am Tag pro zusätzlichem Grad Celsius.“ Der explosionsartige Anstieg des Stromverbrauchs heutiger Rechner, hervorgerufen durch immer mehr Leistung und ein rapides Datenwachstum, sprengt nicht nur bei Strato die Budgets. Die Energie für Informationstechnik (IT) wird zum bedrohlichen Kostentreiber. Um die Kunden zu besänftigen, arbeiten die IT-Anbieter mit Hochdruck an Gegenmaßnahmen: Neue Prozessoren, Kühlmethoden und Software sollen den Energiehunger zügeln. Mit kleinen Korrekturen ist es nicht getan. „Lagen die Stromkosten eines durchschnittlichen europäischen Datenzentrums 2006 noch bei gut fünf Millionen Euro pro Jahr, könnte sich der Betrag 2010 schon auf bis zu elf Millionen Euro mehr als verdoppeln“, rechnet Simon Forge vor, IT-Experte beim britischen Technologieberater Ptak, Noel & Associates. Schlimmer noch: „Geht das Wachstum der Rechenleistung ungebremst weiter, steht mindestens die Hälfte der Rechenzentren schon im kommenden Jahr vor massiven Kühlproblemen, weil die Klimaanlagen mit der Hitze nicht mehr fertig werden“, warnt Michael Ganser, Chef der deutschen Dependance des Netzwerkspezialisten Cisco. Welche Zeitbombe da in ihren Server-Räumen tickt, wird laut IBM-Deutschland-Chef Martin Jetter immer mehr Kunden bewusst. „Interessierten sie sich früher primär für Spitzenwerte bei Rechengeschwindigkeit und Speichergröße, ist Energieeffizienz mittlerweile eines der Top-Themen.“ Kein Wunder. Nach einer aktuellen Studie des internationalen Marktforschers IDC erreichen die Kosten für den Betrieb der Computer in diesem Jahr erstmals deren Anschaffungspreis; in zwei Jahren werden sie mehr als doppelt so hoch liegen. Mit dem Energieverbrauch steigt die Klimabelastung durch IT, so John Donoghue, Energieexperte der Umweltorganisation WWF: „Der durch Rechner und Rechenzentren ausgelöste weltweite Ausstoß von Kohlendioxid erreicht schon jetzt das Niveau der Luftfahrt.“ Der Computer als Klimakiller? In diesen Ruf möchte die Branche nicht geraten. Bisher schmückt sie sich mit dem gegenteiligen Image. Der Austausch von Bits und Bytes, die Kommunikation per E-Mail und Videokonferenzen, so ihr eingängiges Argument, erspare tausendfach umweltschädliche Reisen. „Die Wahrheit ist, dass Rechner und Rechenzentren große Mengen von Treibhausgasen erzeugen“, sagt Experte Forge. In Europa, den USA und Japan gingen bereits vier bis fünf Prozent des gesamten Stromverbrauchs auf ihr Konto.

Kaum mehr als Glück, „dass das bisher noch kaum jemandem aufgefallen ist“, sagt Rakesh Kumar vom Technologie-Beratungsunternehmen Gartner. Auch die Politik habe beim Thema IT und CO2 noch „einen blinden Fleck“. Doch das könne sich rasch ändern, „von massivem öffentlichen Druck bis zu Steuern auf den Energieverbrauch der IT ist alles denkbar“. Anfang Juni schlossen sich im kalifornischen Mountain View Größen wie Intel, Dell, Google, IBM, Sun Microsystems und Yahoo zur Climate Savers Computing Initiative (CSCI) zusammen. „Bis 2010 wollen wir den Energieverbrauch der Informationstechnik drastisch drosseln und dadurch die jährlichen CO2-Emissionen um 54 Millionen Tonnen senken“, so Patrick Gelsinger, Chef von Intels Digital Enterprise Group, die IT- und Kommunikationselek- » tronik für Unternehmen entwickelt. „Das ist, als würden wir elf Millionen Pkws oder zwanzig 500-Megawatt-Kohlekraftwerke abschaffen.“ Das Projekt soll nicht nur Treibhausgase einsparen, es soll auch die Stromkosten drastisch senken: Rund 5,5 Milliarden Dollar Kostenreduktion im Jahr peilen die CSCI-Partner für 2010 an. Andere IT-Riesen wie AMD, IBM und Microsoft haben sich zum „Green Grid“ zusammengefunden. Das große Sparen fängt im Kleinen an, weiß Mark Hurd, Chef des Computer-Marktführers Hewlett-Packard (HP). „Wer als privater Nutzer die Energiesparfunktionen seines PCs ausschöpft, kann seine Stromkosten deutlich drücken.“ Hochgerechnet auf die weltweit installierten Milliarden Rechner wäre die Einsparung immens. Einen Anhaltspunkt liefert der Strombedarf eines großen Rechenzentrums. Es verbraucht die Energie einer Kleinstadt mit 40.000 Einwohnern. In Unternehmen treiben neuartige Blade-Server die Kosten: Sie sind so klein wie eine Pizzaschachtel und verdrängen klassische Computer aus den Schränken. Obwohl klein gebaut, sind sie um ein Vielfaches leistungsfähiger. Die Kehrseite: „Sie verbrauchen auf gleicher Fläche das 10- bis 15-Fache an Energie“, hat Gartner-Berater Kumar ausgerechnet. Wo bisher pro Schrank zwei Kilowatt reichten, müsse die Stromversorgung jetzt 20 bis 30 Kilowatt liefern. Kumar: „Kaum ein Rechenzentrum, das in den vergangenen fünf bis zehn Jahren gebaut wurde, ist für so eine Leistungsexplosion ausgelegt.“

Ohnehin arbeiten die Rechner – egal, ob normaler PC oder Hochleistungsserver – „erschreckend ineffizient“, moniert Google-Manager Urs Hölzle. „30 bis 50 Prozent des Strombedarfs werden gar nicht in Prozessoren und Speicherchips für Rechenleistung genutzt, sondern verschwinden ungenutzt als Abwärme.“ Der PC als Heizlüfter – in Unternehmen wird das zum Problem. „Mittlerweile kommt in vielen Rechenzentren auf jedes Kilowatt für den Rechnerbetrieb mindestens ein Kilowatt für die Klimatisierung“, sagt HP-Manager Hans Wendschlag, in Europa für den energieeffizienten IT-Betrieb verantwortlich. „Jede Kilowattstunde, die der Rechner weniger verbraucht, spare ich auch bei der Kühlung ein.“ Die Liste mit Einsparideen ist lang. Die Branche verabschiedet sich von dem Konzept, mehr Rechenleistung durch immer schnellere Prozessoren zu erreichen. „Noch schnellere Chips werden hauptsächlich eines: heißer“, sagt Donatus Schmid, Marketingchef von Sun Microsystems in Deutschland. Das ist unsinnig, weil die übrigen Computer-Komponenten mit der enormen Geschwindigkeit der Hochleistungsprozessoren gar nicht mehr mitkommen. Schmid: „Das ist, als würde man mit einem Ferrari in der Innenstadt ständig von roter Ampel zu roter Ampel rasen.“ Statt auf mehr Tempo setzen Sun, AMD oder Intel bei ihren Prozessoren auf mehrere Rechenkerne. Statt Rechenschritt für Rechenschritt nacheinander abzuarbeiten, erledigen die neuen Multi-Core-Chips die Aufgaben in parallelen Arbeitsgängen. Obwohl mit 1,2 Gigahertz Taktrate nominell deutlich langsamer, lässt die aktuelle Generation von Suns Mehrkernchips die teils mehr als vier Gigahertz schnellen PC-Prozessoren klassischer Bauart alt aussehen. Schmid: „Unsere aktuellen Chips können 32 Programmschritte parallel erledigen, bald schon werden es Hunderte von Parallelprozessen sein – bei weit geringerem Stromverbrauch als heute.“ Neue Software, die Arbeit intelligent auf die Kerne verteilt, spart zusätzlich Strom. „Sie reduziert die Zahl der erforderlichen Rechenschritte beim Zugriff auf die Web-Seiten unserer Kunden um 75 bis 90 Prozent“, freut sich Strato-Chef Schmidt. Dem Zwang zum Sparen werden nicht nur die Einzelprozessoren zum Opfer fallen, sondern auch ein Großteil der PCs in den Rechenzentren. „Über Jahre haben Fachabteilungen für jede neue Anwendung – egal, ob Buchhaltung, Intranet, Kunden- oder Mitarbeiterverwaltung – eigene Computer installiert, unabhängig davon, ob dafür überhaupt ein eigenständiger Rechner nötig war“, kritisiert IBM-Umweltexperte Weeren. „Jetzt finden sich in den Schränken Tausende PCs und Server, die nur zu zehn Prozent ausgelastet sind, aber den vollen Strom verbrauchen.“

Das Gegenmittel heißt Virtualisierung. Darunter verstehen Experten eine Software, die eine Arbeitslast verschiedener Anwendungen so auf die Rechner verteilt, dass alle annähernd gleich ausgelastet sind. Die Zahl der benötigten Maschinen sinkt drastisch. Speicherexperten wie EMC oder Hitachi setzen beim Verwalten der Computerdaten auf ein ähnliches Konzept. Eine neue Software simuliert einen großen virtuellen Datenspeicher und weist den einzelnen Programmen den jeweils benötigten Speicherplatz zu. Effekt: Es werden weniger Festplatten gebraucht, der Stromverbrauch sinkt. Ein anderer Ansatz zum Energiesparen sind neue Kühlsysteme und Klimakonzepte. Luft kühlt dabei gezielt jene Rechner, die unter Hochlast laufen, statt komplette Rechnerräume kühl zu halten. Die Telekom-Tochter T-Systems will die Temperaturen in Rechenzentren künftig mit aus dem Erdboden angezapfter Kühle niedrig halten. Die Bergbauakademie Freiberg ist an der Entwicklung beteiligt. „Noch ist das System nicht einsatzbereit“, berichtet Ralf Bündgen, bei T-Systems verantwortlich für Umweltschutz, „aber es geht nur noch um das Wann, nicht mehr um das Ob.“ Nahezu ausgereift ist hingehen das energieautarke Rechenzentrum, das der Telekom-Ableger demnächst für rund 2,5 Millionen Euro im Münchner Euro-Industriepark errichtet. Den Strom für IT und Gebäude soll eine vom Energieexperten CFC Solutions aus Ottobrunn bei München gebaute Brennstoffzelle liefern, die mit Biogas betrieben wird. Bündgen: „Mit dem aus organischen Rohstoffen erzeugten Gas werden wir einen Großraum des Rechenzentrums komplett CO2-neutral betreiben.“ Dieses Ziel hat auch Strato-Chef Schmidt im Blick. Anfang 2008 wechseln die Berliner als erster deutscher Groß- Web-Hoster zum badischen Stromerzeuger Naturenergie. „Der produziert seinen Strom schon jetzt CO2-frei mit Wasserkraftwerken am Hochrhein.“

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