Technik Neuer Antrieb für Schiffe

Zu den schlimmsten Umweltsündern gehören bisher die Seeschiffe. Neue Techniken senken jetzt Verbrauch und Schadstoffe drastisch.

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Kreuzfahrtschiff Aidavita, Aida Cruises

Schweröl ist zäh und stinkt. Auf 130 Grad Celsius erwärmt, damit es flüssig wird, versorgt der billige Treibstoff die gewaltigen Motoren im Bauch von Zehntausenden Seeschiffen. Die Abgase enthalten reichlich Schadstoffe, etwa Schwefeldioxid und Stickoxide. Sie reichern sich im Meer an, das nach und nach zu einer Säure wird – mit fatalen Folgen für die Umwelt: Sieben Prozent des weltweiten Schwefeldioxidausstoßes gehen auf das Konto der Seeschifffahrt, die zudem für so viel Stickoxide verantwortlich ist wie sämtliche Emittenten in den USA zusammen. „Schiffe sind Müllverbrennungsanlagen, nur ohne Filter und Abgasreinigung“, klagt Eike Lehmann, emeritierter Professor für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Das soll sich schrittweise ändern. Seit gut einem Jahr gelten in der Ostsee und seit dem 11. August auch in der Nordsee und auf dem Ärmelkanal strengere Bestimmungen. Schiffe dürfen dort nur Treibstoff verfeuern, der höchstens 1,5 Prozent Schwefel enthält. Noch schärfere Werte hat die UN-Schifffahrtsorganisation IMO mit 0,5 Prozent für die kalifornischen Küstengewässer erlassen. Auf den Weltmeeren sind 4,5 Prozent erlaubt. In Deutschland überwacht das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg die Einhaltung. Verstöße kosten bis zu 50.000 Euro. Wie Kanzlerin Angelika Merkel beim Klima sieht Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee Deutschland auch bei der sauberen Schifffahrt in einer Vorreiterrolle: „Auf See müssen für Treibstoffe die gleichen Qualitätsstandards gelten wie an Land.“ Die hiesigen Reeder sind bereit, mitzuspielen – wenn die Grenzwerte für alle verbindlich sind. Weil ihre Schiffe im Durchschnitt deutlich moderner sind als die der Konkurrenz, müssten sie weniger in saubere Technik investieren. Klaus Heim, im finnischen Wärtsilä-Konzern für Forschung und Entwicklung zuständig, glaubt zwar nicht, „dass schärfere Bestimmungen für alle Weltmeere in naher Zukunft zu erwarten sind“. Dennoch drängten die Reeder allein aus wirtschaftlichen Gründen Schiffsmotorenbauer wie Wärtsilä, MAN, MTU Friedrichshafen und Caterpillar, verbrauchsärmere Techniken zu entwickeln. Der Preis für Schweröl hat sich innerhalb von drei Jahren auf 300 Dollar je Tonne glatt verdoppelt. Das drückt die Erlöse der Reedereien. Tanker und große Frachter verbrauchen täglich bis zu 100 Tonnen Treibstoff.

Bei Kreuzfahrtschiffen kommt die Sorge hinzu, umwelt- und gesundheitsbewusste Passagiere mit schwarz rauchenden Schornsteinen zu vergraulen. Zudem dürfen die Schiffe sensible Regionen wie die Arktis nur besuchen, wenn sie praktisch keinen Dreck hinterlassen. Auf der AidaDiva, dem jüngsten Kreuzfahrtschiff der zur Società di Crociere Mercurio gehörenden Rostocker Reederei Aida Cruises, ist das Kunststück vollbracht. Die Papenburger Meyer-Werft, die das Schiff baute, installierte vier Motoren mit variabler Nockenwellensteuerung, eine Entwicklung der Kieler Tochter des amerikanischen Motorenbauers Caterpillar (ehemals Krupp MAK). Diese Technik optimiert die Verbrennung und reduziert die Stickoxid- und Ruß-Emissionen, sodass der Rauch unsichtbar ist. Der Tognum-Unternehmensbereich MTU Friedrichshafen setzt, um Motoren für Schiffe, Baumaschinen, Lkws und Bahnen umweltverträglicher zu machen, ähnlich wie im Automobilbau auf die Einspritzung des Kraftstoffs mit Hochdruck, eine Technik, die auch Caterpillar jetzt einsetzt. Der Druck, mit dem der Treibstoff in die Zylinder schießt, beträgt 1800 bar – das ist das 900-Fache des Drucks in einem Auto-reifen. Fein zerstäubt, verbrennt der Kraftstoff besonders effektiv. Eine weitere Verbrauchssenkung erzielen die Friedrichshafener, indem sie den Sprit bei jedem Kolbenhub in drei Portionen in den Zylinder spritzen. Das reduziert zusätzlich die Stickoxid-Emissionen und den Lärm: Das charakteristische Nageln des Dieselmotors ist nicht mehr zu hören, sobald die gestufte Einspritzung zugeschaltet wird. Gegen den Schwefel helfen diese Techniken allerdings nicht. Was im Treibstoff drin ist, quillt in Form von Schwefeldioxid aus dem Schornstein. Es bindet sich an winzige Wasserpartikel in der Luft und verwandelt sich in schweflige Säure, die das Meerwasser verunreinigt. Überdies fördert das Schwefeldioxid die Wolkenbildung. Das haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Meteorologie herausgefunden. Über dem Ärmelkanal und an den Küsten der Irischen See konnten sie erheblich dichtere Wolken messen als im Hinterland, ebenso über großen Hafenstädten wie Rotterdam und Hamburg.

„Da hilft nur, das Schweröl zu entschwefeln“, sagt Wärtsilä-Forschungsmanager Heim. Das würde auch ein anderes Problem lösen: Partikelfilter, wie sie heute in Diesel-Pkws und Lastern üblich sind, funktionieren nur mit entschwefeltem Sprit. Bis dahin ist es ein langer Weg. Schon vor fünf Jahren beschloss die Europäische Union eine „Strategie zur Reduzierung atmosphärischer Emissionen von Seeschiffen“. Es blieb jedoch bei den Grenzwerten für europäische Gewässer und vor Kalifornien. Immerhin hat das Hercules getaufte Programm, dessen Kosten von knapp 34 Millionen Euro zur Hälfte die Industrie und zur anderen Hälfte die EU und die Schweiz trugen, einen Anstoß gegeben, wenigstens den Treibstoffverbrauch und den Stickoxid-Ausstoß zu senken. 40 europäische Motorenhersteller und Zulieferer haben innerhalb von 43 Monaten entsprechende Techniken entwickelt. Als besonders wirkungsvoll hat sich der Einbau zusätzlicher Turbolader erwiesen. Bei Tognum sind es bis zu vier. Sie pressen die Verbrennungsluft mit höherem Druck in die Zylinder, sodass die Motoren noch effektiver arbeiten. Heute kommen sie bereits auf einen Wirkungsgrad von mehr als 50 Prozent, während Maschinen für Lkws bestenfalls auf 35, für Pkws auf 30 Prozent kommen. Um die Emissionen von Stickoxiden zu reduzieren, setzen die Forscher dem Treibstoff Wasser zu. Dadurch sinkt die Verbrennungstemperatur und damit die Bildung von Stickoxiden. „So lassen sich die Emissionen halbieren“, sagt Heim.

Das Schwefelproblem ließe sich auch ohne Vorbehandlung des Treibstoffs lösen. Vorbild sind Kraftwerke an Land. Deren Abgase werden mit Kalkmilch gewaschen. Sie bindet das Schwefeldioxid und verwandelt es in Gips, der sich beispielsweise in Wandplatten wiederfindet. Doch solche Rauchgaswäschen sind teuer und platzraubend – was die Wirtschaftlichkeit von Frachtschiffen beeinträchtigen würde. Folge: Niemand nutzt bis heute diese Möglichkeit. Volker Brenk, Schifffahrtsexperte beim Umweltbundesamt in Dessau, empfiehlt deshalb den Umstieg auf entschwefelten Treibstoff. Stark schwefelhaltiges Schweröl solle stattdessen in Kraftwerken an Land verbrannt werden, die mit bester Technik zur Abgasreinigung ausgestattet sind. Die Reeder werden wenig begeistert sein: Schwefelarmer Schiffsdiesel kostet dreimal so viel wie Schweröl. Geld sparen könnten sie dagegen durch Rückbesinnung auf eine Zeit, als der Wind Schiffe über die Meere blies. Noch in diesem Herbst soll mit der Beluga SkySails der erste Frachter in See stechen, der mit einem drachenartigen Segel ausgestattet ist. Versuche mit dem 800-Tonnen-Schiff Beaufort waren erfolgreich. Der Treibstoffverbrauch reduziert sich durch den Hilfsantrieb um bis zu 40 Prozent. Das bringt bei einem mittelgroßen Schiff eine Ersparnis von rund 1500 Euro täglich. Der 140 Meter lange Mehrzweck-Schwergutfrachter, der jetzt mit dem Segel ausgestattet wird, gehört der Bremer Reederei Beluga Shipping. Der Drachen, vom Hamburger Unternehmen SkySails entwickelt, ist mit einem bis zu 500 Meter langen Seil mit dem Schiff verbunden und wird von einem Autopiloten gesteuert. So muss der Kapitän sich um den windigen Antrieb gar nicht kümmern.

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