Technologie Roboter zeigen Emotionen

Japanische Forscher sind bei der Entwicklung einer intelligenten Kopie des Menschen schon weit. Der Markt für Serviceroboter wächst schwungvoll.

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Der menschliche Roboter Asimo Quelle: REUTERS

Es ist fast wie in der richtigen Zahnarztpraxis. Trifft der Bohrer auf den Nerv, stöhnt die Patientin auf. Nur ist diese hier nicht aus Fleisch und Blut. Allerdings ist der 1,60 Meter große Roboter dem Aussehen einer Durchschnittsjapanerin nachempfunden, inklusive langer, schwarzer Haare. Er kann sogar die Stirn runzeln oder die Augen rollen, wenn eine schmerzempfindliche Stelle getroffen wird. „Die Mimik ist äußerst realistisch“, schwärmt Tatsuo Matsuzaki vom Hersteller Kokoro. „Studenten können so die Leiden der Patienten nachempfinden.“

Japan, diesjähriges Partnerland auf der Hannover Messe, ist Trendsetter bei der Entwicklung neuer Robotergenerationen. Mit 370.000 Exemplaren sind 40 Prozent aller weltweit eingesetzten Automaten in japanischen Fabriken installiert. Auf 10.000 Arbeiter kommen 349 Maschinenkollegen. Und das ist erst der Anfang. Um die schwindende Zahl an Arbeitskräften infolge der rapiden Überalterung der Gesellschaft zu ersetzen, plant das Ministerium für Handel und Industrie (Meti) bis 2025 den Einsatz von einer Million Industrieroboter. Jeder könnte zehn Arbeiter ersetzen, hat die Behörde errechnet.

Mehr noch aber treibt die Regierung die Entwicklung von Servicerobotern voran, die bügeln, spülen und Essen servieren, in Pflegeheimen und Krankenhäusern alte Menschen und Patienten betreuen oder mit allerlei Späßen und Spielen unterhalten. Ihre Zahl soll sich weltweit nach einer aktuellen Studie bis 2010 gegenüber 2006 von gut 3,5 Millionen auf rund 7,1 Millionen mehr als verdoppeln. Bis 2025 könnte der jährliche Umsatz von heute sechs bis auf über 43 Milliarden Euro steigen.

Das Ziel der Ingenieure sind denkende, fühlende und lernende Kopien des Menschen. Mit Kansei ist ein Studienteam der Tokioer Meiji-Universität diesem Traum schon ein gutes Stück nähergekommen. Je nachdem, welches Wort er hört, kann Kansei sein mit einer Gummihaut überzogenes Gesicht verziehen und so Glück, Überraschung, Wut, Angst, Trauer und Ekel ausdrücken. Schnappt er etwa das Wort Liebe auf, verziehen sich seine rosa Lippen zu einem Lächeln. Komplexe Computerprogramme steuern die Assoziationen. „Um unter Menschen zu leben, müssen Roboter komplexe soziale Aufgaben bewältigen können“, erläutert Projektleiter Junichi Takeno. „Sie müssen mit Emotionen umgehen können, sie verstehen und eines Tages vielleicht sogar selbst fühlen können.“

Jeder Fortschritt wird mühsam erkämpft, wie die Geschichte von Asimo exemplarisch zeigt. Seit 1986 arbeitet Honda an dem Humanoiden; im Jahr 2000 stellte der Konzern das erste Exemplar vor. Es konnte nicht viel mehr als sich wenige Minuten lang schwerfällig zu bewegen und den Kopf zu drehen. Dann waren die Akkus erschöpft.

Die neueste 1,30 Meter große und 54 Kilogramm schwere Version kann mit ihrer integrierten Stromversorgung schon 40 Minuten unterwegs sein. Fällt die Batteriefüllung unter ein bestimmtes Niveau, marschiert Asimo von selbst zur nächsten Aufladestation. Er kann inzwischen auch ein Tablett balancieren, ein Wägelchen vor sich herschieben und sogar im Team arbeiten. So sprechen sich die Gesellen untereinander ab, wer in Hondas Hauptquartier einen Besucher begrüßt und zu seinem Gesprächspartner führt. Elektronische Augen und Sensoren stellen sicher, dass sie auf dem Weg niemanden anrempeln oder gegen ein Hindernis stoßen.

Experten schätzen, dass Honda sich die Verbesserungen mehr als eine Milliarde Euro kosten ließ. „So richtig nützlich ist Asimo aber immer noch nicht“, räumt Shigeaki Yanai ein, Generalmanager der japanischen Robotervereinigung. Für eine breite Kommerzialisierung müsse die Funktionalität der Humanoiden erheblich verbessert werden. „Asimo darf nicht nur ein Unterhaltungsroboter sein. Er muss wirklich hilfreich im Alltag werden.“

RoboCup - Wettbewerb: Quelle: dpa

Hospi erfüllt diesen Anspruch in Ansätzen bereits. Der blauweiße Geselle des weltgrößten Elektronikkonzerns Matsushita nimmt sich im nördlich von Tokio gelegenen Aizu-Chuo-Krankenhaus der Patienten an, druckt Besuchern Zimmerpläne aus, bringt Blutproben ins Labor und den Ärzten die Krankenakten. Den Fahrstuhl dirigiert Hospi per Funk in die richtige Etage. Umgerechnet fast 400 Millionen Euro hat das Krankenhaus für drei Exemplare bezahlt. Kliniksprecher Naoya Narita sieht das Geld gut angelegt. Die Reaktion der Patienten sei überwältigend positiv, sagt er. „Roboter werden niemals als Ärzte fungieren, aber als Empfangsmitarbeiter und Führer sind sie sehr willkommen.“

Ähnliche Fähigkeiten wie Hospi bringt der ebenfalls rollende Serviceroboter Enon des Elektronikherstellers Fujitsu mit. Die japanische Eisenbahn und eine große Supermarktkette testen das Gefährt, in verschiedenen Museen führt es Besucher herum und erklärt die Exponate.

Schon weitverbreitet sind in Japan Wachroboter von Hitachi und Alsok. Sie patrouillieren nachts durch Büros und über Firmengelände. Sobald ihre Sensoren verdächtige Geräusche und Bewegungen wahrnehmen, schlagen sie Alarm. In Deutschland vertreibt das Berliner Unternehmen Robowatch solche Sicherheitsroboter. 16 Exemplare werden bei den Olympischen Sommerspielen in Peking nachts Sportstätten, Parkplätze und das Olympische Dorf bewachen.

Die Erfindung „My spoon“ des japanischen Spezialisten für Kontroll- und Überwachungssysteme namens Secom soll Familienangehörige und Pflegekräfte von Schwerstbehinderten, die nicht mehr allein essen können, entlasten. Das 2500 Euro teure Gerät füttert – gesteuert über Kinnbewegungen oder einen Joystick – den Menschen mit Löffel und Gabel.

Mit Toyota ist vor wenigen Jahren auch der größte Autohersteller der Welt in das Geschäft mit Servicerobotern eingestiegen. Experten erwarten, dass der Konzern bald mit einem Paukenschlag ein erstes marktreifes Exemplar vorstellen wird. Erste Prototypen lieferten auf der Weltausstellung 2005 in Aichi eine fantastische Show: Der eine Teil spielte Trompete, der andere wiegte sich im Takt der Musik dazu. Das Publikum war hingerissen. Toyota will die Roboterproduktion in wenigen Jahren zu einem hochprofitablen Geschäftszweig ausbauen. Wie Honda peilt das Unternehmen nach Schätzungen von Hitoshi Nishiwaki von der Handelskammer in Nagoya einen Umsatzanteil von 10 bis 20 Prozent an.

Noch steht die Initialzündung aus. „Trotz aller Erfolge und finanzieller Aufwendungen kann die Branche keinen wirklich kommerziell erfolgreichen Roboter vorweisen“, bedauert Shigeaki Yanai von der Japan Robot Association. Hauptproblem: Selbst den technik- und spielverrückten Japanern sind umgerechnet 2500 Euro für einen putzigen Kommunikationsroboter wie den ifBot zu viel. Der Apparat aus dem Business Design Laboratorium erkennt die Gesichter von bis zu zehn Menschen, die sich mit ihm in einfachen Sätzen unterhalten können. „Für das, was sie bieten, sind fast alle japanischen Roboter heute noch viel zu kostspielig“, sagt Yanai.

Viele Projekte haben sich verzögert, weil die Technik 100-prozentig zuverlässig sein muss, bevor sie auf Menschen losgelassen werden kann. So warten Tausende ältere und behinderte Menschen seit vier Jahren auf die Auslieferung eines motorbetriebenen Exoskeletts mit der Bezeichnung HAL (Hybrid Assistive Leg), das ihnen das Gehen und Treppensteigen erleichtern soll. Vollgestopft mit Sensorik und Mechanik unterstützt und koordiniert die Apparatur die körpereigene Muskulatur und soll seinem Träger helfen, sich mit einer Geschwindigkeit von vier Kilometer pro Stunde zu bewegen. Es gebe offenbar immer noch Sicherheitsbedenken, vermutet Yanai: „Japanische Unternehmen sind extrem vorsichtig. Denn wenn etwas schiefgeht, droht ein schwerer Imageschaden.“

Da ist Otto Bock Health Care aus Duderstadt bei Göttingen weiter. Der Medizintechnikanbieter stellte Ende vergangenen Jahres in Wien eine Armprothese vor, die der Träger mit seinen Gedanken steuern kann. „Das Einzigartige ist, dass genau die Nerven zur Steuerung verwendet werden, die auch bei intakten Armen für die Bewegungen zuständig sind“, erläutert Hans Dietl, Geschäftsführer der Wiener Otto-Bock-Niederlassung. In Europa wurde die Prothese als Erstem dem Österreicher Christian Kandlbauer eingepflanzt, der beide Arme infolge eines Starkstromunfalls verloren hatte.

In der Forschung wollen deutsche Universitäten ebenfalls Anschluss an die Japaner halten. Karlsruher Wissenschaftler schicken den 1,70 Meter großen und rund 120 Kilogramm schweren Haushaltsroboter Armar-IIIb ins Rennen. Nachdem es ihm einmal vorgemacht wurde, kann er den Kühlschrank und die Spülmaschine einräumen. Viel Wert legt Forscher Rüdiger Dillmann auf gute Manieren: „Wir wollen einen Gehilfen, der sich höflich verhält.“ Ähnlich weit haben Aachener Forscher ihren Haushaltsgehilfen „Cäsar“ entwickelt. Ist er erst einmal mit seiner Umgebung vertraut, holt er ein Glas Wasser aus der Küche oder bringt die Zeitung. Entwickler Schiffer sieht gute Chancen, „dass Cäsar in einigen Jahren als Produkt auf den Markt kommt“.

Bei Industrierobotern zählen deutsche Hersteller wie Reis und Kuka schon heute zur Weltspitze. Sie konnten ihre Verkäufe im vergangenen Jahr um 22 Prozent von 1,7 auf 2,1 Milliarden Euro steigern und rechnen in diesem Jahr mit einem Wachstum von zehn Prozent. Auch vom vorhergesagten Boom der Serviceroboter wollen sie profitieren. Geschäftsführer Thilo Brodtmann vom VDMA-Fachverband Robotik + Automation ist optimistisch: „Wir haben beste Absatzchancen.“

Gehorchen Roboter künftig auf Gedankenbefehle? Der Neurowissenschaftler Miguel Nicolelis von der Duke-Universität im US-Bundesstaat North Carolina hält das für ausgemacht. Mit einem aufsehenerregenden Experiment hat er diesen Januar einen ersten Beweis angetreten: Eine Affendame namens Idoya setzte mit ihren Bewegungen auf einem Laufband in der Universität einen Roboter im japanischen Kyoto in Gang. Elektroden erfassten die Gehirnströme der Äffin und übertrugen sie per Internet an die elektronische Steuerung des Roboters, der auf seinem Laufband die gleichen Bewegungen wie Idoya ausführte. Nicolelis zeigt sich begeistert: „Das Gehirn ist kein undurchdringliches Teil mehr. Wir können hineingehen und seine Gedanken lesen.“

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