Transrapid Chinas Konkurrenzmodell

Chinas Konkurrenzmodell zum Transrapid ist bisher nur ein Prototyp. Doch schon in fünf Jahren könnten der deutsche Vorzeigezug und der japanische Maglev vom chinesischen Rivalen überholt werden. Geht dabei alles mit rechten Dingen zu?

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Manager haben bisweilen ihre eigene Sprache, deren Vokabular vom Alltagsgebrauch deutlich abweicht. Ein „Strategiewechsel“ etwa ist das Eingeständnis einer Niederlage. Und wenn ein Konzern verlauten lässt, man sehe einen Vorstoß der Konkurrenz „ganz gelassen“, herrscht in Wahrheit längt Panik. So wie derzeit beim deutschen Transrapidkonsortium aus Siemens und ThyssenKrupp. „Wir bleiben gelassen, ohne überheblich zu sein“, kommentierte Siemens trocken die Ankündigung der staatlichen China Aviation Industry Corporation (CAC), im Juli mit Tests für eine eigene Magnetschwebebahn unter dem Projektnamen CM1 Dolphin zu beginnen. Dabei geht es jetzt für das deutsche Konsortium um alles oder nichts. Sollte es den Chinesen gelingen, ihre eigene Magnetbahntechnik in wenigen Jahren zur Serienreife zu bringen – eine Nahverkehrsversion, die maximal Tempo 150 schafft, hat eine andere Entwicklergruppe in China bereits bis zum Praxistest gebracht –, dürfte der mit Milliarden an Forschungsgeldern entwickelte Transrapid auf dem Abstellgleis landen. Derzeit ähnelt die Situation stark einer Pokerpartie, in der alle Parteien zu erraten versuchen, wie gut das Blatt des Gegners ist. Bisher ist über den angekündigten chinesischen Zug so gut wie nichts bekannt – es gibt nur ein paar Bilder von einem angeblich inzwischen schon wieder überholten Prototypen sowie einige nebulöse Andeutungen der Projektbetreiber. Dennoch raten westliche Experten dem Transrapidkonsortium, den Delfin ernst zu nehmen. „Die Chinesen forschen seit 20 Jahren an der Technik“, sagt Peter Mnich, der Chef des deutschen Instituts für Bahntechnik (IFB). „Sie könnten in fünf Jahren ihre Magnetbahn zur Marktreife bringen.“

Technologisch ist aus China allerdings keine Revolution zu erwarten. Die Magnetschwebetechnik ist prinzipiell gleich, egal, ob es sich um den deutschen Transrapid, den japanischen Maglev oder den chinesischen Delfin handelt. Sie basiert auf einem deutschen Patent von 1937, das mittlerweile international frei genutzt werden kann. Die Fahrzeuge werden von so genannten Langstatormotoren angetrieben. Diese bestehen aus nahtlos aneinander gereihten elektrischen Spulen im Fahrweg und im Fahrzeug selbst. Im Fahrweg wird ein wanderndes Magnetfeld erzeugt, das sich auf die Spulen im Fahrzeug überträgt und diese vorwärts bewegt. Die Magnetfelder müssen stets genau dort erzeugt werden, wo sich der Zug gerade befindet. Bei Spitzengeschwindigkeiten über 500 Kilometer pro Stunde ist das Wechselspiel der Magnete im Rhythmus von Anziehung und Abstoßung keine triviale Aufgabe. Hier liegt der eigentliche Know-how-Vorsprung des deutschen Konsortiums. Der Antrieb hingegen ist Stand der Technik. Die Japaner haben die Technik vorangetrieben, als beim 552 Stundenkilometer schnellen Prototyp die Magnetspulen zusätzlich mit flüssigem Helium gekühlt wurden, um Strom zu sparen. Vorbild für die Chinesen ist aber der deutsche Transrapid, dessen Technik sie in den vergangenen Jahren ausgiebig studiert haben. Schon während des Baus der 30 Kilometer langen Strecke in Shanghai hatten die Chinesen von den Deutschen die Herausgabe vieler Blaupausen erzwungen. Zudem verschafften sich im November 2004 Mitarbeiter des „Commander Wu“ titulierten Transrapidbeauftragten Wu Xiangming zu nächtlicher Stunde Zugang zur Wartungsstation des Transrapid.

Während die Bundesregierung prüfen lässt, ob die Chinesen Ideenklau betrieben haben, pochen die CAC-Ingenieure auf ihren Erfindergeist: Sowohl das Antriebs- wie auch das Steuerungssystem ihres Prototyps beruhten vollständig auf eigener Technologie. Westliche Experten halten das für glaubwürdig. „Ich beobachte die chinesische Entwicklung seit vielen Jahren“, sagt Bahninstitutschef Mnich. „Das ist ihre Technologie, das muss man anerkennen.“ So wie viele chinesische Entwicklungserfolge der vergangenen Jahre sei auch der Magnetzug Teil des chinesischen Hochtechnologieprogramms 863, mit dem die Zentralregierung die Forschungskapazität seiner Universitäten, Institute und Unternehmen bündelt. So sei die Magnettechnik ein Gemeinschaftsprodukt der Verkehrsuniversität Xinan und der Pekinger Universität für Verteidigungstechnik. Die Züge selbst, die zunächst auf 27 Metern zwischen 60 und 90 Passagieren Platz bieten sollen, sind ein Produkt von CAC, einem 1958 gegründeten Flugzeughersteller aus der zentralchinesischen Stadt Chengdu. Experten gehen davon aus, dass die Bauweise des Delfins der von Flugzeugen gleicht. Der erste Testzug wird derzeit in Chengdu unter größter Geheimhaltung gebaut. Nach der geplanten Fertigstellung im April soll er nach Shanghai transportiert werden, wo die Tongji-Universität eine 1,7 Kilometer lange Teststrecke betreibt.

Dass die Deutschen derzeit noch einen großen Technologievorsprung haben, geben die Chinesen unumwunden zu. „Noch ist es für uns unmöglich, einen Zug von der Qualität des Transrapids zu bauen“, sagt Li Fu, Professor an der Xinan-Verkehrsuniversität. Es werde „noch mindestens acht Jahre“ dauern, bis China den „Flug auf Höhe null“ vollständig beherrscht. „Die chinesische Magnetbahn ist ein Prototyp, der zunächst mit maximal 100 Kilometer pro Stunde erprobt werden soll. Unsere Magnetbahn wird dagegen seit drei Jahren kommerziell betrieben“, beruhigt sich Peter Wiegelmann, Sprecher Vermarktungsgesellschaft Transrapid-International. Immerhin habe das Transrapidkonsortium bis zur ersten kommerziellen Anwendung in Shanghai acht Prototypen verschlissen. Dafür haben die Chinesen den Deutschen die Betriebserfahrung voraus. Das könnte die Entwicklung des Delfins zur Serienreife erheblich beschleunigen. Zudem sind die Chinesen ganz legitime Eigentümer der Technik des Fahrwegs, der aus Stützen und einer Betonbahn besteht, in die elektrotechnische Systeme integriert sind. Diesen Kauf des Know-hows hat Deutschland vor ein paar Jahren mit einem Zuschuss von 50 Millionen Euro aus Steuergeldern gefördert.

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