Treibstoff Sonne in den Tank

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Fahren mit Luft, Wasser und Wind

Zunächst setzen die Tankrevolutionäre dabei Wasser unter Strom, damit es sich im Zuge der sogenannten Elektrolyse in seine Einzelteile Sauerstoff und Wasserstoff trennt. Im zweiten Schritt verkuppeln sie den gewonnenen Wasserstoff mit dem Treibhausgas CO2. Beim Tête-à-Tête der Gase entsteht bei Solarfuel Erdgas. Sunfire produziert ein Synthesegas, das in einer weiteren chemischen Reaktion zu Benzin, Diesel oder Kerosin verarbeitet wird.

Daneben eignen sich die synthetischen Stoffe auch als gleichwertiger Ölersatz für die chemische Industrie. Sie benötigt den fossilen Rohstoff unter anderem zur Herstellung von Plastik, Dünger und Farben.

Ganz neu ist der Ansatz, aus Wasserstoff, CO2 und Strom Kraftstoff zu erzeugen, nicht. Einer der Pioniere ist Bodo Wolf, der Gründer des Biokraftstoffherstellers Choren aus Freiberg in Sachsen. Der Ingenieur erforschte bereits in den Siebzigerjahren in der DDR verschiedene Syntheseverfahren für Treibstoffe. Seine Kollegen hielten Wolf damals für einen Träumer. „Unmöglich“, hieß es, und Wolf verlegte sich darauf, Sprit aus Pflanzen zu gewinnen; klassische Biokraftstoffe eben. Nun hat Wolf seine Ideen und Patente für fotosynthetisches Benzin – mit einigen Jahrzehnten Verspätung – als Initiator bei Sunfire eingebracht.

Benzin als Grünstromspeicher

Mit einer ähnlich spektakulären Technik machte im März der Unternehmer und Wissenschaftler Alexander Krajete auf dem grünen Investorentreffen Ecosummit in Berlin von sich reden: In zwei Anlagen an der Technischen Universität Wien, die mit ihren Stahlrohren und dem großen » » Kessel an kleine Raffinerien erinnern, stellt er in seinem Unternehmen Green-thitan winzige Tierchen in den Dienst der Treibstoffproduktion. Es sind sogenannte Archaeen, Mikroben, die unter anderem die lebensfeindliche Umgebung von Tiefsee-Vulkanen besiedeln. Die Einzeller gehörten vor mehr als drei Milliarden Jahren schon zu den ersten Lebewesen auf der Erde, noch bevor es Sauerstoff gab.

Ihr Hunger auf CO2 und Wasserstoff macht sie nicht nur für Biologen interessant. Denn während sich die Mikroorganismen ernähren, produzieren sie Methan – den Hauptbestandteil von Erdgas. Statt wie Sunfire und Solarfuel auf eine chemische Reaktion von Wasserstoff und CO2 zu setzen, verfüttert Krajete die Gase an seine Archaeen. Der Österreicher glaubt, dass die Mikroben im industriellen Maßstab energiesparender und schneller Erdgas produzieren als ein chemischer Prozess.

Ob mit oder ohne Urzeit-Mikroben, am Ende erreichen Sunfire, Solarfuel und Greenthitan das Gleiche: Ihre Synthesetreibstoffe, Benzin oder Erdgas, setzen nicht mehr Treibhausgas CO2 frei, als zu ihrer Produktion verwendet wurde. Zudem kann das CO2 sogar aus den Abgasen fossiler Kraftwerke, aus der Luft oder aus Biogasanlagen abgezweigt werden. Auch der Wasserverbrauch ist gering, weil Sunfire & Co. selbst Abwasser oder Salzwasser nutzen können und ein Großteil des Wassers im Prozesses recycelt werden kann.

Dennoch haben die Synthesetreibstoffe den gleichen Energiegehalt wie ihre fossilen Vorbilder. Mit Diesel, wie ihn Sunfire herstellt, so bestätigt der Autohersteller Volkswagen, können „alle Fahrzeuge“ ohne Einschränkung betankt werden. Im Gegensatz zum umstrittenen E10-Benzin greift Synthesesprit Motoren nicht an. Auch das Erdgas von Solarfuel und Greenthitan können Gasautos problemlos tanken.

Kerosin, wie es im Sunfire-Verfahren entsteht, will die Lufthansa erproben, um es Flugzeugtreibstoff beizumischen. Nur fotosynthetisches Benzin müssen die Sunfire-Gründer an heutige Motoren anpassen und in einer Raffinerie veredeln lassen.

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