Umwelt Grüner Wahnsinn mit erneuerbaren Energien

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Biosprit ist schon länger Quelle: AP

140 börsennotierte Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von jeweils wenigstens 40 Millionen Euro zählte das Netzwerk Ren21 im vergangenen Sommer. Zusammen kamen sie auf einen Börsenwert von über 100 Milliarden Euro. Zu den Schwergewichten der Branche zählen auch deutsche Unternehmen: Enercon und Nordex als führende Hersteller von Windkraftanlagen, Siemens mit Windenergieanlagen, Voith Siemens Hydro Power mit seinen weltweit eingesetzten Wasserkraftwerken, Q-Cells aus Sachsen-Anhalt als größter Solarzellenproduzent der Welt. In der Solarthermie mischt Viessmann vorne mit, bei den Biogasanlagen Lurgi, in der Wasserstofftechnik der Linde-Konzern. Hinzu kommen unzählige Mittelständler. Insgesamt erzielten die deutschen Hersteller 2007 mit Umwelttechnik rund zwölf Milliarden Euro Umsatz, knapp die Hälfte davon mit Windenergie, ein Drittel mit Solarenergie. Mit 20 Prozent Weltmarktanteil bei den erneuerbaren Energien liegt Deutschland – zusammen mit Japan und den USA – in der Spitzengruppe. Bei Biogasanlagen kommen die heimischen Produzenten sogar auf 65 Prozent, bei der Fotovoltaik auf 41 Prozent.

Und ihre Perspektiven gelten weiterhin als gut: Der weltweite Markt für umweltfreundliche Energieerzeugung wird nach Einschätzung der Unternehmensberatung Roland Berger von jetzt rund 45 Milliarden auf bis zu 250 Milliarden Euro im Jahr 2020 anwachsen. Allein die Nachfrage nach Solarzellen soll jährlich um 20 Prozent steigen. Die Windenergie könnte sogar noch stärker zulegen.

Allerdings muss sich die Branche auf eine Kappung der üppig sprudelnden Fördergelder einstellen. Die Bundesregierung hat Ende 2007 eine Novelle des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) beschlossen. Das Gesetz garantiert den Betreibern von Wind-, Biomasse- und Solaranlagen, dass sie ihren Strom in unbegrenzter Höhe ins öffentliche Netz einspeisen dürfen – zu festen Tarifen, die teils deutlich über den Marktpreisen liegen. Während der Börsenpreis für konventionell erzeugten Strom bei etwa sechs Cent pro Kilowattstunde liegt, kostet Windstrom rund acht Cent pro Kilowattstunde – und ist damit im Vergleich zu Solarstrom noch relativ günstig. Doch das EEG sieht heute für Strom aus Sonne eine Einspeisevergütung von bis zu 50 Cent pro Kilowattstunde vor, also mehr als das Achtfache des Börsenpreises – und das, obwohl noch nicht einmal ein Prozent der Elektrizität aus Fotovoltaikanlagen stammt. Das könnte sich nun ändern. Der Gesetzentwurf von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel soll in den nächsten Wochen im Bundestag verabschiedet werden. Er sieht vor, die Einspeisevergütung 2009 um neun Prozent zu kürzen, im Folgejahr um sieben und von 2011 an um jährlich acht Prozent.

Für Gabriel bedeutet das einen schwierigen Spagat. Einerseits sollen die Kosten für den Steuerzahler sinken. Auf der anderen Seite aber soll der Anteil von Wind, Sonne, Wasser und Biomasse an der Stromerzeugung in Europa bis zum Jahr 2020 von derzeit 8,5 auf 20 Prozent steigen. Die EU-Kommission hat dazu allen 27 Mitgliedstaaten konkrete Ziele vorgegeben. Alle Länder müssen bis dahin mindestens 5,5 Prozent mehr erneuerbare Energien einsetzen. In Deutschland soll der Anteil erneuerbarer Energie auf 18 Prozent steigen – heute liegt er bei neun Prozent. Beim Biostrom betrug der Anteil nach Erhebungen des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) 2007 schon 14 Prozent. Bis 2020 will Gabriel auf 40 Prozent kommen.

Ehrgeizige Ziele. Doch ob sie sich erreichen lassen, ist fraglich. Denn einige der Ökoenergien stoßen in Europa schon an Wachstumsgrenzen. „Wind hat von allen erneuerbaren Energien bisher die vielversprechendsten Ergebnisse geliefert“, findet EU-Energiekommissar Andris Piebalgs und weist darauf hin, dass Wind bereits vier Prozent der EU-Stromnachfrage deckt. Bis 2020 soll der Anteil von Wind am Strommix auf zwölf Prozent steigen, ein Drittel davon sollen Offshore-Anlagen vor der Küste liefern. Der Verband der Europäischen Windenergiehersteller (EWEA) bezweifelt aber, ob der starke Anstieg der vergangenen Jahre aufrecht erhalten werden kann. „Ich denke nicht, dass wir so hohe Wachstumsraten wie in den vergangenen Jahren sehen werden“, sagt EWEA-Chef Christian Kjaer. In Deutschland beispielsweise fehlt es dazu an Netzinfrastruktur. Außerdem leidet die Windkraftbranche unter steigenden Kosten für Kupfer und Stahl. In Europa fehlen außerdem Techniker und Ingenieure mit den benötigten Fachkenntnissen. Obendrein wirft die Einspeisung des Windstroms in die Netze große Probleme auf. Kjaer: „Das sind enorme Herausforderungen.“

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