




Trägt jeder von uns künftig sein Kleinkraftwerk direkt am Leib – eingewoben in die Kleidung? Und lädt, sofern er in der Sonne spaziert, mit ihm sein Smartphone auf?
Wenn sich die Idee von Forschern der Fudan- und der Tongji-Universität in Shanghai bewährt, die sie jüngst in der angesehenen Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ vorgestellt haben, dann sind solche textilen Solarzellen zum Anziehen ganz nahe. Die Wissenschaftler haben ein Gewebe aus dünnen Titandrähten und feinen Fäden aus Nanoröhrchen entwickelt und darin spezielle Farbstoffmoleküle eingelagert. Einfallendes Licht regt diese an, Strom zu produzieren. Eine Leuchtdiode haben die chinesischen Forscher mit ihrer Erfindung schon zum Glühen gebracht. Ein Anfang.
Die Meldung aus China ist ein Beispiel für einen globalen Trend. Mit raffinierten Techniken verwandeln Entwickler überall auf der Welt Gegenstände in solare Kraftwerke: Autodächer, durchsichtige Hausfassaden, Rucksäcke und Handys. Jetzt folgt eben der Mensch. Die Eigenversorgung mit billigem Solarstrom wird zur globalen Massenbewegung.
Bei der weltgrößten Solarmesse Intersolar in München wollte die Branche kürzlich noch eines beweisen: Sonnenstrom ist auch ohne staatliche Subvention wirtschaftlich. Er soll zur alltäglichen, erschwinglichen Energiequelle für jedermann werden – ob Hausbesitzer, Mieter oder Nutzer elektrischer Geräte.
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Fotovoltaik
1. China überholt alle
Dramatischer könnte sich der weltweite Fotovoltaikmarkt kaum wandeln. Noch vor zwei Jahren dominierten ihn deutsche Investoren. Sie stellten hierzulande Anlagen mit einer Leistung von 7600 Megawatt (MW) auf – mehr als jedes andere Land. Jetzt stürzt der einstige Primus auf Rang vier ab. Künftig bestimmen Prognosen der US-Marktforscher von IHS zufolge andere die Entwicklung. China baut demnach dieses Jahr mit Abstand am meisten zu: rund 13.400 MW. Aber auch Japan und die USA überflügeln Deutschland, wo voraussichtlich nur knapp 2800 MW ans Stromnetz gehen (siehe Grafik).
Insgesamt werden laut IHS auf allen fünf Kontinenten 46.000 Megawatt Grünstrommodule neu installiert. Das entspricht rechnerisch der Leistung von rund 46 großen Kohlekraftwerken. Fotovoltaik wird zum Megageschäft.

Deutschlands solarer Absturz entbehrt nicht einer gewissen Tragik. Denn ausgerechnet in unseren von der Sonne wenig verwöhnten Regionen reifte die junge Technik dank der üppigen, staatlich garantierten Einspeisevergütungen zur Blüte heran. Hersteller aus aller Welt, allen voran aus China, fanden hier genügend Absatz, um ihren Systemen die Kinderkrankheiten auszutreiben und sie über große Stückzahlen und effizientere Produktionstechniken massiv zu verbilligen.
Kostete die Kilowattstunde Solarstrom anfangs noch 50 Cent und mehr, produzieren heutige Spitzenmodule sie an ergiebigen Standorten schon für weniger als zehn Cent. In Kalifornien mitunter sogar für umgerechnet weniger als fünf Cent.
Der Effekt: In immer mehr Ländern schaffen Geschäfts- und Privatleute Solaranlagen an, um den teureren Stromtarifen der Energieversorger zu entgehen. Die steigenden Stückzahlen werden die Preise für die Fotovoltaiksysteme weiter sinken lassen – der Solarboom nährt sich selbst.