Bisher hat sich niemand groß daran gestört, weil die Schattenbäume die Qualität der Weide nicht mindern: Unter den Palmen wächst genauso viel Gras wie daneben, stellten Averdunk und ihre Kollegen in ihrer Machbarkeitsstudie fest. Vereinzelt werden die Früchte schon als Viehfutter oder zur Seifenherstellung genutzt. Doch auf die Idee, die Palmfrüchte in großem Stil als Biorohstoff zu verwerten, kam bisher niemand.
Genau das wollen die Lüneburger jetzt forcieren. Derzeit suchen sie Finanziers, um zusammen mit einer Milchkooperative nicht nur bereits stehende Macauba-Palmen abzuernten, sondern auf 2000 Hektar Fläche auch neue zu pflanzen. Allein im Bundesstaat Minas Gerais haben sie zehn Millionen Hektar Weideflächen ausgemacht, auf denen noch keine Macauba-Palmen wachsen, die dafür aber gut geeignet wären.
In ganz Brasilien, dem drittgrößten Rindfleischproduzenten der Welt, könnte so etwa die Hälfte des 170 Millionen Hektar umfassenden Weidelandes mit der neuen Rohstoffpflanze bestellt werden, „ohne Tieren oder Menschen Konkurrenz zu machen“, sagt Projektleiterin Averdunk. Denn es würde weder zusätzlicher Regenwald gerodet, noch kostbares, für die Lebensmittelproduktion benötigtes Ackerland dafür verbraucht – und die Rinder hätten in Zukunft in ganz Brasilien Bäume, die Schatten und hin und wieder süße Früchte spenden.
Der Ertrag könnte dann alleine in Brasilien bei über 80 Millionen Tonnen Macauba-Öl liegen, hat Averdunk errechnet. Das würde sogar die weltweite Produktionsmenge des bisher wichtigsten Pflanzenöls, dem Palmöl, von jährlich 53 Millionen Tonnen übertreffen.
Doch Averdunk und Zelt wissen, wie schwierig es ist, neue Nutzpflanzen zu etablieren, seien es ölhaltige Bäume wie Moringa und Jatropha oder schnellwüchsige Ölpflanzen wie das Ackerhellerkraut und der Leindotter. Deshalb klopften die beiden, die sich seit Jahren mit erneuerbaren Energien und Biokraftstoffen beschäftigen, die Sache zuerst systematisch auf ihre Marktchancen ab. Ein entscheidender Vorteil sei, dass die Macauba-Palmen schon stehen, sagt Averdunk: „Wir müssen nicht erst jahrelang warten, bis sie zum ersten Mal Früchte tragen.“