Als der Kachowka-Staudamm am Dnepr brach, ergoss sich eine Flutwelle den Fluss hinab bis zur Stadt Cherson. Das Wasser strömt noch immer, Tausende sind auf der Flucht, das Ausmaß der Zerstörung längst nicht vollständig abzuschätzen. Satellitenaufnahmen aber zeigen, wie die betroffene Gegend vor der Katastrophe aussah. Die Bilder geben einen Eindruck davon, dass die ohnehin gebeutelte Wirtschaft in der Region, massiven Schaden erlitten haben wird.
Die wichtigste Industrie Chersons war vor dem Krieg der Schiffbau. Auch wenn hier Arbeiten seit dem Überfall auf die Ukraine nur noch eingeschränkt möglich waren, wurde in den Werften zumindest bis in den Herbst gearbeitet. Darauf deuten Satellitenbilder hin, die im Oktober und November noch deutliche Schiffsbewegungen zeigen. Viele dieser Werftanlagen dürften durch die Flutwelle jetzt beschädigt worden sein.
Besonders hart trifft das Wasser zudem jene landwirtschaftlichen Ortschaften südöstlich der Stadt, Ortschaften wie Oleschky, oder etwas flussaufwärts Pishchanivka. Die liegen zum Teil unmittelbar an der Flutrinne. Oft sind es kleine Häuschen mit angeschlossener Gärtnerei. Auf Satellitenbildern sind hier hunderte Gewächshäuser zu erkennen.
Direkt in der Nachbarschaft, ebenfalls nahe der Flutrinne in Oleschky, befindet sich die Papier- und Kartonfabrik Dunapack Tavria. Hinter der steht die österreichische Prinzhorn Gruppe. Die hatte allerdings schon Mitte Mai mitgeteilt, dass die Fabrik komplett zerstört sei und eine Härtefallstiftung für deren ehemalige Beschäftigte eingerichtet.
Bereits ganz zu Beginn des Krieges war Cherson Schauplatz von Gefechten. Russische Truppen hatten von der Halbinsel Krim aus am 22. Februar 2022 eine Offensive gestartet. Am 2. März nahmen sie die Stadt ein – und mit ihr auch die umliegenden Gegenden. Im November 2022 mussten sich die Russen allerdings wieder aus Cherson zurückziehen, nach einer Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte. Zuvor hatten sie alle verbliebenen Einwohner aufgefordert, die Stadt zu verlassen.
Die lokalen Behörden erwarten nun, dass das Flutwasser aus dem Stausee am Mittwochmorgen seinen Höhepunkt erreichen wird. Tausende Menschen, die geblieben oder zurückgekehrt waren, werden aus den überschwemmten Gebieten evakuiert. Dass der Fluss wieder zurück auf den normalen Pegel fällt, wird in drei bis vier Tage erwartet.
Die Ukraine und Russland beschuldigen sich derweil gegenseitig, den Damm in die Luft gesprengt zu haben. In den sozialen Medien kursiert ein angebliches Video einer Überwachungskamera, das die Explosion zeigen soll. Für die Energieversorgung der Ukraine hat der Damm heute offenbar kaum noch eine Bedeutung. Der Strombedarf im Land ist durch den Krieg so weit gesunken, dass es zurzeit sogar Energie exportiert.
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