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Architektur Alte Gebäude im neuen Gewand

Der deutsche Beitrag zur Architektur-Biennale in Venedig lenkt den Blick auf die bestehende Bausubstanz. Neue, interessante Architektur entsteht heute durch das Weiterbauen an den alten Beständen der Stadt.

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Naturkundemuseum Berlin Quelle: dpa

Wir bauen eine neue Stadt – so hieß die zukunftsfrohe Fanfare, mit der Paul Hindemiths gleichnamige Kinderoper Ende der Zwanzigerjahre die Vision einer neuen, besseren Welt beschwor. Heute, fast hundert Jahre später, da die Erneuerungsversprechen der Moderne Patina angesetzt haben, müsste Hindemiths Refrain aktualisiert werden: „Wir bauen in der alten Stadt“ – wenn wir überhaupt bauen.

„Weniger ist mehr“, dieser in die Jahre gekommene Slogan der Bauhaus-Moderne erweist sich heute als Mantra eines Bauens, das sich im behutsamen Umgang mit den bestehenden Gebäuden übt. Zurückhaltung ist erste Architektenpflicht. Jedenfalls sieht das der Münchner Architekt Muck Petzet so, der Kurator des deutschen Pavillons auf der 13. Architektur-Biennale, die am 29. August in Venedig eröffnet wird. Petzets Lieblingsanekdote erzählt von den Architekten Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassel: Nachdem sie den Wettbewerb für die Umgestaltung eines Platzes in Bordeaux gewonnen hatten, besannen sie sich auf dessen bestehende Qualitäten und ließen ihn so, wie er war.

Ostflügel des Naturkunde-Museums Quelle: dpa

Derlei „Projekte der Nicht-Änderung“, des klugen Unterlassens, stehen Modell für das Motto des deutschen Pavillons: „Reduce-Reuse-Reycle“, ein Begriffstrio, das der Abfallwirtschaft entlehnt ist und von Petzet so interpretiert wird: Vermeiden-Weiterverwenden-Wiederaufbereiten. Das klingt schrecklich ökologisch korrekt nach neuer Bescheidenheit, nach Abkehr von der Herrschaft des Immer-Mehr. Tatsächlich steckt im Programm des deutschen Pavillons eine schlichte Erkenntnis: Dass wir in Zukunft, aus Gründen der Energieeinsparung und der demografischen Entwicklung, viel weniger neue Häuser bauen werden. Schon heute, so Petzet, erfolgen 80 Prozent des deutschen Bauvolumens in fertigen Häusern. Hier setzt der Pavillon an: Er will eine Schule der Wahrnehmung sein, will den Blick schärfen für den Wert des Vorhandenen, für die Qualität dessen, was uns umgibt.

Verblüffende Präzision

Das beginnt mit dem Ausstellungsraum: „Wir sind mit der Schau möglichst eng an der bestehenden Architektur des Pavillons geblieben“, verspricht Petzet, der ein paar Ausstellungsbilder an die Wand seines Münchner Büros gepinnt hat. Eine der wenigen Ausnahmen von der Regel der selbstverordneten Zurückhaltung: der Eingang, der an die Seite verlegt wurde, um die Monumentalität des Pavillons zu dämpfen, und eine neue Rampe, die aussehen soll, „als habe sie hier schon immer gestanden“.

So unscheinbar der Anbau daherkommt, so programmatisch steht er für den Umgang mit dem Bestand, den die Ausstellung im Innern des Pavillons dokumentieren will: Ob neue Bauteile den alten angefügt oder implantiert werden – nicht das kontrastierende Neben- und Gegeneinander, wie es spektakulär etwa Daniel Libeskind mit seinem Metallkeil im neobarocken Bau des Militärhistorischen Museums in Dresden vorführt, sondern das zwanglose Zusammenwirken, die Verzahnung der Bau- schichten und Materialien im Sinne einer einheitlichen Wirkung, gehört zu den Strategien, die jüngst Schule gemacht haben.

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