
Jeden Tag werden in Deutschland Bodenflächen in der Größe von mehr als 100 Fußballfeldern überbaut. Ein Viertel der Ackerflächen ist zudem von Bodenerosion betroffen. Gleichzeitig werden Agrar- und Verbrauchsgüter importiert, deren Produktion mit 80 Millionen Hektar mehr als das Doppelte der hiesigen Landesfläche in Anspruch nimmt. Auf dieses wachsende Missverhältnis, das in ähnlichem Ausmaß auch auf die gesamte EU zutrifft, macht ein neuer Bodenatlas aufmerksam - und mahnt im Internationalen Jahr des Bodens zu mehr Schutz.
Fleischproduktion hat Mitschuld am Flächenverlust
Die Heinrich-Böll-Stiftung, das Nachhaltigkeits-Institut IASS, die Umweltschutzorganisation BUND und die Monatszeitung „Le Monde diplomatique“ stellten den Atlas am Donnerstag erstmals in Berlin vor. In der Tradition des bekannten Fleischatlanten werden darin verschiedenste Aspekte des Themas zusammengefasst.
„Die EU ist der weltweit größte „Importeur“ von Landflächen. Das meiste davon geht auf das Konto der intensiven Fleischproduktion“, kritisierte Böll-Stiftungsvorstand Barbara Unmüßig.
Die Deutschen stehen auf Wurst und Fleisch
Für viele Deutsche ist ein Frühstück ohne Wurst kaum vorstellbar. Eine repräsentative Befragung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat ergeben, dass 85 Prozent aller Deutschen den Verzehr von Fleisch und Wurst als „selbstverständlich und naturbewusst“ ansehen. 83 Prozent der Befragten wollen unter keinen Umständen auf den Verzehr von Fleisch und Wurstwaren verzichten.
Die Studie zeigt, dass jeder zweite Deutsche zumindest einmal am Tag Wurst oder Fleisch verzehrt. Ein Viertel der Befragten hat ein schlechtes Gewissen, wenn er an die geschlachteten Tiere denkt. Knapp 42 Prozent achten beim Fleischeinkauf jedoch insbesondere auf einen möglichst günstigen Preis.
Über 80 Prozent der Befragten essen gerne gegrilltes Fleisch und gegrillte Würstchen. Das Grillen ist eines der beliebtesten Hobbys der Deutschen und ganz klar eine Männerdomäne. Sechs von zehn Befragten sind der Meinung, dass „Männer einfach mehr Fleisch zum Essen brauchen als Frauen.“ Frauen sind hingegen weniger häufig bedingungslose Fleischesser. Sie haben nicht nur häufiger gesundheitliche Bedenken beim Fleischkonsum, sie achten auch eher auf die Herkunft des Fleisches.
Nur etwas mehr als jeder Dritte (36 Prozent der Befragten) gab an, beim Fleischkonsum vorsichtiger geworden zu sein. Die Fleischskandale der vergangenen Jahre haben zu einem Umdenken bei vielen Fleischkonsumenten geführt: Ein Drittel der Studienteilnehmer sagt, dass eine vegetarische Ernährung gesünder sei. Außerdem könne der Verzicht auf Fleisch Gesundheitsrisiken vorbeugen.
Während sich ein Großteil der Befragten beim Fleischkonsum mit gesundheitlichen Risiken konfrontiert sieht, verzichten nur 15 Prozent generell auf Fleisch. Lediglich drei Prozent gaben an, sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren. Zwölf Prozent der Befragten kaufen ausschließlich Bio-Fleisch. Allerdings legen 65 Prozent der Befragten laut der Studie keinen besonderen Wert auf die artgerechte Haltung der Tiere.
Doch nach Meinung vieler Befragter ist Fleisch nicht gleich Fleisch: 58 Prozent der Befragten gaben an, Geflügel – sogenanntes „weißes Fleisch“– sei gesünder als „rotes Fleisch“ von Rind oder Schwein. Doch die Geflügelskandale der vergangenen Jahre beunruhigen die deutschen Fleischkonsumenten. 29 Prozent kaufen ihr Fleisch deshalb direkt bei Bauern oder Erzeugern.
Fleischkonsum als Gruppenzwang? Knapp 19 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, weniger Fleisch und Wurst einkaufen zu wollen, Familie oder Partner wollten aber nicht auf Fleisch verzichten. Insbesondere Frauen haben ein ambivalentes Verhältnis zum Fleischkonsum. Ein Viertel der weiblichen Studienteilnehmer gab an, zumindest zeitweise auf den Verzehr von Fleisch oder Wurstwaren zu verzichten.
Alter, Bildung und Herkunft der Befragten spielten eine Rolle: So achten 54 Prozente der 20- bis 29-Jährigen beim Fleischeinkauf auf einen günstigen Preis. Dagegen haben 34 Prozent der Jüngsten (14- bis 19-Jährige) ein schlechtes Gewissen, wenn sie beim Fleischkonsum an die geschlachteten Tiere denken. Menschen mit höherer Schuldbildung essen weniger Fleisch, als Menschen mit niedriger Bildung. In den neuen Bundesländern waren 90 Prozent aller Befragten der Meinung, dass Fleischessen beim Menschen naturbedingt ist.
Die durch den „Wort & Bild Verlag“ veröffentlichte Studie wurde von der GfK-Marktforschung vom 9. bis zum 27. August 2013 als telefonische Befragung durchgeführt. In diesem Rahmen wurden 2094 Befragte im Alter ab 14 Jahren befragt. Die nach Quoten gezogene Stichprobe gilt als repräsentativ für die Bundesrepublik Deutschland.
Außerdem wirke sich die intensive Bodennutzung stark auf die weltweiten Ökosysteme aus, ergänzte Prof. Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister, Leiter des Umweltporgramms der Vereinten Nationen und heute für IASS tätig.
Schließlich seien die Böden neben den Meeren die wichtigsten Kohlendioxid-Speicher. Die Freisetzung von CO2 aus den Böden durch nicht nachhaltige Bewirtschaftung sei nur eines der Probleme durch Intensivnutzung. „Und was wir bei der Auslagerung unseres Boden-Fußabdrucks gerne vergessen: Wo wir unseren Fuß dann hinsetzen, steht ja schon ein anderer Fuß“, sagte Töpfer.
Deutschland verliert täglich mehr als 100 Fußballfelder Boden
Auch die steigenden Bodenpreise bereiten laut Atlas zunehmend Probleme, denn die Agrarpolitik der EU und Deutschlands fördere vor allem das Wachstum von Großbetrieben. Insbesondere im Osten Deutschlands und Europas sei der Landbesitz mittlerweile in den Händen weniger konzentriert. Binnen eines Jahrzehnts kletterten die Landpreise in Ostdeutschland um 100 Prozent, in Rumänien gar um 1800 Prozent, so der Atlas. Die Folge: „Kleinbetriebe und Kleinbauern müssen oft aufgeben, weil sie nicht mehr konkurrieren können“, sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger.
Städte- und Straßenbau fressen in Deutschland Tag für Tag mehr als 70 Hektar Bodenfläche - das entspricht mehr als 100 Fußballfeldern. Ein Viertel aller Ackerflächen, also rund drei Millionen Hektar, sind zudem von Wind- und Bodenerosion bedroht. Das geht aus dem umfangreichen Bodenatlas hervor, der am Mittwoch erstmals in Berlin vorgestellt wurde. Zugleich importiert Deutschland Agrar- und Verbrauchsgüter, deren Produktion mit knapp 80 Millionen Hektar mehr als das Doppelte der eigenen Landesfläche in Anspruch nimmt. Ähnlich sieht es in Europa aus. „Die EU ist der weltweit größte „Importeur“ von Landflächen. Das meiste davon geht auf das Konto der intensiven Fleischproduktion“, sagte Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung.