




Angesichts bekannt gewordener Sicherheitsbedenken bei Castor-Behältern haben die Grünen eine rasche Aufklärung verlangt. „Die Sicherheit der Atombehälter muss überall lückenlos gewährleistet und dokumentiert sein“, sagte Parteichefin Simone Peter am Sonntag in Berlin.
Niedersachsen hatte einen Transportstopp für Castor-Behälter im Land verhängt. „Das Problem ist nicht auf Niedersachsen beschränkt“, sagte Peter. In Niedersachsen dürfen 58 Castorbehälter mit radioaktivem Müll vorerst nicht mehr bewegt werden.
Die lange Suche nach einem Atommüllendlager
Am 11. November 1976 bringt der niedersächsische Wirtschafts- und Finanzminister Walther Leisler Kiep (CDU) laut eigenen Aufzeichnungen Gorleben ins Spiel. Zuvor waren die Salzstöcke Wahn, Lutterloh und Lichtenhorst (alle Niedersachsen) favorisiert worden.
Die niedersächsische Landesregierung unter Ernst Albrecht (CDU) beschließt, in Gorleben an der Grenze zur damaligen DDR ein nukleares Entsorgungszentrum zu gründen. Ein transparentes Auswahlverfahren fehlt - die Hoffnung ist auch, dass der arme Kreis Lüchow-Dannenberg durch Investitionen der Atomindustrie einen Aufschwung erfährt.
Tiefbohrungen beginnen, um den Salzstock auf seine Eignung als Atommüllendlager zu erkunden.
Die Bauarbeiten für das oberirdische Zwischenlager Gorleben starten. Es liegt nur einige hundert Meter entfernt vom Salzstock.
Die Erkundung des Salzstocks unter Tage beginnt. SPD und Grüne werfen der Regierung von CDU-Kanzler Helmut Kohl vor, politischen Einfluss bei der Durchsetzung von Gorleben genommen zu haben. 2010 wird dazu ein Bundestags-Untersuchungsausschuss eingerichtet.
Von massiven Protesten begleitet, trifft im oberirdischen Zwischenlager der erste Castor-Behälter mit Atommüll ein.
Nach dem Regierungswechsel richtet Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) den Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AK End) ein. Er soll Ideen für ein neues Suchverfahren entwickeln.
Im Atomkonsens vereinbart die rot-grüne Bundesregierung mit den Stromversorgern den Ausstieg aus der Kernenergie. Die Erkundung in Gorleben wird bis spätestens 2010 ausgesetzt.
Trittin legt einen Entwurf für ein Standortauswahlgesetz vor: In einem bundesweiten Verfahren sollen neben Gorleben auch andere Standorte untersucht werden. Die Neuwahl lässt den Plan scheitern.
Nach der Wahl vereinbart die große Koalition, das Problem „zügig und ergebnisorientiert“ zu lösen. Während die Union an Gorleben festhält, fordert Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ein neues Auswahlverfahren. Es gibt keinen Fortschritt.
Norbert Röttgen (CDU), Bundesumweltminister in der seit 2009 amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung, teilt die Aufhebung des Erkundungsstopps mit. Gorleben habe weiter „oberste Priorität“.
Am 30. Juni 2011 beschließt der Bundestag den Atomausstieg bis 2022. Über Gorleben hinaus sollen andere Endlager-Optionen geprüft werden. Bayern und Baden-Württemberg zeigen sich offen für eine neue Suche.
Bei zwei Spitzentreffen von Bund und Ländern gibt es Fortschritte. Eine Einigung scheint zum Greifen nahe.
Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wird für den CDU-Spitzenkandidaten Röttgen zum Debakel. Er wird von Kanzlerin Angela Merkel entlassen. Nachfolger wird Peter Altmaier (CDU).
SPD und Grüne werfen Altmaier vor, eine Lösung zu verzögern - aber beide Parteien lähmen selbst den Prozess, weil sie uneinig sind, was den künftigen Umgang mit Gorleben betrifft.
Am 27. September 2012 weist Merkel vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss Vorwürfe zurück, sie habe in ihrer Zeit als Umweltministerin in den 1990er Jahren versucht, Gorleben als Endlager durchzudrücken.
Am 20. Januar 2013 gewinnt Rot-Grün die Landtagswahl in Niedersachsen, SPD und Grüne in Hannover wollen ein Aus für Gorleben durchsetzen.
Am 24. März 2013 gelingt Altmaier ein vorläufiger Durchbruch: Bis 2015 soll eine aus 24 Personen bestehende Enquetekommission Grundlagen und Vergleichskriterien für die Suche erarbeiten. Gorleben soll im Topf bleiben - Niedersachsen setzt aber auf ein rasches Ausscheiden. In einem Suchgesetz soll festgelegt werden, dass am Ende zwischen den beiden besten Optionen entschieden wird. Atommülltransporte in das Zwischenlager Gorleben soll es vorerst nicht mehr geben.
Das Landesumweltministerium hatte das mit einer mangelhaften Dokumentation der Qualitätsprüfungen für bestimmte Teile der tonnenschweren Behälter begründet. Genehmigungen zum Transport soll es dort erst wieder geben, wenn die zum Anheben der Behälter nötigen Haken ausgetauscht sind - oder ein lückenloser Nachweis über deren Zuverlässigkeit besteht.
Bundesweit sind inklusive der niedersächsischen Behälter 315 Castoren von diesen Nachweis-Problemen betroffen. Entsprechende Angaben Niedersachsens wurden in der Bundesregierung bestätigt.
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„Gehen davon aus, dass die Sicherheit der Behälter nicht betroffen ist“
Grünen-Chefin Peter forderte: „Das Bundesamt für Materialforschung hat sicherzustellen, dass solche Mängel gar nicht erst auftreten.“ Das Bundesamt für Materialforschung und -prüfung in Berlin ist für bestimmte technische Überprüfungen der Castor-Behälter zuständig. Es ist eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums.
Am Freitag herrschte allerdings zunächst Unklarheit über die Zuständigkeiten. Ein Sprecher des Wirtschaftsressorts in Berlin hatte in der Sache ans Bundesumweltministerium verwiesen. Eine Sprecherin dieses Hauses hatte betont: „Wir gehen davon aus, dass die Sicherheit der Behälter nicht betroffen ist.“
Die überall in Deutschland zwischengelagerten Castoren müssen gelegentlich für Reparaturen, Inspektionen oder auch für die alle fünf Jahre anstehende verkehrsrechtliche Zulassung bewegt werden. Unmittelbar sind wohl aber keine Transporte geplant, bei denen die fraglichen Haken gebraucht würden.
Von dem Problem des mangelnden Sicherheitsnachweises der Haken nicht betroffen sein sollen die nächsten Atommüll-Transporte aus Sellafield in England (voraussichtlich 2017) und aus La Hague in Frankreich (frühestens 2016), wie es aus der Bundesregierung hieß.