
Selbst Naturkatastrophen wie Hurrikan "Sandy" können nichts daran ändern: Im Windschatten der europäischen Krise findet das Thema Klimawandel zur Zeit wenig Beachtung. Der Politik mag das recht sein, rückt so doch ihr Versagen in den Hintergrund. Der weltweite CO2-Ausstoß nimmt zu statt ab, wie es im Kyoto-Protokoll vereinbart wurde. Das liegt zum einen am dynamische Wachstum zum Beispiel der BRIC-Länder, dessen Schattenseite eben die steigende Umweltverschmutzung ist. Aber auch die Industriestaaten haben viel versäumt. Warum rettet keiner das Klima?
Leider handelt es sich beim Klimaschutz um ein öffentliches Gut, die Atmosphäre selbst kann wohl als Allmendegut angesehen werden: Der Zugang zur Atmosphäre (zum Beispiel durch Emissionen) kann nicht verhindert werden, die Konsequenzen der Emissionen tragen aber nicht nur die Verursacher, sondern die gesamte Menschheit. Deshalb wird eine Lösung benötigt, an der sich alle beteiligen; die Anreize zum Trittbrettfahren sind somit sehr groß.





Auf der Konferenz in Kyoto 1997 wurden grundsätzlich sinnvolle und praktikable Lösungen gefunden. Die Ausgabe von handelbaren Emissionszertifikaten für Kohlendioxid ist ebenso zu begrüßen wie ihre entwicklungspolitische Flankierung mit Hilfe des "Clean Development Mechanism" und der gesteigerten Flexibilität durch die Möglichkeit gemeinsamer grenzüberschreitender Klimaprojekte aus den Unterzeichnerstaaten. Das Abkommen – ursprünglich bis 2012 beschlossen – wurde auf der Klimakonferenz 2011 in Durban bis 2017 (eventuell bis 2020) verlängert. Das Problem besteht darin, dass noch nicht einmal sämtliche Industriestaaten und kaum Schwellenländer sich zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen verpflichtet haben.
Ebenso begrüßenswert sind Initiativen einzelner Länder wie Deutschland oder anderer EU-Mitglieder, die zeigen, dass man klimapolitische Aktivitäten auch ohne allzu tiefe wirtschaftliche Einschnitte auch einseitig vornehmen kann. Allerdings ist die globale Wirkung gering, denn eine dank des Einsatzes erneuerbarer Energien hierzulande sinkende Nachfrage nach Emissionszertifikaten senkt deren Preis und ermöglicht Unternehmen aus Drittländern billigere Emissionen; dies ist der so genannte Rebound-Effekt. Und ganz ohne Kostensteigerung für die Industrie verlaufen diese Alleingänge nicht; nicht zuletzt deshalb sind in der EU fast sämtliche energieintensiven Industrien von der Reduktionspflicht und der Pflicht, Zertifikate zu erwerben, ausgenommen. So viel zur Vorreiterrolle!
Folgen des Klimawandels in Deutschland
Zwischen 1901 und 1910 lag die Jahresmitteltemperatur in Deutschland je nach Region zwischen 7 und 12 Grad, zu den wärmsten Gegenden zählten der Oberrheingraben und das Kölner Becken. Bis zum Vergleichsjahrzehnt 2001 bis 2010 stiegen die Temperaturen je nach Region zwischen 0,25 und 2 Grad. Besonders sichtbar sind diese Sprünge in Teilen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt, aber auch in Teilregionen von Hessen und Bayern. Nur in einem schmalen Korridor zwischen Kiel, Hamburg und Hannover blieb es kühler. Auf der Basis dieser Werte rechnen die Forscher zwischen 2011 und 2100 mit einem weiteren Anstieg der Werte um 3,6 bis 4 Grad - je nach Region. Das ist die Grundlage für die Berechnung der Szenarien für einzelne Regionen. Die Einzelergebnisse für jeden Landkreis werden aber erst Anfang Dezember veröffentlicht.
Die Wasserressourcen fallen in den kommenden Jahrzehnten je nach Region sehr unterschiedlich aus. So haben Modellberechnungen für die Ems ergeben, dass sie eher mehr Wasser führen wird als heute - außer im Sommer. Ganz anders sieht es für die Elbe aus. In ihrem Einzugsgebiet gibt es nach den Szenarien weniger Wasser, weil es im Sommer seltener regnet und durch die Hitze auch mehr Wasser verdunstet. Die Schneeschmelze im Winter kann die Gesamtbilanz nicht mehr ausgleichen. Extreme Niederschläge im Winter steigern aber gleichzeitig das Hochwasserrisiko. Wassermangel in Flüssen hat nicht nur Folgen für Flora und Fauna. Auch die Schifffahrt kann beeinträchtigt werden. Mit großer Knappheit wird im Leipziger Becken, im Oderbruch, Sachsen-Anhalt und in der Oberrheinebene gerechnet.
Mehr Wärme könnte die Vegetationsperiode der Bäume verlängern. Das führt erst einmal zu positiven Effekten: Wälder könnten mehr schädliches Kohlendioxid aus der Luft filtern. Und die Forstwirtschaft hat durch das Wachstum etwas mehr Holz zur Verfügung. Diese Pluspunkte könnten aber durch die größere Trockenheit gleich wieder schwinden. Denn sie stresst die Wälder und macht Bäume anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Dazu steigt zum Beispiel in Brandenburg die Waldbrandgefahr um 16 Prozent. Buchen gelten als Verlierer der Entwicklung, Kiefern zählen eher zu den Gewinnern. Für die Zukunft empfehlen die Forscher die Pflanzung von Mischwäldern - um mögliche Ausfälle einer Baumart ausgleichen zu können.
Die gute Nachricht lautet, dass ein Rückgang der Produktion eher unwahrscheinlich ist. Denn die Vegetationszeit verlängert sich durch mehr Wärme, Winterkulturen profitieren davon. Im Sommer lassen sich trockenere Böden von Jahr zu Jahr durch Spielräume bei Fruchtarten, Sortenwahl und Düngung kompensieren. Ein Problem aber wird in einigen Regionen häufiger Wassermangel durch zu wenig Regen im Sommer. Das trifft vor allem Mais und andere Sommerkulturen, weil sie früh beim Wachstum gehemmt werden. Hier können Investitionen wie zum Beispiel in Rückhaltebecken oder künstliche Bewässerung ins Geld gehen. Ein Umdenken ist auch bei Drainagen gefragt - denn dadurch geht Grundwasser verloren.
Im Sommer wird die Hitze das Flusswasser in einigen Regionen wahrscheinlich so erwärmen, dass es nicht mehr als Kühlwasser für Kraftwerke verwendet werden kann. Sie müssten zeitweise abgeschaltet werden. Auch bei Wasserkraftwerken ist wegen weniger Wasserdruck im Sommer mit Einbußen zu rechnen. Beim Wind und Sonne rechnen Wissenschaftler besonders im Winter mit einer leichten Zunahme der Auslastung. Da die Kraftwerke im Sommer beeinträchtigt sind, nutzt das zum Ausgleich ohne effektive Speicher nicht viel.
Klimazölle machen wenig Sinn
Im Bewusstsein der Kosten des Klimaschutzes für die eigene Wirtschaft schlagen Politiker immer wieder außenhandelspolitische Korrekturmaßnahmen, zum Beispiel so genannte Klimazölle vor. Produkte aus Ländern, in denen kein Zertifikatehandel stattfindet oder in denen mit veralteten Produktionsmethoden produziert wird (zum Teil sogar in ausgelagerten Fabriken europäischer Unternehmen), sollen mit Zöllen belegt werden. Derartige Überlegungen werden auch in denjenigen Schwellenländern angestellt, die auf dem Sprung zum Teilnehmerland am Zertifikatehandel sind. So verständlich diese Überlegungen politisch sind, ökonomisch machen sie keinen Sinn. Denn sie verzerren den Handel, ohne allzu viel für das Klima tun zu können. Dies ist auch deshalb so absurd, weil der Außenhandel für die durch Transport entstehenden Kosten keine Zertifikate braucht. Es wäre besser, Luft- und Schiffsverkehr ebenfalls an den Kosten zu beteiligen.