Ariwa-Recherchen zur Schweinezucht
Eine Recherche der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch (Ariwa) zeigt erbärmliche Zustände in deutschen Massenzuchtbetrieben. Schwache Zuchtsauen stehen bei Dauerbeleuchtung in sogenannten Kastenständen, die den Tieren kaum Platz bieten. Dazwischen stolpern verwirrte und verletzte Ferkel über die Kadaver ihrer Artgenossen. Mit solchen drastischen Bildern will Ariwa belegen, dass Schweinezuchtbetriebe in Deutschland EU-Recht brechen.
Laut einer EU-Richtlinie dürfen trächtige Zuchtsauen seit Anfang des Jahres nicht mehr dauerhaft in Kastenständen gehalten werden. Auch Dauerbeleuchtung ist verboten. Doch die Video-Aufnahmen, die die Tierschützer nach eigenen Angaben unbemerkt nachts in mehreren Massenbetrieb gemacht haben, zeigen genau das. Die Mitarbeiter der Veterinärämter, die jeweils für ihren Landkreis zuständig sind, sollten solche Betriebe überprüfen. Doch die sind überfordert. "Vor allem die großen Mastbetriebe werden nicht ausreichend kontrolliert", sagt Erasmus Müller von Ariwa. "Niemand hat Zeit sich die großen Gelände mit tausenden Tieren in Ruhe anzuschauen." In der Praxis fehle es häufig an Personal, sagt der Tierschützer.





Ähnliches hat auch Matthias Gauly, Leiter der Arbeitsgruppe Produktionssysteme der Nutztiere an der Universität Göttingen, beobachtet. "Das Personal wurde über viele Jahre hinweg abgebaut. Gleichzeitig kamen vielfältige Aufgaben dazu." Er fordert eine Stellenaufstockung in den Veterinärämtern.
"Nicht die bundesweite Realität"
Laut Bundeslandwirtschaftsministerium seien die EU-Vorgaben in deutschen Schweinemastbetrieben zu 99,2 Prozent umgesetzt. Diese Angaben werden von den Landesbehörden übermittelt. "Verstöße gegen das EU-Recht müssen geahndet werden", sagte eine Sprecherin. Die Kontrollen seien allerdings Ländersache. Laut Presseberichten seien in Thüringen nur stichprobenartig Kontrollen durchgeführt worden. In Niedersachsen sind laut Landwirtschaftsministerium alle rund 2700 Schweinezuchtbetriebe kontrolliert worden.
"Die Bilder zeigen nicht die bundesweite Realität", sagt Thomas Blaha von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. "Wir gehen davon aus, dass sich weit über 90 Prozent der Landwirte in Deutschland an die Gesetzesvorgaben halten." Da die Veterinärämter auf Landkreisebene organisiert sind, sieht Tierschützer Erasmus Müller ein weiteres Problem in vielen Landkreisen: "In der Regel sind die Mitarbeiter des Veterinäramts selbst stark im ländlichen Raum eingebunden. Kontrollen im Sinne der Tiere und hartes Durchgreifen sind da schwierig."
Aus für kleine Betriebe





Für die Mitarbeiter der Veterinärämter ist die Zahl der Kontrollen oft nicht zu bewältigen. Außerdem kündigen sie ihren Besuch lieber an, bevor sie an einem Betrieb vor verschlossenen Türen stehen. "Bei einer größeren Dichte der Höfe in den einzelnen Kreisen können die Veterinärämter nur eine Kontrolle je Tierbestand pro Dekade absolvieren", sagt Blaha. "Das ist sicherlich zu wenig." Das sei aber ein europaweites Problem.
Stattdessen fordert er eine risikooptimierte Überwachung der Schweinezuchtbetriebe. Demnach würden Betriebe, die bereits auffällig geworden sind, häufig überprüft. Unauffällige Betriebe müssten seltener kontrolliert werden, so der Experte.
Die EU-Vorgaben bedeuteten vor allem für kleinere Landwirte harte Einschnitte. Laut statistischem Bundesamt haben seit vergangenem Jahr rund 2000 vor allem kleinere Zuchtsaubetriebe dicht gemacht. "Die Abschaffung der Haltung von Sauen in Kastenständen hat vor allem nicht wenige kleine Betriebe zur Aufgabe der Tierhaltung veranlasst", sagt Blaha. "Die Gruppenhaltung von Sauen ist viel aufwändiger, da es sehr viel mehr Rangkämpfe zwischen den Sauen auftreten." Die Investitionen in den Umbau der Ställe und die aufwändigere Haltung wollten sich viele Landwirte schlicht nicht leisten.
Gleichzeitig äußern Experten und Landwirte Kritik an der Vorgehensweise der Tierschützer. "Die Tierschutzorganisationen machen das Richtige, sie legen den Finger in die Wunde. Dass sie dabei illegal vorgehen und in die Ställe der Landwirte einbrechen, ist aber der falsche Weg." Nicht nur die Verstöße gegen Tierschutzgesetze, sondern auch die "Treibjagd" auf die Landwirte sei unverzeihlich. Die Verantwortung sieht der Experte weder bei der Politik noch beim Verbraucher. "Der Einzelhandel müsste mit einer tierschutzorientierten Preisgestaltung stärker in die Verantwortung genommen werden."