Ein Besuch in Xingtai Die dreckigste Stadt Chinas

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In Hebei drehet sich noch alles um Kohle und Stahl

In Hebei aber dreht sich noch alles um Kohle und Stahl. Die Vereinigung der Metallindustrie in Hebei geht davon aus, dass die anvisierte Reduktion der Stahlproduktion um 60 Millionen Tonnen 200.000 Menschen den Job kosten wird. Die ausbleibenden Steuern belasten die Finanzen der Kommunen. Dabei ist Xingtai bereits mit mehr als 27 Milliarden Yuan, rund 3,5 Milliarden Euro, verschuldet.

Das Geschäft von Ge Yanbin besteht aus einem Schuppen und mehreren mannshohen Kohlehaufen. Der 38-jährige Unternehmer ist guter Dinge. 40 Tonnen Kohle verkauft er am Tag zu 500 Yuan, knapp 65 Euro pro Tonne. „Das Geschäft läuft nicht schlecht“, sagt er. „Aber es war auch schon mal besser. Die Preise sind stark gefallen, und die Regierung hat viele Werke geschlossen.“ Ge fehlt die Großkundschaft. Es bleiben die kleinen. Heizen müssen die Leute immer.

Ge Yanbin Quelle: Eric Leleu für WirtschaftsWoche

Regierung packt das Problem Umweltverschmutzung an

In Westeuropa ging der Wandel zu einem nachhaltigen Wirtschaften von der Mitte der Gesellschaft aus. Aus dem Protest gegen Umweltverschmutzung entstand eine politische Partei, die später Regierungsverantwortung übernahm. In China dagegen packt die Regierung das Problem nur dort an, wo es am offenkundigsten ist.

„Wahrscheinlich werden viele der Kraftwerke in den nächsten Jahren nach Westen wandern. In Provinzen mit höherem Wachstum und geringeren Auflagen im Inland wissen die meisten Menschen auch noch nichts von den gesundheitlichen Folgen“, sagt Calvin Quek von Greenpeace.

Lichtblicke aber gibt es auch in China. Sun Haiyan arbeitet in einem kleinen Büro in der ehemaligen Französischen Konzession in Shanghai. Der Weg zu ihr führt durch ein grünes Dach von Platanen. Die Mutter zweier Kinder war früher Journalistin, heute gibt sie ein Magazin zum Thema Nachhaltigkeit heraus. „Economy“ erscheint vierteljährlich und hat 20.000 Leser.

Zensurbehörde

Vor dem Erscheinen muss Sun ihre Artikel der Zensurbehörde vorlegen. „Aber es gab noch nie Probleme“, sagt sie. „Wir weisen ja vor allem auf Herausforderungen und Chancen hin, und dafür gibt es mittlerweile ein Bewusstsein in der Politik.“ Mehr schon beschäftigt Sun die Sorglosigkeit der Bevölkerung.

Die Chinesen wissen zwar, dass die Umweltverschmutzung ein großes Problem ist. „Aber sie führen das nicht auf ihr eigenes Verhalten zurück.“ Ebenso hätten viele Unternehmen noch nicht begriffen, dass Nachhaltigkeit und Profit kein Widerspruch sein müssen. Sun rechnet nicht damit, dass sich vor 2030 etwas ändert.

Am Abend steigen die Feinstaubwerte in Xingtai auf 580. Um 20 Uhr wird wegen der geringen Sichtweite die Autobahn in der Provinzhauptstadt Shijiazhuang gesperrt. Die Flughafenhotels sind voller gestrandeter Passagiere, deren Maschinen den Flughafen nicht mehr verlassen konnten. Alle husten.

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