
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat den Handel ermahnt, seine angekündigte Selbstverpflichtung zur kostenpflichtigen Plastiktüte nicht endlos zu verschleppen. „Wenn die Branche sich nicht auf eine Selbstverpflichtung einigen kann, dann ist eine Regelung per Ordnungsrecht unausweichlich“, sagte Hendricks der Deutschen Presse-Agentur. In den nächsten zehn Jahren muss der Verbrauch laut einer EU-Vorgabe auf 40 Tüten im Jahr sinken. Aktuell benutzt jeder Einwohner Deutschlands im Jahr durchschnittlich 71 Tüten.
Der Kampf gegen die Plastiktüten
Plastiktüten sind für ihr Gewicht ganz schön stabil. Doch was Verbraucher freut, kann der Umwelt schaden. Hunderte Jahre kann es dauern, bis die praktischen Tragetüten sich in der Natur zersetzen. Kleinteile werden von Seetieren wie Fischen und Vögeln gefressen.
Nach Zahlen aus dem Jahr 2010 kommen jedes Jahr etwas weniger als 100 Milliarden Plastiktüten in Europa in Umlauf. Das entspricht 198 Tüten pro Jahr und Bürger, die meisten davon Einwegtüten. Deutschland steht laut Handelsverband Deutschland (HDE) gut da. Das sei auch dem durch den grünen Punkt bereits weit verbreiteten Recyclingsystem zu verdanken. In Deutschland liege der Verbrauch bei jährlich 76 Tüten pro Kopf, die EU-Kommission spricht mit Blick auf das Jahr 2010 von 64 Einwegtüten.
Genau. Nach derzeitigem Stand soll jeder EU-Bürger Ende 2019 nur noch 90 Einwegtüten verbrauchen pro Jahr, Ende 2025 nur noch 40 Tüten. Ganz dünne Tüten, die es etwa an der Gemüsetheke gibt, wären aber ebenso wie stabile Mehrfachtüten nicht betroffen. Genauso gut könnte es Abgabegebühren geben oder Steuern für den Einzelhandel. Die Regierungen hätten die Wahl - Hauptsache, die Tüte wäre nicht mehr kostenlos. Auch andere Maßnahmen mit ähnlicher Wirkung wären möglich.
„Das bedeutet für die Verbraucher und Verbraucherinnen und insbesondere den Einzelhandel eine Neuausrichtung zu bewussterem und ökologischerem Konsum“, meint Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). Die Umweltschutzorganisation European Environmental Bureau (EEB) ist zwar grundsätzlich ebenfalls erfreut. Allerdings hätte sich die Organisation auch ein Verbot spezieller neuartiger Tüten gewünscht. Diese geben aus Sicht von Kritikern vor, biologisch abbaubar zu sein, obwohl sie es nicht sind. Dies soll nun aber die EU-Kommission erst einmal untersuchen.
Der Branchenverband Plastics Europe argumentiert, man unterstütze zwar eine Gebühr für alle Taschen, egal aus welchem Material. Doch die Möglichkeit nationaler Verbote könne zu Handelshemmnissen in Europa führen. Das bemängelt übrigens auch die FDP-Europaabgeordnete Gesine Meißner.
Um den Konsum einzudämmen, hatte der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) einen Entwurf für eine Selbstverpflichtung des Handels vorgelegt. Der Vorschlag sieht nach Angaben von HDE-Geschäftsführer Kai Falk vor, dass Einzelhändler künftig Geld für Plastiktüten verlangen sollen - wie viel, bleibt dabei ihnen selbst überlassen. „Eine freiwillige Initiative ist neuen Gesetzen vorzuziehen“, sagte Falk. Er sei optimistisch, dass dieses Ziel erreicht werde. Wann jedoch in den Verhandlungen mit dem Bundesumweltministerium eine Einigung zu erwarten ist, konnte der HDE-Geschäftsführer nicht einschätzen. Schließlich diskutierten auch andere Branchenverbände mit.
Kritische Stimmen kommen demnach vor allem aus der Kleidungssparte. Im November hatte Jürgen Dax, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels, Zweifel darüber angemeldet, ob Kunden Verständnis für Bezahltüten aufbringen würden. Er ziehe eine gesetzlich vorgeschriebene Gebühr vor. Hendricks betonte, ihr sei eine freiwillige Lösung lieber als eine weitere Verordnung. Es sei aber unklar, ob das gelingen werde. „Die kostenlose Abgabe von Plastiktüten muss beendet werden, wenn wir die EU-Vorgaben erfüllen wollen“, sagte die Umweltministerin.