Energie Das Ölzeitalter ist noch lange nicht vorbei

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35.000 neue Bohrungen

In dem gut handbreiten Bohrloch, zwei Kilometer tief im Schiefer, wurde der Druck so hoch, dass er Hunderte Meter lange Spalten ins Gestein riss. Aus denen sickerte das zuvor im Boden gefangene Erdöl in das Bohrloch. Zum ersten Mal kamen mit dieser als Fracking bezeichneten Methode in North Dakota größere Mengen des Rohstoffs aus dem Boden. So flüssig wie Cola war das Öl.

Biberdorf freut sich noch heute über den Erfolg. „Damals hätte niemand geglaubt, dass das Verfahren hier funktioniert“, sagt der Ingenieur, der in Jeans und Karohemd auf seiner Veranda in einem kleinen Häuschen in der Kreisstadt Williston nördlich von Watford City sitzt. Biberdorf ist inzwischen pensioniert, beobachtet aber immer noch, welch irren Boom er mit seiner Kunstfertigkeit und den vielen durchgearbeiteten Nächten ausgelöst hat.

Arbeiter, der an der Bohranlage

Denn seither hat ein enormer technischer Fortschritt stattgefunden. Bohrungen, die früher 90 Tage dauerten, schaffen die Ingenieure heute in nicht mal einem Drittel der Zeit. Dann schließen Arbeiter die Leitungen zu den Öltanks an, während ihre Kollegen schon mit Trucks den zerlegten Bohrturm auf das nächste Feld bringen. „Das geht heute wie am Fließband“, sagt Biberdorf.

Wer den Öl- und Gasmarkt dominiert
Stürmische Zeiten: Trotz der weltweiten Wirtschaftsflaute fahren die größten Ölkonzerne der Welt satte Gewinne ein. Der Energie-Informationsdienst Oilandgasiq hat die zehn größten Öl- und Gaskonzerne nach dem täglichen Fördervolumen zusammengestellt. Stand: Mai 2013 Quelle: REUTERS
Platz 10: Kuwait Petroleum Corporation (KPC)Den letzten Rang unter den Top-10 Ölkonzernen der Welt erreicht der staatliche Ölförderer von Kuwait. Die Kuwait Petroleum Corporation ging aus der Anglo-Persian Oil (heute BP) und Gulf Oil (heute Chevron) hervor. Die Kuwaitis beschäftigen 15.800 Menschen und fördern 3,2 Millionen Fass Öl am Tag. Ein Fass oder Barrel entspricht rund 159 Litern. Im Golfkrieg in den 1990ern setzten irakischen Streitkräfte mehr als 700 kuwaitische Ölquellen in Brand. Quelle: PR
Platz 9: ChevronDie Wurzeln des drittgrößten Unternehmens der USA reichen bis 1879 zurück, als die Pacific Coast Oil Company gegründet wurde. Später schluckte Standard Oil das Unternehmen und nannte es SoCal. 1984 schlossen sich dann SoCal und Gulf Oil unter dem Namen Chevron zusammen. Die Kalifornier fördern 3,5 Millionen Barrel am Tag. Rund 62.000 Menschen arbeiten weltweit für den Konzern. Quelle: REUTERS
Platz 8: PemexMexiko verstaatlichte 1938 die gesamte Ölindustrie. Heute gilt der Energieriese als eines der größten Unternehmen Lateinamerikas und größter Steuerzahler Mexikos. Die 138.000 Mitarbeiter fördern 3,6 Millionen Fass Öl am Tag. Quelle: REUTERS
Platz 7: Royal Dutch Shell Der siebtgrößte Ölförderer der Welt entstand 1907 aus dem Zusammenschluss einer niederländischen und einer britischen Firma. Der weltweit bekannte Konzern setzte sich 2012 mit einer Marktkapitalisierung von 140 Milliarden Dollar an die Spitze des britischen Leitindex FTSE. Mit 87.000 Angestellten fördert der Multi 3,9 Millionen Barrel Öl am Tag. Quelle: REUTERS
Platz 6: BPAuf eine lange Historie blickt auch British Petroleum, kurz BP, zurück. Die Burmah Oil Company ging 1909 in der Anglo-Persian Oil Company auf, die später zur Anglo Iranian Oil und schließlich zu BP wurde. Einen schweren Schlag erhielt der Konzern, als eine Explosion auf der Plattform Deepwater Horizon 2010 mehrere Arbeiter töte. Das auslaufende Öl verseuchte den Golf von Mexiko und richtete eine der größten Umweltkatastrophen an. Der Konzern wurde zu Milliardenstrafen und Entschädigungen verurteilt. Weitere Prozesse laufen. BP beschäftigt 85.700 Menschen und fördert 4,1 Millionen Fass Öl am Tag. Quelle: dapd
Platz 5: PetrochinaDen fünften Rang unter den größten Energiekonzernen der Welt hat Chinas Petrochina erobert. Die Karriere des erst 1999 gegründeten Unternehmens ist steil. Der staatseigene Konzern fördert mit 550.000 Arbeitern 4,4 Millionen Barrel. Quelle: REUTERS

Knapp 6000 Bohrbrunnen haben Unternehmen seit 2005 auf diese Weise in North Dakota eröffnet. Jeder kostet bis zu zehn Millionen Dollar. Das Problem: Die Förderraten der gefrackten Felder brechen schon nach einem Jahr um bis zu 70 Prozent ein. Um den Schieferölboom am Laufen zu halten, wollen die Unternehmen weitere Brunnen bohren; mindestens 35 000 bis 2030.

Dafür haben Geologen Tausende Bohrkerne und Daten seismischer Untersuchungen analysiert, um genaue Karten der Schieferölvorkommen zu erstellen. Als Biberdorf sich 2004 durch den Stein wühlte, war er „noch blind wie ein Maulwurf“, sagt er.

Zugleich steigern die Ingenieure die Effizienz der Bohrungen: Sie bohren nicht mehr ein Loch – sondern bis zu acht Brunnen nebeneinander. Statt in einem Zug fracken sie die Felder in bis zu 30 Schritten. Das erhöht den Druck, verstärkt die Risse im Schiefergestein und lässt mehr Öl fließen. Statt einem Prozent des Öls im Gestein holen sie schon bis zu sieben Prozent aus dem Boden.

Und die Technik entwickelt sich immer weiter. Im nächsten Frühjahr wollen Forscher der Universität von North Dakota erstmals Kohlendioxid in ein gefracktes Ölfeld pumpen. Eine chemische Reaktion soll dann noch mehr von dem schwarzen Rohstoff aus dem Schiefer lösen. Die Förderraten werden also weiter steigen: Künftig könnten Unternehmen bis zu 15 Prozent des Schieferöls aus dem Boden holen, schätzt die lokale Geologiebehörde. Verglichen mit heute, wäre das doppelt so viel.

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