Die niedrigen Gaspreise freuen nicht nur amerikanische Hausbesitzer. Auch die Industrie steht in den Vereinigten Staaten vor einer unerwarteten Renaissance. Vor allem Chemieunternehmen brauchen viel Wärme und Strom. Die niedrigen Energiekosten haben dazu geführt, dass viele von ihnen in den USA wieder wettbewerbsfähig produzieren können. So investiert etwa der US-Konzern Dow Chemical Milliarden in neue Chemieanlagen in Nordamerika.
Zig Studien regen sogar an, dass die USA generell weniger im Ausland produzieren sollten, weil es dank des Gasbooms zu Hause billiger sei, die Lieferketten einfacher würden und neue Jobs entstünden.
Dabei wollen deutsche Wettbewerber nicht nur zusehen. Der Chemieriese BASF aus Ludwigshafen etwa plant eine neue Fabrik im Süden der USA in Louisiana. Von 2014 an wollen die Deutschen dort auch Spezialchemikalien für die Schiefergas-Förderung herstellen. Auch Wacker Chemie investiert 1,8 Milliarden Dollar in eine erste Fertigungsanlage in den USA: Im US-Bundesstaat Tennessee will das Unternehmen ab 2013 Polysilizium für Fotovoltaikanlagen produzieren.
Sparsamer als der Diesel
Gravierend sind die Auswirkungen des Gasbooms auf den Verkehr. Unternehmen rüsten bereits Lastwagenflotten, Dieselloks und sogar Containerschiffe auf Erdgasantrieb um. Allein die Zahl der gasbetriebenen Autos ist in den USA sprunghaft von nahe null auf 110.000 angestiegen. In Deutschland sind derzeit rund 90.000 gasbetriebene Pkws unterwegs. Doch die Bundesregierung plant, die Zahl von Gasfahrzeugen in Deutschland bis 2020 auf 1,4 Millionen zu steigern.
Die Autohersteller richten sich darauf ein: Audi will 2013 mit einem gasbetriebenen A3 beweisen, dass der Gasantrieb kein eingeschränktes Fahrvergnügen bedeutet. Der Preis soll zwischen 2500 und 4000 Euro über vergleichbaren Benzinern liegen. Das Geld holen Vielfahrer schon nach 30 000 Kilometern wieder rein, weil Gas nur halb so teuer ist wie Benzin. Der Mobilitätsforscher Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen hält Erdgas „für die einzige Technologie, die zu geringen Kosten die CO2-Emmisionen im Verkehr reduzieren kann“.
Ebenso soll Gas künftig Wolkenkratzer oder ganze Dörfer autark mit Strom und Wärme versorgen. In dem 310 Meter hohen – gerade eröffneten – Londoner Shard Tower ist das bereits Realität: Ein Blockheizkraftwerk der österreichischen General-Electric-Tochter Jenbacher versorgt sämtliche Büros und Wohnungen mit Energie. Sogar ganze Dörfer machen sich mit Gasmotoren vom Netz unabhängig. Im österreichischen Güssing produzieren die Bewohner ihr Gas mit Holzabfällen selbst.
Auch hier hat das Gaszeitalter längst begonnen.