Energie Das Ölzeitalter ist noch lange nicht vorbei

Der steigende Ölpreis schiebt Fracking an. Die neuen Fördertechniken machen riesige, bislang unerreichbare Reserven zugänglich. Eine Expedition zu den Ölscheichs von morgen.

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Ölförderung durch Fracking in Williston, North Dakota Quelle: Reuters

Am Arsch der Welt ist Stau. Auf dem Highway 23, zwei Kilometer vor Watford City, stehen Hunderte Trucks, Pickups und Kleinwagen. Nichts geht mehr. Wie so oft in letzter Zeit.

Es ist nur ein paar Jahre her, da war Watford City ein verschlafenes Nest mit 1400 Einwohnern im US-Bundesstaat North Dakota – mitten in der Prärie. Heute ist Watford die am schnellsten wachsende Stadt der USA. Rund 6000 Menschen leben hier, 2020 sollen es 15.000 sein, schätzt Doug Bolken von der örtlichen Gemeindeverwaltung. Vom Fenster seines Büros blickt er auf die Autoschlange und sagt fast entschuldigend: „Freiwillig kommt niemand hierher.“

Grund für den Ansturm auf Watford City ist Öl. Seit 2004 fördern Unternehmen in North Dakota den Rohstoff aus Schiefergestein, das hier etwa zwei Kilometer unter der Erde liegt. Diese Ölvorkommen, die vor einigen Jahren noch unerreichbar schienen, haben North Dakota 13 Prozent Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung beschert – und jede Menge Probleme.

Nicht nur, dass die engen Straßen in Orten wie Watford nie gebaut waren für solch endlose Truck-Kolonnen, die Arbeiter und Werkzeug auf die Ölfelder karren. Apartments kosten plötzlich 3000 Dollar im Monat – „fast wie in New York“, sagt Bolken. Und das ist nicht das einzige Großstadtproblem, das sie nun auch in Watford City kennen: Auf einmal prügeln sich in den beschaulichen Örtchen abends Betrunkene vor den Kneipen und kurven anschließend besoffen mit ihren SUVs über die kaputten Straßen.

Da war es nur eine Frage der Zeit, bis die Ölarbeiter auch ein weiteres Gewerbe anziehen: Per Nachtzug reisen Scharen von Prostituierten aus dem 1000 Kilometer entfernten Minneapolis in das Öl-Eldorado. Entspannt hat sich die Lage trotzdem nicht.

Der Ölpreis in Dollar pro Barrel. Klicken Sie hier, um die Grafik zu vergrößern!

Das kann so nicht weitergehen, findet Stadtplaner Bolken. Er sieht nur noch einen Ausweg: eine bessere, nun ja, Work-Life-Balance der Männer vor Ort. 190 Millionen Dollar will er in Straßen, Schulen und Krankenhäuser stecken, um seine Stadt für die Familien der Ölarbeiter attraktiver zu machen, die bislang über die USA verstreut leben. Geregeltes Familienleben, hofft Bolken, werde Watford ruhigere Nächte bescheren.

Aber eigentlich dürfte es diesen neuen Ölboom, die hohen Mieten und die reisenden Prostituierten gar nicht geben. Jedenfalls wenn Marion King Hubbert Recht gehabt hätte. Hubbert war nach dem Zweiten Weltkrieg Mitarbeiter bei dem Ölkonzern Shell und später bei der US-Geologiebehörde. Aus Hunderten Daten von Ölfeldern berechnete er, dass die Ölförderung in den USA bis etwa 1970 steigen und dann sinken werde. Die Idee von Peak Oil, dem Höhepunkt der Ölförderung, war geboren.

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