Energie Wie Seegras unseren Spritbedarf deckt

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Holz lockt mit staatlicher Förderung

Inzwischen plant Vattenfall weitere Holzkraftwerke in Deutschland und mit ihnen den Ausbau der Minibaum-Plantagen bis 2020 auf 15.000 Hektar. Ähnlich ambitionierte Pläne hat auch der Essener Konkurrent RWE.

Hinter der Expansion der Energiewälder steckt Prinzip: Der Rohstoff Holz wird immer beliebter. Auch Hausbesitzer und kleine sowie mittelständische Betriebe heizen zunehmend damit. Zwei Kilo Holzhackschnitzel ersetzen einen Liter Öl.

Die Kosten der Rohstoffe sind zwar ähnlich hoch. Wer aber mit Holz heizt, nutzt eine erneuerbare Ressource. Das bringt einerseits staatliche Förderung. Andererseits hilft es Unternehmen, ihren CO2-Fußabdruck zu verkleinern: Auf Holz spezialisierte Bioenergiebetriebe haben daher seit Jahren volle Auftragsbücher.

Das Unternehmen Dorr Energie in Kempten im Allgäu etwa, das mehrere Holzheizkraftwerke betreibt. „Vor allem Lebensmittelbetriebe und Kommunen wollen mit Holz heizen“, sagt Dorr-Manager Marcus Jakwerth. „Teils aus Kostengründen, aber auch, um klimaneutral zu produzieren.“

Brachflächen für Energieholzplantagen nutzen

Für Vattenfall könnte Holz eines Tages sogar eine Alternative zur Kohle werden. In einigen Kohlekraftwerken des Unternehmens wäre es bereits heute technisch möglich, Hackschnitzel statt Briketts zu verbrennen. Allerdings würde das klimatechnisch nur Sinn ergeben, wenn das Holz nicht weit transportiert wird – und wenn kein normaler Wald dafür geschlagen wird.

Zwar haben die Energieholzplantagen nur noch wenig mit dem heimischen Mischwald gemein. Aber: „Energiewälder werden auf Brachflächen angelegt, die für die Lebensmittelproduktion nicht infrage kommen“, sagt Bioenergieexperte Malte Trumpa vom Forschungsinstitut ttz in Bremerhaven. Zudem benötigen sie keinen Dünger: In ihrer Rinde sitzen Bakterien, die den Stickstoff aus der Luft binden.

Das einzige Problem: Die Turbobäume brauchen massenhaft Wasser. Daher gedeihen Pappeln und Weiden auf einem Testfeld in Berlin schon mit dem gereinigten Abwasser aus einem Klärwerk.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat wenig Einwände gegen die neue Holzwirtschaft. Sie würde unter dem Strich Treibhausgase binden. „Aus Klima- und Umweltsicht sind sie gegenüber Raps und Mais im Vorteil“, sagte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke, weil die Minibäume keinen Dünger und keine Spritzmittel benötigen – und weniger Traktoren über die Felder fahren.

Die Suche nach Energiepflanzen von morgen

Robust, ertragreich und anspruchslos – die Vorteile der neuen Energiepflanzen kann niemand bestreiten. Die meisten neu entdeckten Pflanzen hätten laut US-Forscher Somerville enormes Potenzial, weil sie züchterisch noch nicht optimiert seien. Unermüdlich sucht er zudem nach neuen Gewächsen, die mit weniger Ressourcen auskommen, dürreresistente Gräser etwa oder Hirsen und Sudangras.

Kurios ist seine aktuellste Neuentdeckung: die Agave. In Deutschland schmückt sie Terrassen oder Fensterbänke. In Wüsten aber wächst sie so üppig wie Getreide und liefert mindestens so viel Biosprit wie Weizen. Sie kommt zudem monatelang ohne Regen aus, weil sie im Unterschied zu anderen Pflanzen nachts Fotosynthese betreibt. Dafür öffnet sie bei Einbruch der Dunkelheit ihre Poren und saugt die Luftfeuchtigkeit auf wie ein Schwamm.

In Arizona, nahe Tucson, und in der australischen Wüste testen Forscher nun den Anbau und die Umwandlung der kaktusartigen Pflanze in Sprit. Einziger Wermutstropfen ist eine neue Nutzungskonkurrenz: Die Pflanze kann man zwar nicht essen. Aber in Mexiko wird aus ihrem Saft der berühmte Tequila-Schnaps gemacht.

Nutzt man die Agave also als Energiepflanze, entsteht keine Tank-Teller-Konkurrenz mehr. Sehr wohl aber ein Tank-Theken-Konflikt.

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