Energie Wie Seegras unseren Spritbedarf deckt

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Turbopflanze für den Tank

Neue Technologien zur Energiegewinnung
Solarzellen gehören in der Stadt von Morgen zu den wichtigsten Technologien bei der Energiegewinnung. Die Integration in die Gebäudehüllen spart Material und verbilligt den Sonnenstrom. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Strom erzeugende Straßen gehören zu der Vision des amerikanischen Startup Solar Roadways. Die Oberfläche besteht aus einem extrem harten Glas, darunter befinden sich Solarzellen. Im US-Bundesstaat Idaho wurde so der erste Strom erzeugende Parkplatz aus Solarmodulen gebaut. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Durch transparente Farbstoffsolarzellen können zusätzlich Fassadenflächen zur Energiegewinnung genutzt werden. Das australische Solarunternehmen Dyesol und der US-Glashersteller Pilkington wollen bereits in wenigen Jahren damit beginnen, Glas mit Solarzellen aus Farbstoffen zu bedrucken. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Einzelne Haushalte können sich zukünftig durch Kleinwindräder, die sich leicht auf Hausdächern und an Balkonbrüstungen montieren lassen, mit Strom versorgen. Der Branchenverband RenewableUK rechnet damit, dass in England bis 2020 Kleinwindräder mit einer Gesamtleistung von 1,3 Gigawatt installiert sein werden - so viel wie ein großes Atomkraftwerk derzeit produziert. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Elektroautos könnten in den zukünftigen Megacities direkt am Parkplatz aufgeladen werden - durch Windenergie. Sanya Skypump heissen diese Windturbinen, die vom New Yorker Kleinwindanlagen-Startup Urban Green Energy entwickelt wurden. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Selbst Biomasse lässt sich in den Städten zur Energiegewinnung nutzen. Durch Fermentierungsanlagen wird aus dem angefallenen Müll Biogas erzeugt - womit sich wiederum gasbetriebene Fahrzeuge antreiben lassen. Zudem... Illustration: Javier Martinez Zarracina
...lässt sich das gewonnene Biogas problemlos in das Gasleistungsnetz mischen. So können auch hocheffiziente Blockheizkraftwerke betrieben werden, die dann in den Kellern von Gebäuden Wärme und Strom erzeugen. Illustration: Javier Martinez Zarracina

Auch in Deutschland sind diese Pflanzen auf dem Vormarsch. Energiekonzerne wie Vattenfall, RWE und BP pachten bereits hektarweise Brachland und schlechte Böden, um die künftigen Strom-, Treibstoff- und Wärmelieferanten gedeihen zu lassen.

Spezifische Marktanalysen gibt es noch nicht. Aber ein bloßer Überschlag einzelner Investitionen ergibt, dass viele Millionen Euro in die neue Form der Bioenergie fließen. Allein in Deutschland gedeihen auf Tausenden Hektar Energiepflanzen der neuesten Generation. „Ein beachtlicher Teil des Stroms, des Kraftstoffs und auch des Erdgases wird künftig von diesen Pflanzen stammen“, sagt Agrarökologe Armin Vetter von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft in Jena.

Die große Hoffnung in der grünen Energierevolution liegt aber auf dem Seegras: Es ist eine der am schnellsten wachsenden Pflanzen überhaupt und bringt doppelt so hohe Ernteerträge wie die ertragreichsten Landgewächse. Seine biologische Bauform macht Seegras zu einer idealen Basis für Biosprit: Das schwimmende Gewächs besteht nämlich zu mehr als der Hälfte aus Zucker – bei Energiepflanzen wie der Zuckerrübe sind es nur knapp 20 Prozent. Enzyme zerlegen diese Kohlenhydrate während der Spritproduktion zu einfachem Zucker, der wiederum vergärt mit Hefen zu Biosprit.

Durchbruch der Biokraftstoffe

Aber auch an Land kommt die Erzeugung von Sprit aus Heu und Gras voran: von Biokraftstoffen. Jahrelang gelang die Erzeugung dieser Biokraftstoffe der zweiten Generation nur im Labor. Die Mengen waren schlicht zu klein für eine rentable Fabrik. Immer störte der Bestandteil Lignocellulose im Gras.

Nun ist den Wissenschaftlern der Durchbruch gelungen. Laut dem renommierten US-Bioenergieforscher Chris Somerville löst ein optimierter Enzym-Cocktail des Pilzes Trichoderma Reesei das Problem: Er spaltet die Lignocellulose und macht die Spritproduktion auch aus Gräsern vom Festland möglich. BP finanziert daher Somervilles Bioenergieinstitut mit 500 Millionen Dollar. Mit dieser exorbitanten Summe sollen rund 500 seiner Mitarbeiter erforschen, wie sich der Anbau und die Ernte von Gräsern verbessern lässt. Sie arbeiten unter anderem an Spezialmaschinen, die Halme effizienter ernten, zu Ballen pressen und häckseln.

Was Verbraucher zahlen
Stromverbraucher finden bei der Zusammensetzung des Strompreises einen Posten namens EEG-Umlage. Sie ist seit dem Jahr 2000 im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) verankert, um Ökoenergien zu fördern. Quelle: dpa
Derzeit sind 3,59 Cent je Kilowattstunde zu zahlen. Bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Jahr sind das für eine Familie Ökoförderkosten von 125 Euro pro Jahr. Gezahlt wird die Differenz zwischen dem Marktpreis, etwa für eine Kilowattstunde Solarstrom, und dem festen Fördersatz. Ein Beispiel: Quelle: dpa
Derzeit bekommt ein Hausbesitzer mit einer Solaranlage auf dem Dach 19,5 Cent pro Kilowattstunde. Wird der Strom an der Strombörse für 7 Cent verkauft, müssen die Verbraucher 12,5 Cent über die EEG-Umlage bezahlen. Quelle: dpa
Die Verwalter des Umlage-Kontos, die Übertragungsnetzbetreiber, berechnen angesichts der Anlagenzahl und Erfahrungswerten beim Wetter die möglichen Förderzahlungen und geben immer zum 15. Oktober eine Umlage für das kommende Jahr an. Verrechnen sie sich, wird das mit der nächsten Umlage korrigiert. Für 2013 werden Steigerungen bei der Umlage vorausgesagt. Quelle: dpa
Diese wären aber nicht primär dem rasant steigenden Anteil erneuerbarer Energien am Strommix (derzeit 20 Prozent) anzulasten. Industrieunternehmen wurden teilweise von Ökoförderkosten befreit, um sie in Deutschland zu halten. Gleiches gilt für Netznutzungskosten. Lasten werden also auf weniger Schultern verteilt. Quelle: dpa
Hinzu kommt eine teure Marktprämie für Besitzer von Wind- und Solarparks, die Strom selbst vermarkten. Und die mögliche Steigerung liegt in der Umlageberechnung begründet. Da immer mehr Solarstrom mittags den Börsenstrompreis senkt, wächst die Differenz zum Fördersatz und damit die Kosten für die Bürger. Der Solarstrom wird so also Opfer des eigenen Erfolges. Quelle: dpa

Kraftstoff aus Gras

Dabei interessieren sie sich vor allem für das Elefantengras, von Biologen auch Miscanthus genannt. Diese meterhohen Halme sind die ertragreichsten aller Landpflanzen – und sie müssen nicht einmal gedüngt werden. „Mais hat die höchsten Flächenerträge unter den Kulturpflanzen – aber Miscanthus bringt mehr“, sagt Agrarexpertin Lewandowski. Mit diesem Wundergras gelingt es Forschern neuerdings, in großem Umfang Biokraftstoff herzustellen.

Zwischen endlosen Weiden verwandeln etwa Bauern in Florida stillgelegte, ertragsschwache Felder in Elefantengrasplantagen. 20.000 Hektar hat der Ölkonzern BP bereits unter Vertrag. Denn in Highlands County im Bundesstaat Florida errichtet der Konzern eine der ersten industriellen Biospritanlagen, die keine Nahrungsmittel in Ethanol umwandelt, sondern Elefantengras.

Pipelines und Tanklastkraftwagen sollen von dort ab 2014 knapp 100 Millionen Liter Sprit pro Jahr ins ganze Land transportieren. Sechs weitere solcher Fabriken befinden sich zudem im Bau. Der Anteil von Gräsern an der Biospritproduktion, das bezweifelt kaum ein Experte, wird in den nächsten Jahren stark zunehmen.

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