Energieversorgung Was sich seit Fukushima verändert hat

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Deutschland

Der Windpark BARD Offshore 1 in der Nordesee Quelle: dpa

Emden

Wie weit Wunsch und Wirklichkeit bei der deutschen Energiewende auseinanderklaffen, lässt sich 100 Kilometer nordwestlich von Emden beobachten, auf der Baustelle des ersten kommerziellen deutschen Meeres-Windparks Bard Offshore 1. Gut zwei Jahr ist das Projekt verspätet, nun soll alles ganz schnell gehen. Mit Wucht stemmen Bard-Monteure trotz oft widrigem Wetter Fundamente für die tonnenschweren Windräder in den Meeresgrund. Wegen der Verzögerung und den schwierigen Bedingungen in so tiefem Wasser weit vor der Küste sind die Baukosten von geplanten 1,5 auf 2,9 Milliarden Euro in die Höhe geschossen. Und von den 80 Mühlen, die einmal rund 500.000 Haushalte mit Strom versorgen sollen, drehen sich erst 19. Experten sind daher skeptisch, ob die Erlöse aus dem Stromverkauf die Investition jemals decken werden.

Dabei sollen riesige Windparks wie Bard 1 in Nord- und Ostsee nach den Plänen der Bundesregierung schon Ende des Jahrzehnts den Großteil des Atomstroms ersetzen. Doch nach einer Analyse der Bremer Energieexperten von wind:research rückt das Ziel in weite Ferne: Bleibt es beim derzeitigen Ausbautempo fehlen 2030 fast 10.000 der eingeplanten 25.000 Megawatt.

Platzende Träume

Weitere Probleme sind absehbar. Der Netzbetreiber Tennet, der alle Nordsee-Windparks an das deutsche Stromnetz anschließen muss, kalkuliert dafür Kosten von 15 Milliarden Euro und erklärt sich außer Stande, diese allein zu finanzieren.

So platzt jetzt, ein Jahr nach der Energiewende und dem Beschluss zum endgültigen Atomausstieg, ein Traum nach dem anderen – nicht nur der vom billigen Meereswindstrom.

Nur wenige Kilometer Leitungen sind bisher im Bau, um die rasch wachsenden, aber stark schwankenden Mengen an Sonnen- und Windelektrizität in die Netze zu integrieren. Ebenso wenig vorangekommen ist der Bau von Speichern, um das Grünstromangebot zwischenzulagern. Die Folge: Das Stromnetz gerät immer häufiger an die Grenzen seiner Belastbarkeit.

Nicht besser steht es um den Bau schnell regulierbarer Gaskraftwerke, die eigentlich das unberechenbare Angebot an Ökoenergie ausbalancieren sollen. Weil sie unter den jetzigen Rahmenbedingungen nur sporadisch bei Stromengpässen zugeschaltet werden, bringen sie keinen Gewinn – Investoren ziehen sich zurück.

Realistische Konzepte erwünscht

Und weil Umweltminister Röttgen wegen der ausufernden Kosten die Vergütung für Fotovoltaikstrom zusammenstreichen will, bangen in Thüringen und Sachsen-Anhalt Tausende Beschäftigte von Solarmodulherstellern um ihre Jobs.

So lehrt ein Jahr Energiewende eines: Soll die Versorgung sicher und bezahlbar bleiben, muss Schluss sein mit dem bisherigen Illusionstheater. Nichts erwarten alle Beteiligten sehnlicher, als endlich ein realistisches und stimmiges Umstiegskonzept für den deutschen Sonderweg zu haben.

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