
Zwei, drei Monate dauerte es, bis der Tsunami vor der Ostküste Japans auch ein paar abgeschiedene Pazifikinseln erreichte und tonnenweise Plastikmüll auf die weißen Sandstrände spülte. Sogar Teile von zerstörten Fischerbooten, Fernseher und Kühlschränke schwemmten an die Küste: Mahnmale einer regional begrenzten Katastrophe, die in ihrer Mischung aus spektakulärem Naturereignis (Flutwelle) und multimedial verbreitetem Zivilisationsunfall (Nukleardebakel) nicht nur weltweit für Erschütterung sorgte – sondern auch globale Dauerfolgen auslöste.
Und während sich in Japan Tausende Menschen fragen, ob sie jemals wieder in ihre Heimat zurückkehren können, wird seitdem in vielen Ländern über die Kernkraft an sich debattiert: Ist die Nutzung der Technik wegen ihrer Unbeherrschbarkeit verantwortungslos? Ein preiswerter Garant für mehr Wachstum? Oder eine klimafreundliche Brückentechnologie ins grüne Zeitalter?
Grüne Lückenfüller
Deutschland hat seine Antwort gefunden und sich infolge der Katastrophe mit der Energiewende in das größte industriepolitische Wagnis seiner Geschichte gestürzt: 2022 soll nach dem Willen der Politik der letzte Atommeiler vom Netz gehen.
Dabei trägt die Kernkraft immer noch 18 Prozent zur Stromversorgung bei. Diese Lücke sollen grüner Strom, ein effizienterer Umgang mit Energie und neue, moderne Gaskraftwerke schließen. Der Plan ist nicht unrealistisch, bedeutet aber einen Komplettumbau der Energieversorgung, mit Folgen für alle – für Verbraucher, Unternehmen und die Menschen in unseren Nachbarländern. Denn das Unglück von Fukushima hat auch das Gefüge der europäischen Energieversorgung durcheinandergebracht.
Der langjährige Stromexporteur Deutschland könne künftig öfter Importeur werden, warnen Kritiker. Exportiert hat Deutschland dagegen die Ausstiegsdebatte: Zu einem ähnlichen Schritt entschloss sich etwa die Schweiz. Und auch im französischen Präsidentschaftswahlkampf spielt das Thema eine Rolle. Selbst Russen debattieren über die Atomkraft – jedoch mit anderen Ergebnissen: Sie wollen neue Meiler bauen, auch, um künftig Deutschland mit Strom zu beliefern.
Abhängigkeit reduzieren
Die Entscheidungen, die seit der Katastrophe von Fukushima gefallen sind, werden die nächsten Jahrzehnte prägen. Sie geben die Richtung vor bei vielen existenziellen Fragen – etwa wie künftig mehr Menschen mit Strom versorgt werden können, ohne das Klima grenzenlos zu belasten, wie wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren und letztlich auch bei der Frage, wie Unternehmen in Deutschland mit bezahlbarer Energie versorgt werden können.
Wie unterschiedlich die Reaktionen auf das Reaktorunglück waren, zeigt eine Reise durch unsere energiebewegte Welt ein Jahr nach dem Reaktorunglück. Dabei ist vor allem eines unübersehbar: Kein anderes Land hat so hektisch und teils irrational auf das Unglück reagiert wie Deutschland. Anderswo hat man eher versucht, möglichst schnell zum Tagesgeschehen überzugehen.