Die „Elektrolyseur“ genannte Energiemaschine des britischen Herstellers ITM Power etwa, die in Ibbenbüren zum Einsatz kommt, liefert Wasserstoff, den RWE mit Erdgas vermischt in einem Blockheizkraftwerk zu Strom und Wärme verfeuert. Daneben treibt Wasserstoff Fahrzeuge an, und er lässt er sich – kombiniert mit anderen Substanzen – in wichtige Basischemikalien für die Industrie verwandeln.
Jährlich 30 Milliarden Euro Investitionen
Und so ist der Auftritt von Neuhaus in Ibbenbüren auch so etwas wie eine Kampfansage des ansonsten wegen seiner zögerlichen Strategie in der Energiewende kritisierten Essener Konzerns. Diesmal will der Elektrizitätsriese nicht im Bremserhäuschen sitzen.
Universelle Verwendungszwecke von Wasserstoff
Wasserstoff ersetzt Benzin und Diese.
Vorteil: emittiert nur Wasserdampf
Nachteil: erst wenige Tankstellen
Wasserstoff ersetzt Erdöl, Erdgasmund Kohle.
Vorteil: Nutzung der vorhandenen Erdgasnetze möglich
Nachteil: hohe Umwandlungsverluste bis zu 70 Prozent
Wasserstoff ersetzt Erdöl als Basis für Basischemikalien.
Vorteil: weniger fossile Rohstoffe werden verbraucht
Nachteil: noch zu geringe Menge verfügbar
Es winkt ein gigantisches Geschäft. Schließlich müssten anfangs jährlich 30 Milliarden Euro und mehr in neue Wasserstoffinfrastrukturen investiert werden – allein in Deutschland. Das zeigt eine Studie der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg und des Berliner Beratungsunternehmens Energy Brainpool.
Um beim angepeilten Komplettumstieg auf erneuerbare Energien genug Wasserstoff für Strom, Fahrzeuge und Chemie verfügbar zu haben, müssten laut Hochrechnung bis 2050 bundesweit Elektrolysesysteme mit einer Leistung von 268 000 Megawatt installiert werden. Das wäre weit mehr als die heutige Kapazität in Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken von 180 000 Megawatt.
In seiner Dimension wäre der Einstieg ins Wasserstoffzeitalter damit nur mit der Energiewende selbst vergleichbar.
Nicht nur RWE wittert Chancen. Auch andere Unternehmen wollen vorn dabei sein und starten Pilotprojekte. In Bonn stellte der britische Technologiekonzern GKN jüngst einen Wasserstoffspeicher auf Basis von Eisentitan vor. Es hält – bei geringem Druck – große Mengen Wasserstoff auf engstem Raum fest. Solche Speicher könnten etwa den Wasserstoffantrieb für Autos technisch handhabbarer und billiger machen.





In Mainz sammeln die Stadtwerke, der Gasespezialist Linde, Siemens und die Hochschule RheinMain seit Mitte Juli Erfahrungen mit der weltweit leistungsstärksten Elektrolyseanlage. Das Siemens-Aggregat leistet sechs Megawatt und soll bis zu 200 Tonnen Wasserstoff im Jahr erzeugen. Gemessen am globalen Verbrauch des Gases von aktuell gut 30 Millionen Tonnen, ist das verschwindend wenig – aber ein Anfang.
Jule Verne hat's geahnt
Schon der französische Science-Fiction-Autor Jules Verne träumte davon, Wasserstoff als unerschöpfliche Energiequelle zu nutzen. Wasser werde „die Kohle der Zukunft“, weissagte er 1870 im Buch „Die geheimnisvolle Insel“.
Siemens und der Pharmakonzern Bayer betreiben mit RWE in der Nähe von Köln eine weitere Elektrolyseanlage. Sie erproben dort die Weiterverarbeitung von Wasserstoff zu chemischen Grundprodukten. RWE-Konkurrent E.On mischt ebenfalls mit. Im brandenburgischen Falkenhagen verkauft er grünen Wasserstoff an Privatkunden als Heizenergie.