Energiewende Windräder verwandeln unsere Landschaften

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Vitalität und verblüffende Farbigkeit

Begrenzter Spielraum bei der Gestaltung von Windkraftanlagen. Fast wirkungslos blieben die Versuche, einen Farbverlauf auf die Säulen aufzutragen, der die Windmühlen den Farben der Landschaft anpassen soll Quelle: dpa

Im Unterschied zu früheren Jahrhunderten, in denen durch Braunkohletagebau und Trockenlegung der Moore die Grundstrukturen der Landschaft umgepflügt wurden, verändern sich mit den erneuerbaren Energien, wie Schöbel sagt, „nur“ ihre „ästhetischen Eigenschaften“: Windenergieanlagen können zurückgebaut werden. Gerade wegen der riesigen Turmhöhen und Rotoren-Durchmesser der Windräder komme es darauf an, sie sinnvoll in die Landschaft zu integrieren, durch Anordnung in Kurven, Kreisbögen oder Parabeln, in Figuren und Formationen, die es dem menschlichen Auge erlauben, die Höhendimensionen zu bewältigen.

Schöbel will mit Windenergieanlagen keine neue Kunst, keine Land-Art, schaffen, er will sie für die Menschen „akzeptabler“ gestalten. Dafür sind Konzepte über Gemeindegrenzen hinweg nötig: Regionale Planungsgemeinschaften könnten die an der Topografie der Landschaft orientierte Zuordnung der Anlagen vorgeben.

Designer sind gefragt

Doch gerade die Regionalplanung, so Frank Lohrberg, Professor für Landschaftsarchitektur an der RWTH Aachen, sei in den vergangenen Jahren systematisch geschwächt worden: Sie reagiere defensiv und argumentiere „mit retrospektiven Empfindlichkeiten“, statt „neue Szenarien zu eröffnen“. Die Folge: Es gebe niemanden, der die Energiewende gestalten, der die Konzepte für das Zusammenspiel von Windmühlen und Topografie umsetzen könne. „Neue Allianzen“ seien gefragt: Anlagenbauer, „die auch die Landschaft sehen“, staatliche Planung, die „neue Raumqualitäten anstrebt“, und Designer, die das Produkt Windkraft gestalten.

Der Spielraum ist freilich begrenzt. Selbst einem Meister wie Norman Foster fiel nicht viel mehr ein als der sonst eckigen Gondel ein eiförmiges Gewand zu verpassen. Ähnlich wirkungslos sind die Versuche, einen Farbverlauf auf die Säulen aufzutragen, der die Windmühlen den Farben der Landschaft anpassen soll. Die Szenarios für neu gestaltete, experimentelle Energielandschaften liegen einstweilen noch in den Schubladen der Planer, reale Beispiele kann man an einer Hand abzählen: Da gibt es etwa den Energieberg Georgswerder, ein Projekt der IBA Hamburg mit vier Windrädern und einer auf 10 000 Quadratmeter Fläche konzipierten Fotovoltaikanlage, oder den Lausitzer Tagebau Klettwitz, wo ein Windenergiepark in Nachbarschaft der Tagebaugrube entstanden ist.

Mehr Mut, mehr Experimente

Lohrberg hat im Auftrag der Regionale 2010 Köln-Bonn mit seinem Stuttgarter Landschaftsarchitekturbüro und dem Forschungszentrum Jülich vorgeschlagen, neue Formen des Biomasseanbaus zu erproben. Statt Maisfelder sollen im Rheinland „bunte Wiesen“ entstehen, „wie im Allgäu“. In Gelsenkirchen entwickelt er im Auftrag der RAG für den Standort der ehemaligen Zeche Hugo ein Parkkonzept für Biomasse: In Reihe gepflanzte Pappeln und Weiden sollen alle paar Jahre abgeerntet werden, um Hackschnitzel zu gewinnen. „Wir greifen die Schönheit der Reihe auf“, sagt Lohrberg, „die Vitalität und verblüffende Farbigkeit des frischen Austriebs nach der Ernte. So wird aus dem profanen Holzacker ein Park – so hoffen wir.“

Lohrberg ist für mehr Mut, für mehr Experimente in und mit der Landschaft. Warum etwa, fragt er, sind Windräder nicht auch als Aussichtstürme zu nutzen, um ihr „landschaftssteigerndes Potenzial“ dem Publikum zugänglich zu machen? In den nächsten Jahren entscheide es sich, ob wir unsere Landschaften „im Sinne eines großen Heimatmuseums bewahren“ oder ob der Energiehunger auch „vor der Haustür“ zu neuen Energielandschaften führt.

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