Vielleicht ist es am Ende tatsächlich so, wie der Hamburger Meteorologe Hans von Storch sagt: „Die Klimaforschung riskiert, das Vertrauen der Menschen zu verspielen.“ Zu oft, so seine Kritik, machten die Forscher den Fehler, vorschnell Katastrophenszenarien auszurufen und ihre Theorien im Nachhinein zu reparieren.
Es ist noch nicht lange her, da hieß es, die Erderwärmung ließe sich kaum noch auf zwei Grad beschränken. Wir müssten uns eher auf vier Grad einstellen, mit allen katastrophalen Folgen wie Überschwemmungen, Dürren und Artensterben.
Doch kommt es wirklich so? In den vergangenen 15 Jahren sind die Temperaturen auf der Erdoberfläche weitgehend konstant geblieben. Dabei stieg die Menge des gefürchteten Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) in der gleichen Zeit aber kräftig an. Rund 300 Milliarden Tonnen CO2 sind zwischen 2000 und 2010 in die Atmosphäre gelangt – das entspricht laut der Organisation Global Carbon Project einem durchschnittlichen jährlichen Plus von gut drei Prozent.
Haben wir uns also geirrt? Hat CO2 in der Atmosphäre doch weniger Wirkung auf die Erderwärmung als befürchtet? Müssen wir neu rechnen? Oder droht womöglich Gefahr an ganz anderer Stelle?
Wie immer in der Wissenschaft gibt es auf diese Fragen keine einfachen Antworten. Und manche Wechselwirkungen im Klima sind noch unklar, zudem mangelt es an entscheidenden Stellen an Daten.
Das heißt nicht, dass die Klimaforschung per se falsch liegt. Vielmehr müssen wir uns daran gewöhnen, dass Wissenschaftler in den nächsten Jahren die eine oder andere Aussage wieder einkassieren müssen – in der sich fortentwickelnden Forschung ist das normal. Unglaubwürdig wurden einige Vertreter nur durch „anscheinend unfehlbare Katastrophenszenarien“, sagt von Storch.
Aber vielleicht beginnt ja nun das Zeitalter der leiseren Klimaforscher, die zahlengetrieben nach der Wahrheit suchen. Denn die Klimawissenschaft steht vor einem Problem: Laut ihren Computersimulationen müsste es auf der Erde längst viel wärmer sein. Tatsächlich liegt die Temperatur am unteren Rand der Erwartungen – und stagniert (siehe Grafik).
Ein Teil der Klimamodelle reagiere womöglich zu empfindlich auf den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre, meint deshalb der britische Meteorologe Ed Hawkins. Sprich, die Simulationen überschätzen die Erwärmung.
Um diese Beobachtung zu belegen, hat Hawkins kürzlich zusammen mit Kollegen Modellsimulationen und Temperaturmessungen verglichen. Tatsächlich: Einige Modelle zeigen eine zu starke Erwärmung. Daraus ziehen die Forscher den Schluss, dass die Temperatur bis 2025 – im Vergleich zu 1995 – im Schnitt nur um 0,9 Grad Celsius steigen wird. Bisher waren sie von maximal 1,2 Grad Anstieg ausgegangen.
Schwache Modelle und kühne Forscher
Das klingt zunächst unscheinbar, hat aber weitreichende Folgen. Denn jedes Zehntel Grad mehr erhöht das Risiko, dass die Meeresspiegel schneller ansteigen und die Menschheit mit mehr Hitzewellen fertigwerden muss. Noch weiter und detaillierter wollten Hawkins und sein Team nicht in die Zukunft schauen, weil die Modelle zu schwach seien.
Andere Forscher sind da kühner. So sorgt aktuell eine Untersuchung eines Teams um den norwegischen Meteorologen Terje Berntsen von der Universität Oslo für Aufsehen. Er setzte die aktuellsten Klimadaten in ein Modell ein und rechnete in die Zukunft.
Das Ergebnis: Wenn sich die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre verdoppelt, wird sich die Erde mit größter Wahrscheinlichkeit zwischen 1,2 und 2,9 Grad erwärmen. Steigt der CO2-Ausstoß im gleichen Tempo wie bisher, ist dieser Grenzwert im Jahr 2050 erreicht.
Im Rahmen dieser Spanne müssten wir bis dahin wohl – so legen es Berntsens Ergebnisse nahe – mit einem Temperaturanstieg von zwei Grad rechnen. Bisher ging der Weltklimarat (IPCC) davon aus, dass sich die Erde bei einer CO2-Verdoppelung zwischen 2,0 und 4,5 Grad erwärmt – mit drei Grad als wahrscheinlichster Variante.
Der Klimawandel in Zahlen
Um 70.000 km² – das entspricht etwa der Größe Bayerns – ist der Eispanzer der Arktis in diesem Sommer gegenüber 2007 geschrumpft. 2050 könnte das nördliche Polarmeer im Sommer eisfrei sein.
Fast verfünffacht hat sich die Zahl der Wetterkatastrophen in Nordamerika seit 1980. In Asien legte sie um das Vierfache, in Europa um das Zweifache zu.
Rund ein Drittelsaurer sind die Meere geworden. Folge: Korallen, Muscheln und Fische wachsen langsamer. Bis 2100 könnte die Versäuerung um 150 Prozent steigen.
0,4°C ist die Erde seit 1980 wärmer geworden. Bis 2100 könnte sich das Klima um rund vier Grad aufheizen.
Um 5 cm sind die Meeresspiegel seit 1990 im Mittel gestiegen. Bei einer globalen Erwärmung um zwei Grad werden die Pegel wahrscheinlich um 2,7 m höher sein.
Um 15 Prozent sinkt die Reisproduktion bis 2050 in den Entwicklungsländern als Folge der globalen Erwärmung. Bei Weizen werden 13 Prozent weniger geerntet werden.
Die Erderwärmung könnte also weniger stark ausfallen, als viele Experten bisher dachten. Noch ist die Studie von Berntsen nicht in einem Fachmagazin publiziert. Aber eine internationale Forschergruppe unter Leitung der Universität Oxford kommt zu ähnlichen Resultaten.
Caroline Leck, Meteorologin an der Universität von Stockholm, glaubt deshalb, dass die Welt Zeit gewinnt, den Klimagasausstoß zu senken. Für alle, die sich bisher vor den Worten der Untergangspropheten fürchteten, sind das gute Nachrichten.
Warum steigen die Temperaturen nicht mehr?
Wenn es jemanden gibt, den die aktuelle Debatte um das Klima nicht überrascht, dann ist es Mojib Latif. Zwar lässt der Leiter des Bereichs Ozeanzirkulation und Klimadynamik des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel keine Talkrunde und keine Zeitungsspalte aus, um vor den katastrophalen Folgen der Erderwärmung zu warnen. Doch er betont: „Wir haben schon 2008 mit unserem Team errechnet, dass es sich bis 2015 nicht erwärmen würde.“ Bereits damals vermutete Latif, dass Vorgänge in den Ozeanen die Erwärmung zeitweise abschwächen können.
Vor allem der südliche Atlantik, so hat es Latif in einer aktuellen Studie berechnet, erwärme sich derzeit. Die Tiefsee speichert dort in langjährigen Zyklen Wärme und senkt so die Temperatur auf der Erdoberfläche – vor allem regional, aber auch global. Das erkläre auch, sagt Latif, warum die antarktische Eisfläche zunimmt. Am Nordpol schmilzt sie dagegen rapide.
Diese These vertreten viele Forscher. Im März erschien eine Studie eines Teams um die Meteorologin Magdalena Balmaseda aus England, die zeigen soll, dass „die Erwärmung im Wasser ab 700 Meter Tiefe nie so stark wie in den letzten Jahren war“.
Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die Erwärmung gar nicht pausiert, sondern sich in den Ozeanen fortsetzt.
Das Problem ist nur: Die Datenbasis ist dünn, vielleicht zu dünn. Zwar existieren seit rund 50 Jahren Messdaten für die Temperatur an der Meeresoberfläche. Von dort aber, wo die Autoren die stärkste Erwärmung vermuten, in Tiefen ab 700 Metern, existieren nur wenige Messungen von Bojen und Tauchthermometern.
Das bedeutet, dass die Forscher nicht endgültig nachweisen können, weshalb die Temperaturen aktuell stagnieren. Die schwache Datenlage überbrücken sie mit komplexen Computermodellen.
Doch das überzeugt nicht alle Experten. „Die Unsicherheiten bei solchen Berechnungen sind noch groß“, kritisiert Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Marotzke ist einer der Hauptautoren für den nächsten Bericht des Weltklimarates. Um endlich Klarheit in der Wasser-Frage zu erhalten, fordert er wie viele andere Forscher, die Ozeane endlich gründlich zu untersuchen.
„Über die Rückseite des Mondes weiß man mehr als über den Meeresgrund“, klagt er. Erst mit mehr Daten könnte man mit Sicherheit sagen, ob sich die Erwärmung in die Meere verlagert.
Welche Rolle spielt die Natur bei der Erderwärmung?
Ein weiteres Problem für die Forscher auf der Suche nach der fehlenden Erwärmung ist, menschengemachte von natürlichen Ursachen zu unterscheiden. So bringt eine schwankende Witterung etwa Pazifikanrainern abwechselnd Dürre und Überflutungen. Zudem verändern diese auch El Niño und La Niña genannten Schwankungen weltweit Luft- und Meerestemperatur.
Wie extrem diese Phänomene sind, erlebte die Welt 1998. Damals führte Rekordhitze in den USA zu Ernteausfällen und Schäden in Höhe von zehn Milliarden Dollar. Ein starkes El-Niño-Ereignis machte das Jahr zum heißesten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Seitdem aber dominierten La-Niña-Phasen, in denen die Lufttemperatur weltweit sinkt.
Hat also eine atypische Häufung natürlicher Ereignisse die Wärmepause ausgelöst? Klar zu beantworten ist das derzeit nicht. Denn chaotische Kurzfristphänomene und langfristige Schwankungen überlagern sich. Zum Beispiel die sogenannte „Atlantische-Multidekaden Oszillation“, eine Meeresströmung, die auf der Nordhalbkugel die Temperatur stark beeinflusst. Diese Klimaschaukel dauerte im vergangenen Jahrhundert rund 70 Jahre. In diesem Takt nahm die Temperatur im Nordatlantik zu und wieder ab.
Die letzte atlantische Erwärmung begann etwa 1965. Das habe zum globalen Temperaturanstieg bis 2000 beigetragen, glauben zum Beispiel die Forscher Ka-Kit Tung und Jiansong Zhou von der University of Washington in Seattle. Seit 2005 aber geht es mit der Atlantischen Oszillation wieder bergab. Auch das könnte die Aufheizung des Weltklimas durch menschengemachte Treibhausgase gebremst haben.
Jenseits der natürlichen Phänomene gibt dem Hamburger Klimaforscher Jochem Marotzke vor allem eines zu denken: „Von der Energie, die in Form von Sonnenstrahlen in die Erdatmosphäre eindringt, geht nicht alles wieder hinaus“, sagt er. Das hätten viele seiner Kollegen mit Messungen in den vergangenen Jahren nachgewiesen. Nur wo diese Hitze im Treibhaus geblieben ist, weiß derzeit niemand.
Deshalb vermuten einige Forscher, dass in jüngster Zeit weniger Sonnenlicht auf die Erde gelangt ist. Als Ursache kommen sogenannte Aerosole infrage – feine Partikel in der Luft, die das Sonnenlicht wie ein Spiegel abschirmen. Ulrike Lohmann von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich glaubt, dass Aerosole den Temperaturanstieg um bis zu einem Drittel gebremst haben könnten.
Unklar ist allerdings, wo genau die kühlenden Teilchen herkommen. Lohmann hat vor allem asiatische Kohlekraftwerke im Verdacht. Die stoßen riesige Mengen schwefliger Partikel aus. Andere Forscher verweisen auf eine Reihe von Vulkanausbrüchen in den vergangenen Jahren. Auch deren Schmutzwolken könnten Sonnenstrahlung reflektiert haben. Aber ob Kohlekraftwerke oder Vulkane: Werden die spiegelnden Aerosole in der Luft weniger, nimmt die Erwärmung wieder zu.
Die ernüchternde Bilanz, die Jochem Marotzke aus dem Forscherstreit zieht: „Es passiert da etwas sehr Spannendes, aber wir verstehen es derzeit nicht wirklich.“
Bei allem Rätseln um die Ursachen der fehlenden Erwärmung sind sich fast alle Forscher in einem einig: Zwar strahlt die Sonne aktuell schwächer als in den Jahrzehnten zuvor. Doch der Effekt ist so gering, dass er nur einen Bruchteil zur aktuellen Erwärmungspause beigetragen hat.
Wo wirkt sich der Klimawandel heute schon aus?
Auf australischen Wetterkarten gibt es seit Januar eine neue Farbe: Dunkelviolett. Die staatliche Wetterbehörde erweitert damit ihre Temperaturskala – auf 50 Grad Celsius und mehr. Bei dieser Hitze schalten sich Smartphones sicherheitshalber ab. Und das wird künftig öfter passieren: Die Zahl der extremen Hitzetage verdoppelte sich laut der australischen Klimakommission in den vergangenen 50 Jahren. Die Folgen zeigten sich im Januar, dem heißesten Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen: Dutzende Großfeuer fraßen sich in die Landschaft, verbrannten Häuser und Vieh.
Weltweit nehmen in den vergangenen Jahren extreme Wetterereignisse zu: Nur ein Zusammenhang mit dem Klimawandel lässt sich oft kaum nachweisen. Dazu muss man Zeiträume von mehreren Jahrzehnten betrachten – wie jüngst eine Studie des Rückversicherers Munich Re, die Naturkatastrophen in Nordamerika seit 1980 untersuchte. Demnach hat sich die Zahl der Wirbelstürme seither mehr als verdoppelt – und sie richteten in den vergangenen fünf Jahren die höchsten Schäden an.
Folgen des Klimawandels in Deutschland
Zwischen 1901 und 1910 lag die Jahresmitteltemperatur in Deutschland je nach Region zwischen 7 und 12 Grad, zu den wärmsten Gegenden zählten der Oberrheingraben und das Kölner Becken. Bis zum Vergleichsjahrzehnt 2001 bis 2010 stiegen die Temperaturen je nach Region zwischen 0,25 und 2 Grad. Besonders sichtbar sind diese Sprünge in Teilen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt, aber auch in Teilregionen von Hessen und Bayern. Nur in einem schmalen Korridor zwischen Kiel, Hamburg und Hannover blieb es kühler. Auf der Basis dieser Werte rechnen die Forscher zwischen 2011 und 2100 mit einem weiteren Anstieg der Werte um 3,6 bis 4 Grad - je nach Region. Das ist die Grundlage für die Berechnung der Szenarien für einzelne Regionen. Die Einzelergebnisse für jeden Landkreis werden aber erst Anfang Dezember veröffentlicht.
Die Wasserressourcen fallen in den kommenden Jahrzehnten je nach Region sehr unterschiedlich aus. So haben Modellberechnungen für die Ems ergeben, dass sie eher mehr Wasser führen wird als heute - außer im Sommer. Ganz anders sieht es für die Elbe aus. In ihrem Einzugsgebiet gibt es nach den Szenarien weniger Wasser, weil es im Sommer seltener regnet und durch die Hitze auch mehr Wasser verdunstet. Die Schneeschmelze im Winter kann die Gesamtbilanz nicht mehr ausgleichen. Extreme Niederschläge im Winter steigern aber gleichzeitig das Hochwasserrisiko. Wassermangel in Flüssen hat nicht nur Folgen für Flora und Fauna. Auch die Schifffahrt kann beeinträchtigt werden. Mit großer Knappheit wird im Leipziger Becken, im Oderbruch, Sachsen-Anhalt und in der Oberrheinebene gerechnet.
Mehr Wärme könnte die Vegetationsperiode der Bäume verlängern. Das führt erst einmal zu positiven Effekten: Wälder könnten mehr schädliches Kohlendioxid aus der Luft filtern. Und die Forstwirtschaft hat durch das Wachstum etwas mehr Holz zur Verfügung. Diese Pluspunkte könnten aber durch die größere Trockenheit gleich wieder schwinden. Denn sie stresst die Wälder und macht Bäume anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Dazu steigt zum Beispiel in Brandenburg die Waldbrandgefahr um 16 Prozent. Buchen gelten als Verlierer der Entwicklung, Kiefern zählen eher zu den Gewinnern. Für die Zukunft empfehlen die Forscher die Pflanzung von Mischwäldern - um mögliche Ausfälle einer Baumart ausgleichen zu können.
Die gute Nachricht lautet, dass ein Rückgang der Produktion eher unwahrscheinlich ist. Denn die Vegetationszeit verlängert sich durch mehr Wärme, Winterkulturen profitieren davon. Im Sommer lassen sich trockenere Böden von Jahr zu Jahr durch Spielräume bei Fruchtarten, Sortenwahl und Düngung kompensieren. Ein Problem aber wird in einigen Regionen häufiger Wassermangel durch zu wenig Regen im Sommer. Das trifft vor allem Mais und andere Sommerkulturen, weil sie früh beim Wachstum gehemmt werden. Hier können Investitionen wie zum Beispiel in Rückhaltebecken oder künstliche Bewässerung ins Geld gehen. Ein Umdenken ist auch bei Drainagen gefragt - denn dadurch geht Grundwasser verloren.
Im Sommer wird die Hitze das Flusswasser in einigen Regionen wahrscheinlich so erwärmen, dass es nicht mehr als Kühlwasser für Kraftwerke verwendet werden kann. Sie müssten zeitweise abgeschaltet werden. Auch bei Wasserkraftwerken ist wegen weniger Wasserdruck im Sommer mit Einbußen zu rechnen. Beim Wind und Sonne rechnen Wissenschaftler besonders im Winter mit einer leichten Zunahme der Auslastung. Da die Kraftwerke im Sommer beeinträchtigt sind, nutzt das zum Ausgleich ohne effektive Speicher nicht viel.
Sichtbar wird die Erderwärmung auch an Gletschern weltweit: Der Quelccaya-Gletscher in Peru etwa ist so weit zurückgegangen wie zuletzt vor 6000 Jahren. Das könnte in der Hauptstadt Lima zu Problemen führen, denn für sie ist die Eiszunge eine wichtige Trinkwasserquelle.
Nirgends aber macht sich die Erwärmung heute so bemerkbar wie in der Arktis. Gegenüber dem Schnitt der Jahre 1979 bis 2000 hat sich deren Eiskappe halbiert. Mehr als die elffache Fläche Deutschlands ist verloren gegangen. Im Sommer 2016 könne das Polarmeer eisfrei sein, warnt der Ozeanphysiker Peter Wadhams von der Universität Cambridge. Mögliche Folge: Der dann dunkle Ozean absorbiert mehr Sonnenlicht und wird noch wärmer, der Seeboden taut auf und gibt in Massen Methan frei. Das wäre fatal, weil ausgerechnet Methan eines der stärksten Klimagase ist.
Was kostet uns der Klimaschutz?
Ganz genau werden das Wissenschaftler erst in einigen Jahrzehnten wissen. Klar aber ist: Nicht nur die Temperaturkurven verlaufen anders als geplant. Auch die Kosten des Klimaschutzes weichen von den Berechnungen ab. Noch vor einigen Jahren nahm das Umweltbundesamt an, dass die Vermeidung von CO2 Deutschland vier Milliarden Euro pro Jahr kosten werde. Ex-Weltbank-Ökonom Nicholas Stern glaubt gar, dass eine Begrenzung des Temperaturanstiegs nur möglich sei, wenn die Staaten jährlich zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Klimaschutz ausgeben. Deutschland müsste dann rund 53 Milliarden Euro berappen, 20 Milliarden mehr als der deutsche Verteidigungshaushalt.
Doch egal, wie man rechnet: Die Vermeidung von CO2 – der Kern der Klimaschutzpolitik – wird noch teurer als gedacht. Grund dafür ist, dass sich mit neuen Technologien offenbar weniger CO2 vermeiden lässt als erhofft und dass die Erfolge durch den Emissionshandel geringer sind als angenommen. Das ist aus dem Kreis der IPCC-Gutachter zu hören. Offiziell kommentieren sie das nicht, weil der aktuelle Bericht zu dem Thema noch nicht fertig ist.
Muss sich die Welt also mit höheren Deichen und der Umsiedlung von Menschen aus überflutungsgefährdeten Gebieten an den unvermeidbaren Wandel anpassen?
Wie aus dem Klimagas CO₂ Schaumstoff wird
CO₂ lässt sich unter anderem in fossilen Kraftwerken gewinnen, wo es dem Abgas mithilfe der Rauchgaswäsche entzogen wird.
Verflüssigt kann das CO₂ zur Weiterverarbeitung transportiert oder – gasförmig – direkt vor Ort chemisch umgewandelt werden.
Im Idealfall werden Wärme oder Wasserstoff und der benötigte Strom mit regenerativen Quellen wie Windkraft erzeugt.
Mithilfe von Katalysatoren werden die CO₂-Bausteine Kohlenstoff und Sauerstoff mit anderen Elementen zu neuen Chemikalien umgebaut.
Die Basis-Chemikalien können in der weiteren Produktion chemisch identische Stoffe ersetzen, die bisher auf Erdölbasis hergestellt werden.
CO₂-basierte Polykarbonate, Polyurethane aber auch Methanol lassen sich zum Beispiel zu CDs, Schaumstoffen oder Treibstoff verarbeiten.
Es wird wohl nicht ohne gehen, weil ein bestimmtes Maß an Klimawandel nicht aufzuhalten ist. Doch billiger wird auch dieser Weg nicht. Denn sieht man einmal von den Kosten des Klimawandels selbst ab – Dürren und Wüstenbildung, Waldbrände und Hitzetote –, wird auch die Anpassung an den Wandel teurer als geplant.
Bislang gingen Klimaforscher grob davon aus, dass dieser Prozess ein Fünftel der Vermeidung von Treibhausgasen kosten werde. Doch diese Faustformel basierte auf wenig belastbaren Zahlen.
Das zeigt das Beispiel Küstenschutz. Hier veranschlagte die EU vor einigen Jahren insgesamt Kosten von zwei Milliarden Euro pro Jahr. Aktuelle Studien aber ergeben: Allein die Niederlande müssen jährlich 1,3 Milliarden Euro in die Befestigung ihrer Küsten investieren. Wo lag der Fehler? „Die Modelle waren bislang einfach zu schwach“, sagt Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der sich auch für den IPCC mit den Kosten der Anpassung an den Klimawandel befasst. „Wir müssen nun mit realen Daten noch mal neu rechnen.“
Hatten die Kritiker doch recht - oder: Wie geht es nun weiter?
Die Liste der offenen Fragen ist lang, kein Zweifel. Dass der Klimawandel aber ein Hirngespinst sei, behaupten mittlerweile nicht einmal Skeptiker wie der Brite Nicholas Lewis mehr. Der Finanzmathematiker publiziert in renommierten Klima-Fachmagazinen und Skeptiker-Blogs. Sein Fazit der aktuellen Debatte: „Die Stärke des Klimawandels ist übertrieben worden.“
Sollte das stimmen, dürfte sich die öffentliche Debatte deutlich verschieben – weg von den heute gern verbreiteten Katastrophenszenarien. Es ist mehr Zeit, um die komplizierten Zusammenhänge in der Atmosphäre wirklich zu erforschen und zu fragen: Wie gefährlich sind die verschiedenen Klimagase tatsächlich, und welche Rolle spielen etwa Ruß und Methan.
„Bislang konzentriert sich die Politik vor allem auf CO2“, sagt Helmholtz-Forscher Schwarze. Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern.
Vielleicht, sagt Schwarze, geraten neben der Energiewirtschaft noch weitere Klimasünder in den Fokus, „die teils mindestens ebenso viel Treibhausgas verursachen“ – und bei denen sich eine Reduktion zwar nicht so schnell, aber mit geringeren Kosten erreichen ließe.
Die Landwirtschaft zum Beispiel, die von der Klimapolitik noch weitgehend ignoriert wird.
Diese Ignoranz ist ein Fehler. Denn laut den Analysten von DB Research produzieren Landwirte und Viehzüchter vor allem durch den Methanausstoß 14 Prozent der weltweiten Treibhausgase. Zählt man die agrarbedingte Entwaldung hinzu, steigt der Wert auf 25 Prozent – und erreicht fast das Niveau der Energieerzeugung. Die nämlich verursacht rund 26 Prozent der weltweiten Treibhausgase.
Fakt ist aber auch: Auf lange Sicht müssen wir den Ausstoß aller Treibhausgase reduzieren. Bestenfalls haben wir also Zeit gewonnen, um uns Gedanken zu machen, wo das am sinnvollsten ist – mehr nicht.