Die Fracking-Debatte in Deutschland nimmt weiter Fahrt auf. Die FDP will angesichts der Energiekrise das Verbot der Erdgasförderung in Deutschland durch das sogenannte Fracking auf den Prüfstand stellen. „Wie wissenschaftliche Studien zeigen, verursacht Fracking unter modernen Sicherheitsstandards keine relevanten Umweltschäden“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Torsten Herbst, der „Welt am Sonntag“. Wer Fracking-Gas aus den USA importiere, könne nicht gegen eine sichere Fracking-Förderung in Deutschland sein. „Es sollte daher ernsthaft geprüft werden, ob eine größere Schiefergasförderung unter wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten in Deutschland machbar ist“, sagte er.
Erst Anfang April hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert, dass „ergebnisoffen“ geprüft werden solle, ob Fracking in Deutschland möglich sei. Bisher ist die umstrittene Fördertechnologie verboten. „Verbote könnte man aufheben,“ so Söder. Und: „Wir dürfen Öl- und Gasgewinnung aus vorhandenen Kapazitäten in Deutschland nicht völlig ausschließen.“
Die Hoffnung dahinter? Unabhängig werden von russischem Erdgas. Denn die Abhängigkeit ist groß: 2020 kamen fast 60 Prozent der deutschen Gasimporte aus Russland. Fracking könnte die deutsche Abhängigkeit von russischem Erdgas deutlich mindern, wenn die Republik dadurch sehr viel mehr zum Selbstversorger würde, wie die WirtschaftsWoche auch im aktuellen High-Voltage-Podcast „Hilft Fracking gegen Putin?“ erörtert.
Hören Sie rein in den aktuellen Podcast: Russisches Gas: Könnte Fracking uns gegen Wladimir Putin helfen?
Söder fährt damit eine ganz andere Parteilinie als noch sein Vorgänger Horst Seehofer. Der ehemalige Ministerpräsident von Bayern versicherte 2014, als ein britisches Unternehmen in der Oberpfalz Probebohrungen durchführen wollte, dass es in Bayern kein Fracking geben werde, „darauf können Sie sich verlassen“.
Anti-Fracking-Stimmung in Deutschland
Lange Zeit sah es nicht danach aus, als würde Fracking in Deutschland noch einmal eine Chance bekommen. Zu negativ ist das Bild, das hierzulande vorherrscht. „Die Stimmung ist dagegen, es gibt viele schräge und auch falsche Informationen dazu,“ sagt Hans-Joachim Kümpel, Geophysiker und langjähriger Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoff (BGR). „Wenn Leute das Wort Fracking hören, ist das für viele schon ein Albtraum.“
Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst. Das erzeugt feine Risse im Gestein, wodurch Erdgas oder Erdöl gefördert werden kann, das sonst nicht von alleine fließt – die genaue Technologie besprechen die Redakteure Thomas Stölzel und Theresa Rauffmann auch in der aktuellen Folge des High-Voltage-Podcasts.
Schon 2016 schrieb Kümpel in einem Fachartikel mit dem Titel „Plädoyer für eine ehrliche Debatte“, dass aus geowissenschaftlicher Sicht nichts gegen die Fracking-Technologie spreche. „Sie ist nachgewiesenermaßen beherrschbar und für Bohrleute Routine. Weltweit wird das Verfahren seit vielen Jahrzehnten eingesetzt.“
Im selben Jahr beauftragte die Bundesregierung eine Expertenkommission Fracking damit, einen Bericht zum Ausmaß der Risiken beim Fracking zu erstellen. 2021 wurde er wie beauftragt vorgelegt, die Kommission kam zu dem Schluss, „dass sich die Umweltrisiken aufgrund von Fracking unkonventioneller Lagerstätten durch eine angepasste Steuerung und Überwachung der Maßnahmen minimieren lassen“.
Das Ergebnis hätte es also durchaus zugelassen, das gesetzliche Fracking-Verbot aufzuheben und bestimmte Fracking-Methoden zu erproben. Die Experten könnten mit zahlreichen Missverständnissen, Vorurteilen und Ängsten aufräumen, die es seit vielen Jahren gibt. Auf die Ergebnisse ist die Politik bisher nicht eingegangen.