Erneuerbare Energien Strom vom Meer soll wettbewerbsfähig werden

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Neue Techniken könnten zu Offshore-Comeback führen

Die Branche selbst verspricht, die Kosten der wasserumtosten Windparks bis 2023 um 40 Prozent zu senken. „Wir werden die Zehn-Cent-Marke bei der Erzeugung knacken“, kündigt Markus Tacke an, Chef von Siemens Wind Power, einem der führenden Offshore-Windradhersteller weltweit.

Briese hält das für extrem ambitioniert. In einer Exklusivstudie für die WirtschaftsWoche haben die Bremer Analysten zusammengetragen, was an Einsparungen drin ist. Sie kommen auf 34 Prozent – immerhin. Werden Rotorblätter, Gondeln und Fundamente erst einmal in Serie gefertigt, und das mit weniger Material, zudem effizientere Technologien eingesetzt, verbilligen sich Standard-Meereskraftwerke laut dieser Musterrechnung erheblich: von 1,8 Milliarden Euro auf weniger als 1,2 Milliarden Euro.

Einsparmöglichkeiten bei Offshore-Windparks

Die Bremer stützen sich bei ihren Berechnungen auf bereits verfügbare Techniken. Hoffnungsträger wie das schwimmende Gicon-Fundament, die sich erst noch bewähren müssen, gehen darin nicht ein.

Der Preissturz könnte den Offshore-Anlagen endgültig ein – wenn auch bescheidenes – Comeback verschaffen. Immerhin hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sie im Frühjahr als einzige Grünstrom-Technik im EEG vor schlechteren Förderbedingungen bewahrt. Investoren fassten daraufhin neues Vertrauen und ließen ihre Pläne zum Bau von Parks wieder aufleben. Zuletzt kündigten die Energiekonzerne RWE und EnBW an, eingemottete Projekte wie Nordsee One oder Hohe See jetzt doch voranzutreiben.

Investoren springen ab

Bis 2018 gehen maximal 15 Parks mit einer Spitzenleistung von gut 4.400 Megawatt (MW) neu ans Netz. So die Prognose von windresearch. Das entspricht in etwa der Kapazität von vier mittelgroßen Kohlekraftwerken. Die Offshore-Anlagen können dann rechnerisch fast fünf Millionen Bundesbürger mit Elektrizität versorgen. Aktuell drehen sich gerade einmal 146 Rotoren mit 630 MW vor Deutschlands Küsten.

Der Zuwachs bleibt indessen weit hinter den ursprünglichen Ausbauplänen der alten schwarz-gelben Regierung zurück. Mit installierten 10.000 MW 2020 und 25.000 MW 2030 wollte sie den Meerstrom zu einer tragenden Säule der Energieversorgung machen. Davon ist keine Rede mehr. Jetzt peilt Gabriel 6.500 und 15.000 MW an.

Die größten Anlagenbauer
NordexNach zwei verlustreichen Jahren und vielen Einsparungen lief es 2013 für Nordex wieder besser. Der Windturbinenbauer kehrte in die Gewinnzone zurück. In der Vergangenheit trennte sich Nordex unter anderem verlustreichen Produktionsstätten in den USA und China und konzentrierte sich ganz auf den Bau von Onshore-Anlagen. Mit der Strategie konnte das Unternehmen in Deutschland Marktanteile gewinnen. 2012 kam Nordex auf 3,5 Prozent, 2013 waren es im On- und Offshore-Bereich zusammen bereits sieben Prozent. Auch die Aussichten sind gut: Für 2014 rechnet der Vorstand mit neue Aufträge im Umfang von 1,6 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Siemens WindenergiesparteSiemens ist Weltmarktführer bei Offshore-Windrädern und dominiert auch in Deutschland diesen Bereich. Hierzulande kommt das Unternehmen in dem Segment auf 52,1 Prozent Marktanteil. Im On- und Offshore-Bereichen zusammen hatte Siemens Wind Power 2013 einen Anteil von 9,8 Prozent und liegt damit auf Platz vier. Nach dem Verkauf der gefloppten Solarsparte will sich Siemens künftig noch mehr auf die Energie aus Wind und Wasser zu konzentrieren. Das Geschäft lief zuletzt insbesondere im Ausland gut. Im Dezember 2013 erhielt das Unternehmen mehrere Großaufträge in den USA. In Deutschland gibt es aber auch Probleme: Bei der Anbindung von vier Offshore-Windparks in der Nordsee liegt Siemens dem Zeitplan um mehr als ein Jahr hinterher. Die Verzögerungen sollen Siemens bereits mehr als 600 Millionen Euro gekostet haben. Quelle: dpa
SenvionDas Hamburger Unternehmen Senvion (ehemals Repower ) ist eine Tochter des indischen Windkraftkonzerns Suzlon. Wie Nordex ist es auch dem Hamburger Unternehmen gelungen, Marktanteile zu gewinnen. 2013 installierte Senvion Anlagen mit rund 484 Megawatt und nun einen Markanteil von insgesamt 13,5 Prozent. Im Onshore-Bereich sind es sogar 16,2 Prozent. Das sind drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. In Deutschland hat das Unternehmen nach eigenen Angaben nun eine Gesamtleistung von 2,8 Gigawatt installiert. Im März 2014 hat Senvion die Schwelle von 10 Gigawatt weltweit installierter Leistung überschritten. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen allerdings auch mit deutlichen Umsatzrückgängen zu kämpfen. Quelle: dpa
VestasDer weltgrößte Windturbinenhersteller Vestas hatte in Deutschland 2013 einen Marktanteil von 16,7 Prozent (Onshore 20 Prozent). Damit hat der Anlagenbauer zwar rund sechs Prozent an die kleineren Mitbewerber verloren, liegt aber weiterhin klar auf Platz zwei. Allein 2013 stellte das dänische Unternehmen Anlagen mit einer Leistung von 598,9 Megawatt in Deutschland auf. Wirtschaftlich ist Vestas offenbar auf einem guten Weg: Nach massiven Sparmaßnahmen in den Vorjahren hat das Unternehmen im letzten Quartal 2013 erstmals seit Mitte 2011 wieder einen Gewinn erwirtschaftet. Der Jahresverlust lag bei 82 Millionen Euro, nach 963 Millionen Euro 2012. Quelle: ZB
EnerconDas vom Windpionier Aloys Wobben gegründete Unternehmen ist unangefochtener Marktführer in Deutschland bei Anlagen auf dem Festland (49,6 Prozent Marktanteil). Onshore-Anlagen mit einer Leistung von 1.484,6 Megawatt hat Enercon allein 2013 aufgestellt. Auf dem Gesamtmarkt musste der Windanlagenbauer allerdings Verluste hinnehmen. Lag der Markanteil 2012 bei 54,3 Prozent, betrug er zuletzt noch bei 41,4 Prozent. Weltweit hat das Unternehmen mittlerweile mehr als 20.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 28 Gigawatt installiert. Laut den Wirtschaftsforscher von Globaldata liegt Enercon im globalen Vergleich damit auf Platz. Geschlagen werden die Ostfriesen von der dänische Konkurrenz Vestas. Quelle: dpa

Ob das realistisch ist, hängt von der für 2016 angekündigten Überarbeitung des EEG ab. Streicht Gabriel dann die feste Einspeisevergütung und fördert er etwa nur noch Ausschreibungen, bei denen der Interessent den Zuschlag erhält, der die niedrigsten Erzeugungskosten garantiert, könnten Investoren und Finanziers reihenweise abspringen. Der Grund ist für Briese klar: „Sie lassen sich natürlich auf solche Milliardenprojekte nur ein, wenn ihnen eine ausreichend sichere und hohe Rendite winkt.“

Der Wankelmut der Politik ist aber nicht alles. Weil die Technik zum Teil noch in der Experimentierphase steckt, erweist sie sich für Investoren und Betreiber immer wieder als Himmelfahrtskommando.

Jüngster Zwischenfall: Im März dieses Jahres waren alle 80 Dreiflügler von Bard 1, weit draußen vor der Insel Borkum gelegen, erstmals zusammengeschaltet – nach jahrelangen Verzögerungen beim Bau. Dann brannten mit einem lauten Knall Teile der zugehörigen Umspannstation Borwin Alpha durch. Die Plattform wandelt den Wechselstrom der Mühlen in Gleichstrom um. Er lässt sich so mit weniger Verlusten über ein mehr als 100 Kilometer langes Unterwasser-Hochspannungskabel an Land bei Emden leiten. Dort wird daraus wieder Wechselstrom, der ins Übertragungsnetz fließt.

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