Die Branche selbst verspricht, die Kosten der wasserumtosten Windparks bis 2023 um 40 Prozent zu senken. „Wir werden die Zehn-Cent-Marke bei der Erzeugung knacken“, kündigt Markus Tacke an, Chef von Siemens Wind Power, einem der führenden Offshore-Windradhersteller weltweit.
Briese hält das für extrem ambitioniert. In einer Exklusivstudie für die WirtschaftsWoche haben die Bremer Analysten zusammengetragen, was an Einsparungen drin ist. Sie kommen auf 34 Prozent – immerhin. Werden Rotorblätter, Gondeln und Fundamente erst einmal in Serie gefertigt, und das mit weniger Material, zudem effizientere Technologien eingesetzt, verbilligen sich Standard-Meereskraftwerke laut dieser Musterrechnung erheblich: von 1,8 Milliarden Euro auf weniger als 1,2 Milliarden Euro.
Einsparmöglichkeiten bei Offshore-Windparks
Ein Windpark auf hoher See mit 400 Megawatt Leistung kostet rund 1,8 Milliarden Euro. Schöpften die Planer alle Einsparpotenziale aus, ließe er sich 2020 etwa ein Drittel preiswerter bauen – und würde die Kilowattstunde dann für rund 10 statt 14 Cent erzeugen.
Gesamtkosten für einen Standardpark heute: 1,8 Mrd. Euro
Kosten heute: 72 Mio. Euro
Einsparungen: 18 Mio. Euro
Durch Einsparungen wie: vereinfachte Genehmigungen, Zuschlag für den billigsten Bieter in Ausschreibungen
Kosten heute: 54 Mio. Euro
Einsparungen: 3 Mio. Euro
Durch Einsparungen wie: sinkende Versicherungsprämien und Zinsen, weil Vertrauen in Technik steigt
Kosten heute: 774 Mio. Euro
Einsparungen: 310 Mio. Euro
Durch Maßnahmen wie: Serienfertigung, höhere Leistung, Einsatz preiswerterer Materialien
Kosten heute: 270 Mio. Euro
Einsparungen: 160 Mio. Euro
Durch Maßnahmen wie: schnellere Installation von Fundamenten und Rotoren, mehr Montageschiffe
Kosten heute: 360 Mio. Euro
Einsparungen: 80 Mio. Euro
Durch Maßnahmen wie: kleinere Umspannstationen, einheitliche Genehmigungsstandards
Kosten heute: 270 Mio.
Einsparungen: 50 Mio.
Durch Maßnahmen wie: robustere Bauteile und längere Serviceintervalle
bis 2020 insgesamt: 621 Mio. Euro
Quellen: windresearch, eigene Berechnungen, die Einsparpotenziale sind jeweils Beispiele, das ganze ist eine Musterrechnung
Die Bremer stützen sich bei ihren Berechnungen auf bereits verfügbare Techniken. Hoffnungsträger wie das schwimmende Gicon-Fundament, die sich erst noch bewähren müssen, gehen darin nicht ein.
Der Preissturz könnte den Offshore-Anlagen endgültig ein – wenn auch bescheidenes – Comeback verschaffen. Immerhin hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sie im Frühjahr als einzige Grünstrom-Technik im EEG vor schlechteren Förderbedingungen bewahrt. Investoren fassten daraufhin neues Vertrauen und ließen ihre Pläne zum Bau von Parks wieder aufleben. Zuletzt kündigten die Energiekonzerne RWE und EnBW an, eingemottete Projekte wie Nordsee One oder Hohe See jetzt doch voranzutreiben.
Investoren springen ab
Bis 2018 gehen maximal 15 Parks mit einer Spitzenleistung von gut 4.400 Megawatt (MW) neu ans Netz. So die Prognose von windresearch. Das entspricht in etwa der Kapazität von vier mittelgroßen Kohlekraftwerken. Die Offshore-Anlagen können dann rechnerisch fast fünf Millionen Bundesbürger mit Elektrizität versorgen. Aktuell drehen sich gerade einmal 146 Rotoren mit 630 MW vor Deutschlands Küsten.
Der Zuwachs bleibt indessen weit hinter den ursprünglichen Ausbauplänen der alten schwarz-gelben Regierung zurück. Mit installierten 10.000 MW 2020 und 25.000 MW 2030 wollte sie den Meerstrom zu einer tragenden Säule der Energieversorgung machen. Davon ist keine Rede mehr. Jetzt peilt Gabriel 6.500 und 15.000 MW an.
Ob das realistisch ist, hängt von der für 2016 angekündigten Überarbeitung des EEG ab. Streicht Gabriel dann die feste Einspeisevergütung und fördert er etwa nur noch Ausschreibungen, bei denen der Interessent den Zuschlag erhält, der die niedrigsten Erzeugungskosten garantiert, könnten Investoren und Finanziers reihenweise abspringen. Der Grund ist für Briese klar: „Sie lassen sich natürlich auf solche Milliardenprojekte nur ein, wenn ihnen eine ausreichend sichere und hohe Rendite winkt.“
Der Wankelmut der Politik ist aber nicht alles. Weil die Technik zum Teil noch in der Experimentierphase steckt, erweist sie sich für Investoren und Betreiber immer wieder als Himmelfahrtskommando.
Jüngster Zwischenfall: Im März dieses Jahres waren alle 80 Dreiflügler von Bard 1, weit draußen vor der Insel Borkum gelegen, erstmals zusammengeschaltet – nach jahrelangen Verzögerungen beim Bau. Dann brannten mit einem lauten Knall Teile der zugehörigen Umspannstation Borwin Alpha durch. Die Plattform wandelt den Wechselstrom der Mühlen in Gleichstrom um. Er lässt sich so mit weniger Verlusten über ein mehr als 100 Kilometer langes Unterwasser-Hochspannungskabel an Land bei Emden leiten. Dort wird daraus wieder Wechselstrom, der ins Übertragungsnetz fließt.