Erschlösse aber Europa seine Schiefergasreserven, wäre die EU in den Machtspielen um den wertvollen Energieträger nicht mehr erpressbar – frack you, Putin! Und es wäre auch weniger auf Flüssiggas angewiesen, das per Tanker aus Nordafrika oder dem Nahen und Mittleren Osten kommt. Auch alles andere als politisch stabile Regionen.
Zudem könnte das europäische Schiefergaspotenzial nicht nur russische Importe rund 100 Jahre lang ersetzen. In den USA hat der Schiefergasboom zudem durch niedrige Energiepreise Hunderttausende neuer Jobs geschaffen. Zusätzlich verdrängt das Erdgas dort die schmutzigere Kohle aus den Kraftwerken. Auch Europa könnte seine Klimabilanz mit dem vergleichsweise umweltfreundlichen Energieträger aufpolieren.
Versorgungssicherheit, Klimaschutz, Wirtschaftswachstum – die europäischen Schiefergasvorkommen stellen ein gewaltiges Versprechen dar.
Flüssiggas: Fakten über die Fracking-Alternative
In Europa wächst die Sorge, die Ukraine-Krise könnte die Versorgung mit russischem Erdgas gefährden. Daher setzen viele Länder auf verflüssigtes Erdgas, kurz LNG (Liquefied Natural Gas). Auf –160 Grad Celsius gekühlt, lässt es sich problemlos transportieren. Doch noch mangelt es an effizienten Verflüssigungsanlagen auf dem Meer und an Land sowie an Tankschiffen – und auch der Preis muss stimmen.
Riesige Bohrschiffe – größer als Flugzeugträger – holen das Erdgas aus dem Meer, verflüssigen es und pumpen es in Tanker. Eines der ersten wird in Südkorea gebaut und soll 2016 vor Australien seinen Betrieb aufnehmen.
Moderne LNG-Tanker nutzen Erdgas als Brennstoff für den Motor. Ein Schiff kostet rund 220 Millionen Dollar. Es fasst 150.000 Kubikmeter, das deckt den Jahresbedarf von 73.000 Einfamilienhäusern
Wollte Europa 2020 gänzlich auf russisches Erdgas verzichten, wären weitere 87 LNGTanker nötig. Das Problem: Nur eine Handvoll Werften weltweit baut diesen Schiffstyp.
2014: 3920 Tankschiffe
2020: 4790 Tankschiffe
237,7 Millionen Tonnen Flüssiggas wurden 2012 international gehandelt. Nur 48,4 Millionen Tonnen gingen nach Europa, fast der gesamte Rest landete in Asien. Hauptexporteure sind Katar, Algerien, Nigeria, Malaysia, Indonesien, Trinidad und Russland. Spätestens ab 2020 wollen auch.
Australien und die USA verstärkt Flüssiggas exportieren. Angaben in Millionen Tonnen pro Jahr
In rund 40 europäischen Häfen gibt es Terminals, die aus flüssigem Erdgas wieder gasförmiges machen. Deren Kapazität genügt auch für weiter steigende Importmengen. Durch Pipelines gelangt das Gas zu den Verbrauchern.
Bereits heute ist Flüssiggas in Deutschland ähnlich teuer wie russisches Erdgas.
2014
LNG: 10 US-Dollar pro Energieeinheit*
Russisches Gas: 10,9 US-Dollar pro Energieeinheit*
2020
LNG: 10-12 US-Dollar pro Energieeinheit*
Russisches Gas: 10,9 US-Dollar pro Energieeinheit*
*Million British Thermal Units, entspricht rund 293 kWh
Ob es sich einlösen lässt, ist noch nicht sicher. „Wie viel des Gases sich an die Oberfläche holen lässt, weiß derzeit niemand genau“, sagt Alexandra Vetter, Schiefergasexpertin am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. Dafür habe es zu wenige Probebohrungen gegeben. Die Explorationsmaulwürfe in Nordpolen machen gerade erst den Anfang.
Aber nicht nur die geologischen Bedingungen bieten Anlass für reichlich Fragen. Auch die möglichen Folgen des Frackings für die Umwelt sind noch nicht absehbar.
Das Verfahren verbraucht nicht nur immense Mengen Wasser. Mit ihm pumpen die Rohstoffjäger auch Chemikalien in den Boden – und mit dem Gas kommen Giftstoffe aus dem Erdreich an die Oberfläche.
Immerhin versuchen die Unternehmen, die Risiken für die Natur zu reduzieren. In Deutschland ist das allen voran der Ableger des US-Ölriesen ExxonMobil. Dessen Vertreter verweisen darauf, dass schon seit 1961 in deutschem Sandstein gefrackt werde, rund 320 Mal bisher. Allerdings: Um das extrem dichte Schiefergestein aufzusprengen, ist sechs Mal mehr Wasser nötig als in den Tight-Gas-Lagerstätten aus porösem Sandstein. Entsprechend mehr Lkws müssen Wasser heranschaffen und abtransportieren, wenn es zurück an die Oberfläche kommt.
Um die Fördermethode umweltverträglicher zu machen, haben Chemiker im Auftrag von ExxonMobil in den vergangenen Monaten versucht, die giftigen Substanzen im Fracking-Gemisch zu ersetzen. Bisher sorgten rund 25 mögliche chemische Zusätze unter anderem dafür, die Flüssigkeit anzudicken, damit sie sich leichter ins Bohrloch bringen lässt. Mit ihrer Hilfe flutschen zudem Sand oder Keramikkügelchen besser in die Risse im Schiefer und halten diese so offen. Andere Zusätze lösen dieses Gel später wieder auf.
Im Labor entwickelten die Chemiker eine Mixtur, die viele Zusätze überflüssig machen soll. Nur noch zwei Additive will ExxonMobil künftig für Schiefergasprojekte in Deutschland einsetzen. Und die beiden sind laut EU-Klassifizierung weder giftig noch gesundheitsgefährdend. Damit wäre die Grundwassergefahr gebannt – und das Fracking im Sandstein schmutziger als sein Pendant im Schiefergestein.