Artur Greinert ist seiner Zeit gerne voraus. Sein Entdeckergeist brachte den begeisterten Heimwerker vor zwei Jahren auf eine Idee: Er hatte als Mieter einer Wohnung in Stade bei Hamburg zwar kein Hausdach zur Verfügung. Aber warum sollte es nicht möglich sein, fragte er sich, auf seinem Balkon Solarstrom zu produzieren? Und so unabhängiger von den steigenden Energiepreisen zu werden?
Gedacht, getan. Der 33-Jährige, der die Produktion in einem Kunststoff verarbeitenden Betrieb leitet, bestellte via Internet Solarpanels, Anschlusskabel, Wechselrichter und einen Akku und baute aus den Teilen ein Balkonkraftwerk. Seit September 2012 steht es im Garten, weil er die Module dort der Sonne nachführen kann. Das erhöht die Ausbeute. Jetzt erntet Greinert genug Kilowattstunden, um damit ganzjährig den Fernseher und die Beleuchtung im Wohnzimmer zu betreiben.
Nun sollen auch handwerklich weniger begabte Mieter und Wohnungseigentümer zum Stromproduzenten werden können.
Mit der britisch-deutschen Sun Invention aus Berlin und der GP-Joule-Tochter Mini Joule aus Reußenköge in Schleswig-Holstein blasen zwei Anbieter zur großen Do-it-yourself-Offensive. Sun-Invention-Strategiechef Toralf Nitsch verknüpft damit zugleich ein politisches Ziel: Er will die Energiewende in jeden Haushalt tragen.
Der Markt sei riesig. Zumindest theoretisch kämen in Deutschland 40 Millionen Kunden infrage. Nitsch malt die Zukunft in hellen Tönen: „Jeder Bürger soll sich Solarstrom leisten können.“ Also nicht mehr nur, wer eine Scheune, ein Eigenheim oder ein Gewerbebau sein Eigen nennt.
Das ist nicht das einzige große Versprechen, das die Hersteller abgeben: Ihre Systeme seien so simpel und narrensicher konstruiert, kündigen sie an, dass jeder Laie sie mit wenigen Handgriffen im Garten, auf dem Balkon, auf dem Garagendach oder an der Fassade installieren könne. Dann rein mit dem Stecker in die Steckdose – und schon fließt bei Sonnenschein grüner Strom ins Wohnungsnetz.
Geld vom Energieversorger gibt es dafür keines. Der Gewinn liegt darin, ihm weniger Kilowattstunden abkaufen zu müssen. Das neue 250-Watt-Solarmodul von Sun Invention erzeugt laut Hersteller je nach Standort zwischen 160 und 220 Kilowattstunden im Jahr. Es kostet inklusive Mehrwertsteuer 649 Euro. Über 20 Jahre gerechnet, kostet die selbst produzierte Kilowattstunde demnach zwischen 15 und 20 Cent. Die Versorger kassieren aktuell durchschnittlich 28,5 Cent.
Nach acht Jahren rentabel
Bliebe der Strompreis stabil, hätte sich der Kauf im günstigsten Fall nach 22 Jahren amortisiert. Unterstellt man jedoch wie Mini Joule in einer Musterrechnung für sein 195 Watt leistendes und 449 Euro kostendes Modul, dass Elektrizität jedes Jahr um fünf Prozent teurer wird, rechnet sich die Anschaffung schon nach acht Jahren.
Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. Die Marktforscher der Bonner EuPD halten in den nächsten 20 Jahren durchschnittliche Preissteigerungen für den Haushaltsstrom von 2,8 Prozent für realistisch. Das würde die Rentabilität mehrere Jahre nach hinten verschieben.
Sun-Invention-Strategiechef Nitsch hat ohnehin Höheres im Sinn als nackte Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Er möchte mit seinen solaren Kleinstanlagen, bei denen sich bis zu sechs Module zusammenstecken lassen, eine Energierevolution in Europa und auch in Indien entfachen. Sein Credo: „Es ist doch klar, dass die Zukunft der dezentralen Energieerzeugung gehört.“
In dieser schönen neuen Energiewelt des Selbermachens lauern indes Fallen. So warnt der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE), der selbstständige Anschluss der Plug-in-Anlagen könne etwa zu Bränden führen, für dessen Schäden der Nutzer selbst haften muss. Die VDE-Experten raten daher dringend, die Module von „fachkundigem Personal“ installieren zu lassen. GP Joule und Sun Invention halten ihre Systeme indes für sicher und weisen die Warnungen zurück. „Das ist reine Panikmache“, schimpft GP-Manager André Steinau.
Ahnungslos geben sich die Hersteller hingegen bei der Frage, ob der Vermieter oder die Eigentümerversammlung der Montage zustimmen müssen. Dabei ist die Sachlage nach Auskunft des Deutschen Mieterbunds juristisch klar: Sie müssen – zumindest wenn die Module sichtbar sind.
Der Kauf will also gut überlegt sein. Statt eines Geldsegens droht sonst Ärger.