Schöne neue Solarwelt
Fotovoltaik wird zum Milliardengrab. Pleitewelle erfasst Modulhersteller. Handelskrieg mit China. Die Schlagzeilen könnten schlechter kaum sein. Eben noch als Zukunftstechnik bejubelt, gilt die Fotovoltaikindustrie nun als Totengräber der Energiewende.
Tatsächlich steckt die Solarbranche in ihrer größten Krise. Das Modulangebot ist doppelt so hoch, wie der Markt nachfragt. Die Hersteller verschleudern ihre Ware unter Produktionskosten. Zudem sei der Ausbau der Fotovoltaik zu teuer, wettern Politiker und Ökonomen, zu ineffizient die Technik, zu unsozial die Förderung.
Das ist alles richtig. Und falsch zugleich. Denn was da ausgefochten wird, sind Debatten von gestern. Während Politik und Verbände immer aufs Neue über die Einspeisevergütungen streiten, ist die Solartechnik längst einen Schritt weiter: Sie steht vor ihrem eigentlichen Durchbruch.
Schon heute kostet Sonnenstrom vom Dach in 102 Ländern weniger als der Strom vom Versorger – auch in Deutschland. Große Solarkraftwerke in den USA liefern Energie sogar bereits ab umgerechnet 6,4 Cent pro Kilowattstunde – fast so preiswert wie Kohlekraftwerke. Und die Kosten für Solar sinken weiter.
Möglich macht das ein atemberaubender Innovations- und Technologieschub: Er bahnt den Weg dafür, dass sich die mit einem Marktanteil von 85 Prozent heute dominanten Siliziummodule auch ohne staatliche Förderung verkaufen lassen. Zugleich erschließen sich bald ganz neue Anwendungen, die gestern noch utopisch erschienen. So haben Forscher Solarzellen entwickelt, die sie wie Farbe auf Glas sprühen, auf Stahl lackieren oder auf Papier drucken. Es entstehen völlig neue Kleinstkraftwerke: Balkonbrüstungen, Fenster oder Vorhänge, die Strom erzeugen und in die Steckdose speisen.
Damit wird die Technik bald allgegenwärtig. Analysten der Schweizer Großbank UBS sprechen bereits von einer Revolution des subventionsfreien Sonnenstroms. Sie gehen davon aus, dass Hausbesitzer und Unternehmen in wenigen Jahren geradezu gezwungen sind, eine Fotovoltaikanlage zu installieren – weil der Strom vom Dach viel preiswerter wird als der aus der Steckdose. Und mit Batteriespeichern im Keller, die die Solarenergie für den Abend speichern, wird es sogar noch lukrativer, seinen eigenen Strom zu produzieren. Mit der Folge, dass Subventionen in den Ausbau komplett wegfallen können.
Zugleich erfasst das Fotovoltaikfieber nicht nur wohlhabende Hausbesitzer mit genügend Dachfläche. Auch Mehrfamilienhäuser und Bürotürme werden mit Balkon-Panels oder Strom erzeugenden Fassaden zu Kraftwerken. Jeder kann künftig Sonnenenergie gewinnen – und sich die Installation der neuartigen Fotovoltaiksysteme, die künftig gar als Strom-Rollo oder energieliefernde Fensterfolie daherkommen, wohl auch leisten.
Kennzahlen zu Solarstrom
Fotovoltaik sind weltweit am Netz.
kommen allein 2017 dazu.
weniger Kohle- und Gasstrom werden in sieben Jahren nachgefragt.
Stromkosten sparen Solarstromerzeuger im Jahr 2020.
kostet dann die Kilowattstunde.
Das wird den Zubau an Solarsystemen noch weit stärker beschleunigen, als es jede staatliche Subvention vorher konnte. Heute sind weltweit mehr als 100.000 Megawatt Solaranlagen installiert, schätzt die Internationale Energieagentur – das entspricht in etwa der Leistung von 100 großen Atomkraftwerken. Und allein im Jahr 2017 sollen Prognosen zufolge rund 50.000 Megawatt dazukommen. Schon drängt sich die Frage auf: Wohin eines Tages mit all dem Sonnenstrom?
Solarenergie wird für viele Verbraucher zum neuen Billigstrom – und die Welt steht vor einer Sonnenwende. Welche Techniken sie befeuern, wie das die Märkte verändern wird und wie preiswert Sonnenstrom wirklich wird, lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Technik - Solarzellen zum Auflackieren
Wer heute Solarzellen herstellen will, braucht wahres High-Tech-Equipment: Schmelzöfen und Präzisionssägen, Roboter und Beschichtungsanlagen. Fotovoltaikfabriken sind teuer, komplex, und sie schlucken enorme Mengen Energie.
Nicht so bei Arved Hübler. Wenn er neue Solarmodule braucht, drucken seine Mitarbeiter einfach welche aus. Dafür reichen dem Leiter des Instituts für Print- und Medientechnik der TU Chemnitz eine Druckmaschine, Spezialtinte und eine Rolle Papier. „Fast so wie die Verpackungsindustrie Pralinenschachteln herstellt“, sagt Hübler, „stellen wir Solarzellen her.“
In seinem Labor hat der Solarforscher schon kilometerlange Papierrollen an einem Stück in Sonnenkraftwerke verwandelt. In Stücke geschnitten und mit Kontakten versehen, kann damit selbst gewöhnliches Büropapier Strom produzieren. Die Zellulosezellen halten nur rund drei Monate, sind aber spottbillig – und lassen sich wie jeder Pappkarton recyceln.
Bald sollen Hinterhofdruckereien in Indien Fotovoltaikkartons fertigen, so der Plan des Chemnitzers. Selbst die Ärmsten können sich dann kleine Kraftwerke auf ihre Hütten legen – vielleicht finanziert durch Werbung auf der Rückseite. „Zwei Din-A3-Bögen reichen, um ein Handy zu laden“, sagt Hübler. „Und ein Filmplakat, um einen Schreibtisch zu beleuchten.“
Nicht nur in Indien steht die Fotovoltaik vor einem technischen Wandel: Weltweit erhalten die starren blauen Solarmodule aus Silizium bald Konkurrenz von dünnen, flexiblen Zellen, gefertigt aus Plastik oder sogar Papier. Auch auf Glasscheiben und Stahlbleche lassen sich neuartige Solarzellen lackieren. Forscher sprechen von der dritten Generation der Fotovoltaik – nach Siliziummodulen und Dünnschichtsolarzellen. Sie könnte Sonnenstrom noch preiswerter machen – und allgegenwärtig.
Die Top-Ten-Hersteller kristalliner Solarmodule
Suntech ist der weltweit zu den größte Produzent im Segment kristalliner Photovoltaikmodule.
Allein für das Jahr 2012 vermelden die Chinesen produzierte Kapazitäten im Umfang von 2430 Megawatt. Für das Jahr 2011 meldeten sie 2400 Megawatt und für 2010 1830 Megawatt.
Das Marktforschungsunternehmen IHS iSuppli errechnete für beide Jahre eine geringere Produktionszahlen - 2185 Megawatt für 2011 und 1485 Megawatt für 2010.
Das ebenfalls aus China stammende Unternehmen Trina Solar prognostiziert für das Jahr 2012 Produktionskapazitäten von 2400 Megawatt.
Das sind 500 Megawatt mehr als für 2011 und 1200 Megawatt als für 2010 prognostiziert.
Die tatsächlich gemeldete Produktion unterschreitet diese Zahlen noch. Im Jahr 2011 belief sich diese auf 1702 Megawatt, 2010 auf 912 Megawatt.
Das Unternehmen Canadian Solar, mit Sitz in Ontario, ist der weltweit drittgrößte Hersteller kristalliner Solarmodule.
Laut Unternehmensangaben wird für das Jahr 2012 eine Produktion von 2050 Megawatt erwartet. Die gleiche Schätzung wurde für das Jahr 2011 abgegeben, dürfte aber laut IHS iSuppli bei 1.426 Megawatt anzusiedeln sein.
Auch für das Jahr 2010 differieren die Zahlen stark: Canadian Solar meldete Kapazitäten von 1300 Megawatt, IHS iSuppli berechnete nur 937 Megawatt.
Auch der Hersteller Yingli Green Energy sitzt in China, genauer in der Provinz Hebei.
Die Firma erwartet für das Jahr 2012 Kapazitäten von insgesamt 2450 Megawatt. Dies wäre eine enorme Steigerung zu den Vorjahren, 2011 waren es 1700 Megawatt und 2010 1000.
In beiden Jahren berechnet IHS iSuppli die Kapazitäten geringer, 2011 sind es 1121 Megawatt und 2010 937 Megawatt.
Der japanische Elektronikkonzern Sharp ist im Bereich kristalliner Photovoltaikmodule gut aufgestellt. Die Prognosen für die beiden letzten Jahre belaufen sich auf jeweils 1295 Megawatt. 2010 waren es noch 1055 Megawatt.
Die von IHS iSuppli errechnete Kapazitäten fallen in beiden Jahren etwas geringer aus: 2011 kommen die Marktforscher bloß auf 963 Megawatt, 2010 auf 858 Megawatt.
Der chinesische Hersteller Hanwha SolarOne erwartet im Jahr 2012 die gleichen Kapazitäten wie im Vorjahr: 1500 Megawatt. 2010 beliefen sich die Erwartungen auf 900 Megawatt.
Ähnlich schätzt auch IHS iSuppli die Werte ein, 2011 errechneten sie eine Produktion von 919 Megawatt, 2010 612 Megawatt.
Ebenfalls aus dem Reich der Mitte stammt der Konzern LDK. Für die Jahre 2012 und 2011 meldete er jeweils Kapazitäten von 2600 Megawatt. Für das Jahr davor 1500 Megawatt.
Die Marktforscher von IHS iSuppli stuften die Produktion sehr viel geringer ein, sie kamen im Jahr 2011 auf 795 Megawatt, 2010 auf 610 Megawatt.
Der Jinko-Konzern prognostiziert für das Jahr 2012 1200 Megawatt an kristallinen Modulen, die gleiche Anzahl an wie Jahr zuvor. Im Jahr 2010 wurde mit 600 Megawatt knapp die Hälfte erwartet.
IHS iSuppli berechnete die Produktion für 2011 auf 749 Megawatt, 2010 auf bloß 274 Megawatt.
Das Unternehmen Jabil Circuit wurde 1966 in den USA gegründet, noch heute hat es seinen Sitz in St. Petersburg, Florida.
Für 2012 und 2011 erwartete das Unternehmen jeweils Produktionskapazitäten von 1020 Megawatt. Im Jahr 2010 waren es 740 Megawatt.
Das Marktforschungsunternehmen IHS iSuppli kalkulierte 716 Megawatt für 2011 und 584 Megawatt für 2010.
Kleinster Hersteller unter den großen ist die deutsche Firma SolarWorld.
Sie meldete für 2012 und 2011 950 Megawatt produzierte Solarmodule. Für das Jahr 2010 fiel die Angabe mit 940 Megawatt etwas geringer aus.
IHS iSuppli kam bei der Berechnung der Produktion für 2011 auf 711 Megawatt, 2010 auf 546 Megawatt.
Aufsehen erregen derzeit sogenannte Farbstoffsolarzellen. Sie nutzen statt Silizium spezielle Farbstoffe, um Sonnenlicht in Strom zu verwandeln. Anders als ihre Siliziumpendants erzeugen die bunten Zellen auch dann reichlich Strom, wenn sie nicht direkt in die Sonne gerichtet sind – was sie ideal für den Einbau in Hausfassaden macht. Zudem sind sie dünn, leicht und flexibel – und lassen sich mit Druckmaschinen auf Stahl oder Glas auftragen.
Oft werden die Zellen Grätzel-Zellen genannt – nach ihrem Erfinder, dem Chemiker Michael Grätzel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne. Seit mehr als 20 Jahren forscht er daran, nun ist ihm ein Durchbruch gelungen: In seinem Labor erreichte er den Rekordwirkungsgrad von 14,1 Prozent. „Das ist ein Durchbruch, wie Forscher ihn selten erleben“, sagt Grätzel. Siliziumzellen haben zwar noch höhere Wirkungsgrade – sind aber viel teurer.
Möglich wurde der Rekord dank neuer Mineralien, Perowskite genannt. Mit ihnen leisten Farbstoffzellen nicht nur mehr, sie werden auch widerstandsfähiger und preiswerter. Denn das Material ist spottbillig, und eine Schicht von einem tausendstel Millimeter reicht für den Bau einer Solarzelle. Für ein Zehn-Megawatt-Kraftwerk, schätzt Toby Meyer, Gründer des Schweizer Solar-Startups Solaronix, brauche man nur 30 Kilogramm der Mineralien. „Das ist nicht low-cost“, sagt er, „das ist no-cost.“
Kevin Arthur, Chef des britischen Solar-Startups Oxford-PV, glaubt, dass Module aus Farbstoffsolarzellen nur 30 Cent pro Watt kosten – weniger als halb so viel wie heute. Zudem sollen die Zellen, gedruckt auf Fensterscheiben oder Stahlfassaden, Teile von Gebäuden ersetzen, für die Bauherren ohnehin Geld ausgeben. Und es soll noch billiger gehen: „Die Technik wird mit der Zeit einen Wirkungsgrad von 20 Prozent erreichen“, sagt Arthur. Das schaffen heute nur Spitzensiliziummodule.
Die Top-Ten-Hersteller von Dünnschicht-Solarmodulen
Das Unternehmen First Solar aus Arizona, USA, ist spezialisiert auf Dünnschicht-Solarmodule.
Für das Jahr 2012 belaufen sich die gemeldeten Kapazitäten in diesem Segment auf 2331 Megawatt. 2011 wurde die gleiche Anzahl Megawatt gemeldet, 2010 beliefen sie sich auf 1627 Megawatt.
Das Unternehmen meldete für 2011 eine Produktion von 1981 Megawatt, 2010 belief sich der Wert auf 1411 Megawatt.
Beim japanischen Hersteller Solar Frontier werden 2012 Kapazitäten von 980 Megawatt erwartet. 2011 waren es 920 Megawatt, 2010 lediglich 360 Kilowatt.
Das Marktforschungsinstitut IHS iSuppli errechnete für das Jahr 2011 eine Produktion von 441 Megawatt, 2010 waren es 107 Megawatt.
Bei Sharp, dem drittgrößten Hersteller im Segment der Dünnschicht-Module, belaufen sich die gemeldeten Kapazitäten für 2012 - wie schon im Jahr 2011 - auf 480 Megawatt. Im Jahr 2010 waren es noch 320 Megawatt.
Die Analysten von IHS iSuppli kamen bei ihren Berechnungen auf einen Produktionswert von 221 Megawatt im Jahr 2011 und 195 Megawatt im Jahr 2010.
Der chinesische Konzern Trony Solar erwartete für die Jahre 2012 und 2011 jeweils 265 Megawatt Kapazitäten. 2010 waren es 175 Megawatt.
Laut IHS iSuppli belief sich die Produktion 2011 auf 201 Megawatt, 2010 auf 141 Megawatt.
Der japanische Hersteller Kaneka Solar erwartet 2012 einen Rückgang der Kapazitäten im Vergleich zum Vorjahr. 2012 beläuft sich die Erwartung auf 150 Megawatt, 2011 waren es noch 160 Megawatt. Schon 2010 hatte Kaneka Solar Kapazitäten in der Höhe von 150 Megawatt gemeldet.
2011 belief sich die Produktion gemäß der Berechnung von IHS iSuppli auf 117 Megawatt, 2010 auf 75 Megawatt.
Die in Shanghai angesiedelte Firma QS Solar rechnet im Jahr 2012 mit Kapazitäten von 165 Megawatt, genau wie im Vorjahr. 2010 betrugen die gemeldeten Kapazitäten zu Jahresende 160 Megawatt.
Leichter Rückgang: IHS iSuppli berechnet die Produktion der Chinesen von 2011 auf 111 Megawatt, 2010 waren es noch 112 Megawatt.
Den siebten Platz - gestaffelt nach den Produktionszahlen - belegen die Deutschen von Schott Solar. Für 2012, 2011 und 2010 meldeten sie jeweils Kapazitäten von 100 Megawatt.
Die Produktion belief sich 2011 laut IHS iSuppli auf 74 Megawatt, 2010 auf 73 Megawatt.
Ein weiteres deutsches Unternehmen auf Platz 8: Bosch Solar Energy aus Arndtstadt. Die gemeldeten Kapazitäten für das Jahr 2012 belaufen sich auf 180 Megawatt, 2011 waren es 140 Megawatt und im Jahr 2010 70 Megawatt.
Im Jahr 2011 wurden laut IHS iSuppli in der Produktion 73 Megawatt erreicht, 2010 waren es 51 Megawatt.
Die ehemalige Q-Cells-Tochergesellschaft Solibro wurde im Juni 2012 an Hanergy verkauft. Die Kapazitäten für 2012 belaufen sich auf 160 Megawatt, die beiden Jahre zuvor waren es jeweils 135 Megawatt.
Solibro produzierte laut IHS iSuppli 2011 mit 66 Megawatt weniger Solarmodule als im Jahr zuvor, da waren es noch 75 Megawatt.
Das aus den USA stammenden Unternehmen Global Solar Energy bringt es auf den 10. Platz unter den Dünnschicht-Herstellern. Wie auch die beiden Jahre zuvor meldete die Firma 2012 75 Megawatt Kapazitäten.
Die von IHS iSuppli erhobenen Zahlen ergeben für das Jahr 2011 eine Produktion von 58 Megawatt, im Jahr 2010 waren es noch 43 Megawatt.
Aber auch die herkömmliche Technik ist lange nicht an ihren Grenzen. Mit immer neuen Tricks machen die Hersteller Siliziummodule effizienter: Sie schneiden die Wafer – den Rohstoff für die Zellen – immer dünner, ersetzen teures Silber in den Leiterbahnen durch Kupfer oder stapeln mehrere Zellen übereinander, um das gesamte Wellenspektrum des Lichts auszunutzen.
Mit solchen Sandwich-Solarzellen will Martin Green, einer der renommiertesten Solarforscher, die Wirkungsgrade der Siliziumzellen erheblich steigern. „In den nächsten 20 bis 30 Jahren sind bis zu 50 Prozent machbar“, sagt der Leiter des ARC Photovoltaics Centre of Excellence an der University of New South Wales in Sydney.
Teure Materialien erlauben solche hohen Wirkungsgrade sogar heute schon: Kürzlich haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg mit einer Zelle aus Gallium und Arsen 43,6 Prozent erzielt – Weltrekord. Dabei bündeln die Forscher das Sonnenlicht mit einer Linse auf eine Hochleistungssolarzelle, die nur so klein wie ein Fingernagel ist. Das senkt die Kosten.
Die konzentrierte Fotovoltaik, für die der Heilbronner Solarhersteller Azur Space High-Tech-Zellen fertigt, könnte schon bald den preiswertesten Sonnenstrom liefern. Zwar eignet sie sich nicht für Deutschland, denn sobald sich ein Wölkchen vor die Sonne schiebt, erzeugt die Konzentratorzelle fast keinen Strom mehr. In sonnenreichen Regionen wie Kalifornien, Nordafrika oder Saudi-Arabien aber lassen sich damit Riesenanlagen errichten.
Produkte - Fensterfronten erzeugen Strom
Wer Solarstrom erzeugen will, kauft sich heute ein paar Module und bestellt einen Spezialhandwerker, der sie aufs Dach montiert. Das Ergebnis ist mal mehr, mal weniger architektonisch wertvoll. Meistens weniger.
Richard Caldwell glaubt, dass die Dachmodule bald veraltet sind. „Solarzellen werden künftig auf Stahl- und Glasfassaden laminiert“, sagt der Chef des australischen Startups Dyesol, „sodass man sie kaum noch sieht.“ Die Australier entwickeln zusammen mit dem indischen Stahlkonzern Tata bunte Metallfassaden, die ab Werk eine Schicht aus Farbstoffsolarzellen tragen. Die Entscheidung über eine Massenproduktion soll bis Ende Juli fallen.
Es wäre womöglich der Durchbruch für die sogenannte Gebäudeintegrierte Fotovoltaik – für Solarmodule also, die Teil der Gebäudehülle sind. Zwar erzeugen heute schon Glasdächer mit integrierten Siliziummodulen Strom, etwa im Berliner Hauptbahnhof; aber die Technik ist noch teuer. Solarzellen zum Auflackieren hingegen könnten das preiswerter erledigen. Ganze Häuser würden zu Kraftwerken.
Das Startup Oxford PV will Anfang 2014 eine Pilotfertigung für Strom erzeugendes Glas mit Farbstoffsolarzellen starten und schon ein Jahr später zwei Meter lange Glasmodule verkaufen, aus denen sich Gebäudefassaden, Balkonbrüstungen und Fenster herstellen lassen. Auch das US-Startup New Energy Technologies arbeitet an durchsichtigen Fenstern, auf die Solarzellen aufgesprüht sind.
Das US-Solarunternehmen Pvilion will auch Zeltdächer und Sonnenblenden zu Kraftwerken machen – und baut dazu flexible Solarzellen in Textilien ein. Demnächst statten die Unternehmer ein Hochhaus in Manhattan mit dreieinhalb Meter hohen Solarvorhängen aus, die Strom für die gesamte Beleuchtung des Gebäudes liefern.
Das sind die größten Stromverbraucher weltweit
China ist die weltweite Nummer Eins unter den Stromverbrauchern. Kein anderes Land benötigt mehr Strom. Auch bei der Stromerzeugung ist das Land an der Spitze, exportiert jedoch nicht besonders viel von seiner Energie. Im Ranking der Strom exportierenden Länder belegt die Volksrepublik nur den neunten Platz.
Der zweitgrößter Stromverbraucher der Welt ist die USA. Fast fünf Prozent der installierten Stromerzeugungskapazität waren im Jahr 2010 regenerative Energien.
Den dritten Platz der größten Stromverbraucher belegt Japan. Das Land ist zugleich viertgrößter Stromproduzent der Erde, vor ihm liegen nur Russland, China und die USA. Mit seinen Erzeugungen versorgt sich Japan im Gegensatz zu diesen Ländern jedoch ausschließlich selbst.
Fast genauso viel Strom wie Japan verbraucht Russland und liegt somit auf dem vierten Platz der weltweit größten Verbraucher. Das Land ist zudem drittgrößter Stromproduzent.
Der fünftgrößte Stromverbraucher der Welt ist Indien. Kein Wunder: Das Land ist nach China das bevölkerungsreichste der Welt, 1,3 Milliarden Einwohner leben dort laut Schätzungen.
Auf dem sechsten Platz der größten Stromverbraucher gibt es eine Überraschung: Kanada. Dabei ist das Land relativ spärlich besiedelt, nur 34 Millionen Menschen leben dort.
Mehr als doppelt so viele Einwohner wie Kanada hat Deutschland, und ist dennoch hinter dem nordamerikanischen Land, wenn es um den Stromverbrauch geht. 545 Milliarden Kilowattstunden wurden 2011 verbraucht. Beim Export von Strom ist Deutschland hingegen fast Spitze. Im weltweiten Vergleich exportiert nur Nachbarland Frankreich mehr.
Als Stromexporteur ist Frankreich die weltweite Nummer Eins. Beim Stromverbrauch liegt das 65 Millionen Einwohner-Land dagegen nur auf dem achten Platz.
Die Franzosen setzen bei der Stromerzeugung voll auf Atomkraft. 58 Meiler waren 2011 in Betrieb. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum neun Atomkraftwerke, in Spanien acht und im Vereinigten Königreich 18.
Neuntgrößter Stromverbraucher ist Brasilien. In dem südamerikanischen Land leben 200 Millionen Menschen.
Südkorea ist auf dem zehnten Platz der größten Stromverbraucher der Welt. Das Land versorgt sich laut der US-Informationsbehörde CIA komplett selbst, importiert also keinen Strom. Seinen Strom erzeugte Südkorea im Jahr 2010 zu fast einem Drittel mit Atomkraft, bis 2024 soll sie fast 50 Prozent der Stromproduktion ausmachen.
Damit zeichnet sich ab: Solarstrom wird bald nicht nur auf Hausdächern verfügbar sein, sondern nahezu überall in Gebäuden. Das Fotovoltaikunternehmen Minijoule im schleswig-holsteinischen Reußenköge etwa verkauft Solarmodule, die jedermann auf den Balkon stellen kann und die Strom via Steckdose in das Hausnetz einspeisen.
„Solche Solaranlagen gibt es künftig palettenweise beim Discounter“, glaubt der Solarexperte Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Denkbar sind Strom erzeugende Vorhänge, Dachpappen, Fensterfolien oder Pavillondächer.
Und warum bei Häusern bleiben? BMW und das Dresdner Solarunternehmen Solarwatt verkaufen bald Carports mit Solardach, in denen Autofahrer ihre Elektroautos laden. Der Autozulieferer Webasto aus Stockdorf wiederum stellt eine neue Generation von Solardächern her, die Autos mit Hybridantrieb im Stand mit Strom versorgen können. Und eine durchsichtige Solarzelle des französischen Unternehmens Sunpartner soll bald auf Smartphone-Displays Strom erzeugen. Sechs Stunden Sonne machen den Akku wieder fit.
Kosten - Sonnenstrom billig wie Kohle
Als die frühen Grünstrompioniere im Jahr 2000 sich Solaranlagen aufs Dach montieren ließen, war das ein sündhaft teures Unterfangen: Mehr als 70 Cent kostete die Kilowattstunde Sonnenstrom – 20 Mal so viel wie Strom aus Steinkohle. Fotovoltaikanlagen verbreiteten sich nur, weil üppige Fördergelder flossen.
Heute, wenige Jahre später, sieht die Rechnung ganz anders aus. Wer sich aktuell ein Sonnenkraftwerk baut, kann Strom für weniger als 15 Cent pro Kilowattstunde erzeugen. Der Strom aus der Steckdose dagegen kostet inzwischen mehr als 27 Cent.
Die Zahlen zeigen: Solarenergie ist in den vergangenen Jahren erheblich preiswerter geworden, sogar in Deutschland. Privatverbraucher benötigen schon in naher Zukunft gar keine Vergütungen für ihren Solarstrom mehr, um die Anlagen rentabel betreiben zu können. Sie verbrauchen ihren Sonnenstrom dann selbst – und senken damit ihre Stromkosten.
Die Rechnung geht allerdings nur auf, weil der Haushaltsstrompreis durch Steuern, Netzentgelte und Grünstrom-Abgaben in die Höhe getrieben wird. Vergleicht man die reinen Produktionskosten, dann ist Solarenergie noch teurer als Energie aus Kohle: Ein neues Kohlekraftwerk erzeugt Strom für etwa sechs Cent pro Kilowattstunde, alte Kraftwerke sind noch billiger.
Aber viele Experten glauben, dass Solarstrom noch deutlich preiswerter wird. Kostete eine Dachanlage Anfang 2012 noch 2095 Euro pro Kilowatt Spitzenleistung, so wird der Preis laut Prognosen des Bonner Marktforschungsinstituts EuPD im Jahr 2016 auf unter 1200 Euro sinken. Die Kilowattstunde hausgemachten Stroms kostet dann nur zwölf Cent.
Und auch nach 2016 sollen die Kosten auf allen Stufen des Solaranlagenbaus sinken. Führende Solarhersteller glauben, dass die Modulpreise bis 2020 so stark sinken werden, dass sich Solarstrom vom Dach der Marke von zehn Cent pro Kilowattstunde nähert. Große Solarkraftwerke sind noch preiswerter und ziehen laut einer Fraunhofer-Studie bis spätestens 2022 mit den Kosten fossiler Energieträger gleich.
In südlichen Regionen sind Solarkraftwerke heute schon spottbillig: Der US-Solarhersteller First Solar hat gerade mit einem Stromversorger in New Mexico einen Vertrag für ein neues Großkraftwerk abgeschlossen, das laut GTM Research Strom für umgerechnet 6,4 Euro Cent liefern soll.
Mit solchen Niedrigpreisen werden Fotovoltaikkraftwerke schon heute zur Alternative für Kohle – vor allem in sonnenreichen Ländern wie China, Südafrika oder Marokko, in denen der Strombedarf massiv wächst. Selbst Saudi-Arabien schwenkt jetzt um: Bis 2032 will der Ölstaat rund 45 Milliarden Euro in neue Solarkraftwerke investieren.
Markt - Solarboom ganz ohne Subvention
Der 8. Juni war einer dieser gefürchteten Tage. Von der Ostsee bis zum Bodensee speisten Zehntausende Solaranlagen bei blauem Himmel unermüdlich Elektrizität in die Netze. Zur Mittagszeit brachten sie es auf eine Leistung von gut 20.000 Megawatt – das entspricht der Kapazität von 20 Kohlekraftwerken. Gebraucht werden in Deutschland an Samstagen wie dem 8. Juni in der Spitze rund 45.000 Megawatt. Die Sonne deckte also schon fast die Hälfte des Strombedarfs, wenn auch nur für wenige Stunden.
Ein Ausreißer – noch. Denn zunehmend verdrängen Watt und Volt aus erneuerbaren Quellen den Strom aus konventioneller Erzeugung. Und diese Entwicklung beschleunigt sich. Am 18. April dieses Jahres produzierten Windräder und Solarpanele erstmals mehr Strom als fossile Kraftwerke.
Deren Betreiber – E.On & Co. – müssen dann wegen der vorrangigen Einspeisung des Ökostroms ihre Kapazitäten drosseln – und verlieren Geld. Auch für die Stromkunden wird es an solchen Tagen teuer.
Denn ein großes Grünstrom-Angebot drückt den Preis je Kilowattstunde (kWh) an der Leipziger Strombörse regelmäßig von durchschnittlich derzeit knapp vier auf zwei Cent und weniger. Manchmal muss die Energie sogar verschenkt werden. Die Differenz zur Einspeisevergütung für die Produzenten müssen aber alle Stromkunden über die EEG-Umlage ausgleichen. Umweltminister Peter Altmaier befürchtet, dass sie nächstes Jahr von jetzt 5,3 auf mehr als 6,0 Cent je kWh steigen wird.
Tage mit hohem Sonnenstromangebot werden laut einer Studie der UBS zunehmend Alltag. Die Folge: Die konventionellen Kraftwerksbetreiber geraten noch mehr unter Druck. Die Subventionslasten für die Verbraucher hingegen werden abgemildert. Der Grund: Weil es selbst im sonnenarmen Deutschland inzwischen billiger ist, Strom auf dem Dach selbst zu produzieren, als ihn bei einem Energieversorger einzukaufen, werden sich laut UBS in den nächsten Jahren Zehntausende weitere Hausbesitzer eine Fotovoltaikanlage bestellen. „Das werden sie wegen des Spareffekts sogar tun, wenn es von morgen an keine garantierte Einspeisevergütung mehr gibt“, sagt deren Energieexperte Patrick Hummel. Aus dem gleichen Grund, so Hummel, werden auch immer mehr Dienstleister und Gewerbebetriebe Solaranlagen installieren.
Das aber bedeutet nicht weniger als einen Epochenwechsel. „Es beginnt das unsubventionierte Solarzeitalter“, schreiben die UBS-Analysten:
- Bis 2020 entstehen allein in Deutschland, Italien und Spanien zusätzliche Solarstromkapazitäten von 43.000 Megawatt – gänzlich ohne öffentliche Förderung.
- Im gleichen Jahr erzeugen private Haushalte in Deutschland schon fast ein Drittel ihres jährlichen Strombedarfs solar selbst.
- Die Nachfrage nach Elektrizität aus Kohle- und Gaskraftwerken sinkt wegen dieses Solarbooms um sechs Prozent.
Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung bergen Zündstoff. Die Gewinne vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisation (Ebitda) von Energieriesen wie RWE halbieren sich durchschnittlich bis 2020, prognostizieren die Schweizer.
Dagegen eröffnen sich für die Hersteller der Solaranlagen neue Chancen. Denn mit jedem Cent, den die Eigenproduktion gegenüber dem Stromeinkauf günstiger wird, wächst die Nachfrage. Hausbesitzer, die etwa 30 Prozent ihres jährlichen Elektrizitätsbedarfs mit einem eigenen Dachkraftwerk produzieren, zahlen 2020 schon rund vier Cent je kWh weniger, als würden sie ihren gesamten Strom vom Versorger beziehen. Die Anschaffung würde sich laut UBS nach spätestens elfeinhalb Jahren amortisieren – ohne jede Subvention. Ergänzen Anwender die Solarmodule um eine Batterie, sparen sie 2020 sogar knapp neun Cent je kWh gegenüber dem reinen Strombezug vom Versorger.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Marktforscher des Bonner Unternehmens EuPD: Danach lassen sich mit dem Kauf solarer Komplettsysteme inklusive Speicher schon Ende nächsten Jahres Renditen von sechs bis acht Prozent erzielen. Das ist in etwa so viel, wie reine Solaranlagen heute mithilfe der EEG-Vergütung einbringen. Deren Renditen sinken wegen der ständigen Förderkürzungen jedoch absehbar.
EuPD-Analyst Martin Ammon rät den deutschen Modul- und Zellherstellern, sich auf solche spezialisierten Komplettangebote zu konzentrieren. Dazu gehört auch eine Energiemanagement-Software, die den Eigenverbrauch optimiert, zum Beispiel indem sie Waschmaschine und Trockner einstellt, wenn die Dachanlage auf Hochtouren läuft. „Diese Komplexität beherrschen sie besser als chinesische Massenanbieter.“
Es ist die Chance für die deutsche Solarindustrie, vom globalen Fotovoltaikboom zu profitieren. Der Verband der europäischen Solarindustrie (Epia) schätzt, dass 2017 weltweit Anlagen mit einer Kapazität von mehr als 48.000 Megawatt installiert werden – gegenüber knapp 28.000 MW dieses Jahr.
Somit ist klar: Sonnenstrom wird zu einer tragenden Säule der weltweiten Energieversorgung – die Abgesänge waren verfrüht. Und sogar deutsche Hersteller können Hoffnung schöpfen.